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OLG Braunschweig, Urteil vom 20.03.2019 – 1 W 42/17 – “Zur Wirksamkeit eines „Notizzetteltestaments““


Das OLG Braunschweig hatte sich mit Urteil vom 20.03.2019 (1 W 42/17) mit der Frage zu befassen, ob der nachfolgende auf einem wenige Zentimeter großen undatierten Notizzettel handschriftlich geschriebene Text als Testament ausreicht:

„Wenn sich für mich A. [Vor- und Nachname], geb. […] [Geburtsdatum] einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt der bekommt mein Haus und alles was ich habe. A. [Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]“

Im Jahr 2001 hatte die Erblasserin ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Eine Schlusserbenbestimmung enthielt das Testament nicht. Nachdem der Ehemann verstorben war, erteilte die Erblasserin der Beteiligten zu 1 eine notarielle Vorsorgevollmacht und ließ am 11.09.2014 und 06.10.2014 jeweils einen Entwurf eines notariellen Testament errichten, in welchem die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin eingesetzt werden sollte. Zu einer Beurkundung kam es aber nicht. Die Beteiligte zu 1 beantragte nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein. Dem sind die nächsten Verwandten, die Kinder eines Cousins der Erblasserin entgegengetreten.

Das OLG hat den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Denn die Testamentsentwürfe stellen keine ordentlichen Testamente dar. Voraussetzung wäre entweder, dass das Testament notariell beurkundet ist oder vom Erblasser selbst geschrieben und unterschrieben ist. Diese Voraussetzungen erfüllen die Entwürfe aber nicht. Auch der Notizzettel beinhaltet aus mehreren Gründen keine wirksame Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin. Unschädlich ist dabei, dass die Ortsangabe fehlt, dies führt nur dann zur Unwirksamkeit des Testaments, wenn sich daraus Zweifel an der Gültigkeit ergeben. Problematisch ist aber, dass der Notizzettel undatiert ist. In diesem Fall bestimmt § 2247 Abs. 5 S. 1 BGB, dass das Testament nur dann als gültig anzusehen ist, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen. Dies ist nur dann von Bedeutung, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt der Erblasser nicht mehr testierfähig war oder wenn es beim Vorliegen mehrerer Testamente darauf ankommt, welches das spätere Testament ist. Vorliegend war aber unklar, ob der Notizzettel nach dem Testament aus dem Jahr 2001 oder davor errichtet wurde. Wurde er davor errichtet, wäre die Einsetzung der Beteiligten zu 1 durch das spätere Testament, in welchem die Erblasserin ihren Ehemann als Alleinerben eingesetzt hat, aufgehoben worden, sodass mangels eindeutig feststellbaren Errichtungsdatum in der Verfügung auf dem Notizzettel keine wirksame Testamentserrichtung zu sehen war.

Weiter bestehen aus Sicht des OLG Zweifel daran, dass die Erblasserin mit Testierwillen gehandelt hat. Denn grundsätzlich spielt es nach dem Gesetz keine Rolle, auf welchem Material der Erblasser sein Testament errichtet, sodass auch ein Notizzettel ausreichen kann. Allerdings liegt nur dann eine letztwillige Verfügung vor, wenn sie auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht. Es muss insoweit außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden, sodass die Erklärung nicht bloß ein Entwurf, eine Ankündigung o.Ä. darstellt. Dies war nach Auffassung des OLG nicht gegeben, weil die Erblasserin bereits ein Testament errichtet hatte und damit über die Formvorschriften informiert war und der Text nicht eindeutig ist, weil die Formulierung „der bekommt mein Haus und alles was ich habe“ auch so verstanden werden kann, dass die Erblasserin eine Übertragung ihres Hauses schon zu Lebzeiten in Aussicht stellt und ein Hinweis darauf, dass das „Bekommen“ erst nach dem Tod der Erblasserin stattfinden sollte im Text nicht enthalten ist.

Letztlich scheiterte die Wirksamkeit des Testaments auch daran, dass eine etwaige in dem Zettel liegende letztwillige Verfügung nicht ausreichend bestimmt und daher nichtig ist. Denn nach § 2065 BGB muss der Erblasser die Person, die er als Erben einsetzen will, selbst bestimmen. Dies muss zwar nicht namentlich geschehen, es ist aber erforderlich, dass die Person anhand des Inhalts der Verfügung zuverlässig festgestellt werden kann. Auch diese Voraussetzung erfüllt der Text auf dem Notizzettel aus Sicht des OLG nicht. Denn der unter „Aufpassen“ fallende Begriff ist wesentlich weiter, als z. B. bei einer Formulierung, die sich auf eine einzige Pflegekraft bezieht, die der pflegebedürftige Erblasser selbst bestimmt, aber im Testament nicht namentlich bezeichnet. Dass die Beteiligte zu 1 aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht die Möglichkeit hatte, in den dort genannten Bereichen für die Erblasserin tätig zu werden macht sie aus Sicht des OLG nicht zur einzigen objektiv und ohne Ermessen bestimmbaren Person, die auf die Erblasserin „aufgepasst“ hat. Da der Notizzettel hinsichtlich der Person des Begünstigten zu unbestimmt ist, beinhaltet dieser keine wirksame Erbeinsetzung.

Auch wenn ein Notizzettel als Testament grundsätzlich ausreichend ist, weil das Gesetz insoweit keine bestimmten Materialien für die wirksame Errichtung vorsieht, ist hiervon dringend abzuraten. Denn ein Notizzettel weckt grundsätzlich Zweifel am Vorliegen eines ernsthaften Testierwillens, weil auf solchen häufig nur Erklärungen vorbereitet werden, sodass die äußere Form in diesem Fall eher für einen Testamentsentwurf spricht. In jedem Fall ist zu beachten, dass das Testament, auch wenn es auf einem Notizzettel errichtet wird, mit Ort und Datum der Errichtung versehen wird, um insoweit spätere Zweifel auszuräumen. Im Übrigen muss die Verfügung einen eindeutigen Inhalt haben, weil sie ansonsten auch aus diesem Grund unwirksam ist.