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LG München, Urteil vom 19.06.2024 – 3 O 3026/24 – „Zur Pflichtteilsentziehung“
Im deutschen Recht gilt die Testierfreiheit, die insbesondere beinhaltet, dass der Erblasser frei über die Person des Erben entscheiden kann. Eine Grenze insoweit gibt es lediglich durch die Regelung des Pflichtteilsrechts, wonach den Abkömmlingen des Erblassers und dem Ehegatten als Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils zusteht. Das Pflichtteilsrecht besteht auch zugunsten der Eltern, wenn es keine Abkömmlinge gibt. Während eine Enterbung auch ohne Grund möglich ist, ist die Entziehung des gesetzlich garantierten Pflichtteils nur unter den sehr strengen Voraussetzungen des § 2333 BGB möglich, insbesondere in Fällen, bei denen der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einer diesem nahestehenden Person nach dem Leben trachtet. Mit einem solchen Fall musste sich auch das LG München im Urteil vom 19.06.2024 (Az. 3 O 3026/24) befassen, hat eine Berechtigung zur Pflichtteilsentziehung letztlich aber abgelehnt.
In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall war der Erblasser weder verheiratet noch hatte er Abkömmlinge, die Mutter war vorverstorben. Mit handschriftlichem Testament setzte der Erblasser seinen Lebensgefährten zum Alleinerben ein und ordnete an, dass seinem Vater der Pflichtteil entzogen werden soll, dies mit folgendem Inhalt: „Meinen Vater enterbe ich, da wir uns in einem unüberwindbaren Zustand befinden. Er trachtet mir sogar nach dem Leben: O.-Ton: ‚du sollst verrecken, oder ich mache es!‘ Wegen meiner Homosexualität.“
Der Vater machte nach dem Tod seines Sohnes Pflichtteilsansprüche gegenüber dem Lebensgefährten geltend, dies zurecht, wie das Landgericht München entschieden hat. Denn die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung lagen nicht vor. Insoweit war bereits streitig, ob der Vater tatsächlich die sich aus dem Testament ergebenden Aussagen getätigt hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies aber die Voraussetzungen des § 2333 BGB noch nicht erfüllen. Denn die bloße mündliche Äußerung der Tötungsabsicht etwa in Form von Bedrohungen stellt noch keine Lebensnachstellung im Sinne dieser Vorschrift dar. Nicht ausreichend ist es, wenn der Pflichtteilsberechtigte eine Tötung ankündigt oder damit droht, ohne diese dann tatsächlich zu erstreben oder wenn er den Tod des Erblassers herbeiwünscht. Dementsprechend konnte der Vater unabhängig davon, ob er seinem Sohn gedroht hat, die Pflichtteilsansprüche geltend machen.
Die Entziehung des Pflichtteils ist nur in sehr engen Ausnahmefällen möglich. Zu berücksichtigen ist, dass sie aber auch in diesen Fällen nicht automatisch eintritt, sondern nur, wenn die Entziehung in Form einer letztwilligen Verfügung erfolgt, in der auch der Grund der Entziehung anzugeben ist (§ 2336 BGB).