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OLG Celle, Beschluss vom 14.11.2014 – 2 U 111/14 – “Wirksames Vertragsstrafeversprechen für den Fall verspäteter Übergabe der Mietsache”
Die Mietvertragsparteien schließen am 24.11.2011 einen so genannten Mietvertrag „vom Reißbrett“. Das Einkaufszentrum, in dem sich die Mietsache befindet, soll vom Vermieter erst noch erstellt werden. Der Vermieter verpflichtet sich, das Eigentum an dem Grundstück, auf dem das Einkaufszentrum errichtet werden soll, zu erwerben, das Objekt zu erstellen und bis spätestens 30.09.2013 zu übergeben. In einer vom Mieter gestellten Formularklausel verpflichtet sich der Vermieter, pro Tag der verspäteten Übergabe eine Vertragsstrafe von EUR 300,00 zu zahlen, die geringfügig (3 %) höher ist als die Miete. Das Bauvorhaben scheitert, weil der Verkäufer des Grundstücks, auf dem das Einkaufszentrum errichtet werden soll, von einem vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch macht. Der Vermieter trägt vor, der Grundstückseigentümer sei trotz eines erheblich nachgebesserten Kaufangebotes nicht zum Verkauf bereit gewesen, weil er bereits mit einem anderen Investor eine Vereinbarung getroffen habe. Mit der Klage macht der Mieter die angefallene Vertragsstrafe für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis 31.01.2014 über EUR 36.900,00 geltend und gewinnt in allen Instanzen. Das Oberlandesgericht Celle weist die Berufung des Vermieters gegen ein Urteil des Landgerichts Hildesheim mit Beschluss vom 14.11.2014 – 2 U 111/14 zurück.
Der Vermieter macht ohne Erfolg geltend, er sei nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht befreit, weil ein Fall der Unmöglichkeit vorliege. Eine objektive Unmöglichkeit ist aber nicht gegeben. Sie ist gleichbedeutend mit genereller Unerfüllbarkeit. Dies würde voraussetzen, dass die vom Vermieter geschuldete Leistung von niemand, auch nicht von einem Dritten, erbracht werden kann. Eine solche generelle Unerfüllbarkeit ist zudem nicht gegeben, wenn die ursprünglich vorgesehene Erfüllungsart zwar undurchführbar geworden ist, die Leistung aber in anderer Weise erbracht werden kann und die Änderung beiden Parteien zuzumuten ist (BGHZ 38, 149). Dass niemand in der Lage wäre, sich Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, auf das das Einkaufszentrum gebaut werden sollte, und die vermieteten Gewerberäume herzustellen, ist jedoch nicht ersichtlich. Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die eine Realisierung des Gewerbeobjekts zwingend ausschließen würden, waren nicht vorgetragen worden.
Ebenso konnte sich der Vermieter nicht mit Erfolg darauf berufen, es lägen die Voraussetzungen eines Ausschlusses der Leistungspflicht wegen subjektiver Unmöglichkeit vor. Hierfür müsste das Leistungshindernis für den Vermieter unüberwindbar sein (BGH NJW 2013, 152). Der Vermieter hat aber nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er sich nicht unter Aufwendung zusätzlicher finanzieller Mittel oder unter Mithilfe Dritter Eigentum an dem Grundstück verschaffen und das geschuldete Mietobjekt noch verwirklichen könnte. Der unsubstantiierte Hinweis auf Vereinbarungen des Grundstückseigentümers mit einem neuen Investor besagt hierzu nichts.
Erfolglos ist auch die Argumentation des Vermieters, dass die Leistungshindernisse nur mit einem hohen finanziellen Aufwand zu beseitigen wären, so dass er nach § 275 Abs. 2 BGB wegen so genannter wirtschaftlicher Unmöglichkeit berechtigt sei, die Erfüllung des Mietvertrags zu verweigern. Ein Fall so genannter wirtschaftlicher Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Aufwand unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses als auch der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers stände. Hier ließ es der Vermieter bereits an substantiiertem Vortrag dazu fehlen, ob und gegebenenfalls mit welchem Aufwand das Leistungshindernis zu überwinden ist, das Grundstück also zu erwerben gewesen wäre. Ein unverhältnismäßiger Aufwand dürfte überdies nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle deshalb kaum anzunehmen sein, weil bei Mietverträgen grundsätzlich ein strenger Maßstab gilt (BGH NJW 2010, 2050). Danach lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze“ nicht aus einer bloßen Betrachtung der für die Behebung des Leistungshindernisses anfallenden Kosten begründen. Erforderlich ist vielmehr eine Würdigung aller Umstände. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist insbesondere auch ein etwaiges Verschulden des Schuldners zu beachten (BGH NJW 2010, 2050). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass vorliegend der Vermieter das Leistungshindernis zu vertreten hat. Er hat im Mietvertrag sogar eine ausdrückliche Einstandspflicht für den Eigentumserwerb an dem Grundstück übernommen. Damit dürfte aber die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter selbst für den Fall, dass noch erhebliche Aufwendungen erforderlich sein sollten, kaum überschritten sein.
Der Vermieter kann auch nicht mit der Argumentation durchdringen, dass die vom Mieter in einer Formularklausel (also einer Allgemeinen Geschäftsbedingung) gestellte Vertragsstrafenregelung des Mietvertrages gegen § 307 Abs. 1 BGB („unangemessene Benachteiligung“) verstoße, weil die Verwirkung einer täglichen Summe von EUR 300,00 ohne Vereinbarung einer Obergrenze unangemessen hoch sei. Der Bundesgerichtshof hat am 12.03.2003 (NJW 2003, 2158) entschieden, dass für den Fall der Nichtüberlassung einer erst noch zu errichtenden Gewerbeimmobilie entgegen einer mietvertraglichen Abrede ein Vertragsstrafeversprechen, das die Verwirkung einer täglichen Summe vorsieht, auch ohne Vereinbarung einer Obergrenze nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt. Bei der Vermietung mit Bauverpflichtung übernimmt der Vermieter eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung. Die Nichtfertigstellung des Objekts stellt sich insoweit als eine der gröbsten denkbaren Vertragsverstöße dar (BGH NJW 2003, 2158, 2161). Vor diesem Hintergrund ist eine Vertragsstrafe, deren Höhe von der Zeitspanne abhängt, innerhalb derer der Vertragspartner seine Kardinalpflicht zu fortlaufender Gebrauchsgewährung nicht erfüllt, keineswegs unangemessen. Sie steht nicht außer Verhältnis zum Gewicht des geahndeten Verstoßes, sondern erfüllt im Gegenteil ihren Zweck als Druckmittel, um den Schuldner zur Vertragstreue anzuhalten und dem Mieter die pünktliche Aufnahme seines Geschäftsbetriebes sicherzustellen. Dieses Druckmittel würde durch die Festlegung eines Höchstbetrages entscheidend entwertet. Der Schuldner selbst hat es letztlich in der Hand, zur Vertragstreue zurückzukehren und die Vertragsstrafe damit zu begrenzen. Darüber hinaus sei in Übereinstimmung mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs darauf abzustellen, in welchem Verhältnis der täglich anfallende Betrag von EUR 300,00 zu dem steht, was eine Überschreitung um einen Tag für einen Mieter bedeutet, der seinem Vertragspartner durch diese Klausel von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er allergrößten Wert auf pünktliche Fertigstellung legt. Dass der Mieter durch die Nutzung des Mietobjekts keinen höheren Gewinn als täglich EUR 300,00 gemacht hätte, war nicht ansatzweise ersichtlich.
Unbeachtlich ist auch der Einwand des Vermieters, dass die Vertragsstrafe die zwischen den Parteien vereinbarte Nettomiete geringfügig um etwa 3 % übersteigt. Dies bedingt gerade die berechtigte Druckfunktion des Vertragsstrafeversprechens. Die Parteien haben insoweit in einer im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht zu beanstandenden Weise einen pauschalierten Ausgleich für die schwer wiegende Vertragsverletzung des Vermieters vereinbart.
Das Oberlandesgericht thematisiert dann auch noch die Frage, ob der Mieter die Vertragsstrafe für die gesamte vereinbarte Mietdauer verlangen könne. Der Bundesgerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass eine wirksame Vertragsstrafenregelung nicht automatisch dazu führen muss, dass die Vertragsstrafe tatsächlich maximal 30 Jahre gezahlt werden muss. Es müsse geprüft werden, ob nicht irgendwann eine zeitliche Grenze erreicht ist, jenseits derer sich das Verlangen nach Fortzahlung der Vertragsstrafe nach § 242 BGB als treuwidrig erweisen würde. Der BGH hat in dem von ihm entschiedenen Fall diese Grenze bei einer verlangten Vertragsstrafe für 478 Tage = DM 239.000 (DM 500 pro Tag) jedenfalls als noch nicht erreicht angesehen. Im Streitfall machte der Mieter eine Vertragsstrafe für 123 Tage geltend, die nicht unangemessen war.
Das Oberlandesgericht Celle verwirft auch die Auffassung des Vermieters, dieser sei aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass die Kündigungsgründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners (also des Mieters) liegen. Im vorliegenden Falle wurde aber die ausgefallene Realisierung der Errichtung des vermieteten Gebäudes weder durch den Mieter begründet, noch fällt sie in den vertraglichen oder gesetzlichen Risikobereich des Mieters. Die Herstellung und Überlassung des vermieteten Objekts fällt vielmehr gemäß der mietvertraglichen Regelung allein in den Verantwortungsbereich des Vermieters, der sich zur Erstellung und Übergabe des Objekts verpflichtete.
Schließlich konnte der Vermieter auch keine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB in Anspruch nehmen. Nach dieser Norm kann eine verwirkte unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. § 343 BGB findet nach § 348 HGB aber im kaufmännischen Rechtsverkehr ausdrücklich keine Anwendung.