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BGH, Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18 – “Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs bei Mengenmehrungen“


Der Bundesgerichtshof hat in einer als „Paukenschlag aus Karlsruhe“ beschriebenen Entscheidung am 08.08.2019 die bisherige Rechtsprechung zu Preisen für Mengenmehrungen aufgegeben und komplett neu gefasst.

Im zugrunde liegenden Fall hat ein Abbruchunternehmer in einem Angebot für die Menge von 1 t einen Einheitspreis von EUR 462,00 angegeben. Es ging dabei um die Entsorgung von Bauschutt als Gemisch, der gefährliche Stoffe enthält. Tatsächlich wurden 83,92 t entsorgt und die Unternehmerin hat auf der Basis des vertraglichen Einheitspreises abgerechnet und die Vergütung eingeklagt. Tatsächlich sind ihr für die Mehrmengen deutlich geringere Kosten in Höhe von ca. 92,00 EUR pro Tonne als Fremdkosten und 40,00 EUR pro Tonne als Eigenkosten entstanden, was sich im Verfahren ergeben hatte.

Der Bundesgerichtshof entscheidet nun, dass nur die tatsächlich entstandenen Kosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags (im Verfahren von beiden Parteien mit 20 % angenommen und damit vom Bundesgerichtshof nicht überprüft) verlangen kann, damit nur EUR 150,00 statt EUR 462,00 pro Tonne.

Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus:

„Die Anknüpfung an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge stellt sich für keine der Vertragsparteien als zum Nachteil der anderen Partei wirkender Vorteil dar. Der Auftragnehmer erhält so für die relevanten Mehrmengen eine auskömmliche Vergütung. Es widerspräche Treu und Glauben, würde er aufgrund der nicht vorhergesehenen Mengenmehrung auf Kosten seines Vertragspartners einen über die angemessenen Zuschläge hinausgehenden Gewinn erwirtschaften oder der Auftraggeber von einem infolge der Mengenmehrung für den Auftragnehmer unauskömmlich oder unwirtschaftlich gewordenen Preis profitieren.“

Aus dem Urteil ergibt sich leider nicht, wie es sich um die Eigenkosten der Unternehmerin, die mit 40,00 EUR pro Tonne angesetzt waren, verhält. Einen Zuschlag von 20 % gewährt der Bundesgerichtshof auf diese Position nicht. Dem Sachverhalt lässt sich allerdings nicht entnehmen, ob in den eigenen Kosten entsprechende Zuschläge bereits enthalten sind oder nicht (wovon aber wohl auszugehen ist).

Für die Bauvertragsparteien bedeutet dies, dass bei Mengenmehrungen im Vergleich zum vertraglichen Leistungsumfang im VOB-Vertrag eine völlig neue Kalkulationsgrundlage sich ergibt, die allerdings der vom Gesetz für Verträge, die nicht der VOB/B unterliegen, seit 01.01.2018 getroffenen Wertung in § 650c Abs. 1 BGB entspricht.