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OLG Dresden, Beschluss vom 15.07.2014 – 5 U 52/14 – “Auslegung einer Vereinbarung über die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung eines verlorenen Baukostenzuschusses


In einer Entscheidung vom 15.07.2014 – 5 U 52/14 – beschäftigte sich das Oberlandesgericht Dresden mit der Auslegung einer mietvertraglichen Vereinbarung zur Zahlung eines Baukostenzuschusses durch den Mieter.

Die Parteien schlossen am 7./10.12.2011 einen Mietvertrag über als Sportstudio zu nutzende Räume. Vereinbart ist eine Vertragszeit von 10 Jahren, die mit der Übergabe beginnen soll. Vertragsbestandteil ist eine Baubeschreibung und eine Leistungsbeschreibung. In § 4 Abs. 2 MV ist unter der Überschrift „Baukostenzuschuss“ geregelt: „Der Mieter leistet einen einmaligen Investitionskostenbeitrag als verlorenen Baukostenzuschuss in Höhe der in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Beträge je Leistungsbereich für die Errichtung des Mietgegenstandes gemäß Baubeschreibung. In der Leistungsbeschreibung aufgeführte Beträge sind Maximalbeträge. Diese Beträge sind zu entrichten nach entsprechender Ausführung des Leistungsbereiches und Rechnungslegung durch den Vermieter, nicht jedoch vor Übergabe des Mietgegenstandes.“ Die Ausbauarbeiten wurden erbracht. Am 30.10.2012 wurde das Mietobjekt an den Mieter übergeben. Beide Parteien unterzeichnen ein Mietübergabeprotokoll, in dem der Mieter Mängel auflistet, hinsichtlich der der Mieter einen Mangelvorbehalt erklärt. Mit Schreiben vom 11.04.2013 legte der Vermieter gegenüber dem Mieter Rechnung über den verlorenen Baukostenzuschuss in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 36.938,87 brutto. Der Mieter wendet gegen seine Zahlungspflicht ein, der Anspruch des Vermieters auf Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses sei nicht fällig, weil die betroffenen Bauleistungen vom Vermieter nicht sach- und fachgerecht ausgeführt worden seien, sondern vielmehr Mängel aufwiesen. Von einer Abnahme des Mieters bei Übergabe des Mietobjekts am 30.10.2012 könne angesichts der im Übergabeprotokoll angegebenen Mängel nicht gesprochen werden. Hilfsweise hat der Mieter vorgetragen, dass ein fälliger Anspruch des Vermieters auf Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses infolge der Aufrechnung des Mieters mit Gegenforderungen erloschen wäre. Der Mieter nimmt Bezug auf ein außergerichtliches Anwaltsschreiben, mit dem Aufrechnung mit Gegenansprüchen im Umfang von EUR 36.694,00 erklärt worden war. Der Mieter führt aus, zwar enthalte der Mietvertrag eine Regelung, die dem Mieter die Aufrechnung gegen Ansprüche des Vermieters nur mit unbestrittenen und rechtskräftig festgestellten Ansprüchen gestatte. Auch seien die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche strittig. Bei der mietvertraglichen Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis des Mieters handele es sich aber um eine vom Vermieter gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, die wegen Verstoßes gegen §§ 307, 309 Nr. 2b BGB unwirksam sei. Es sei nämlich die Besonderheit zu beachten, dass es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht um einen reinen Mietvertrag handele. Vielmehr sei dem Vertrag – nicht zuletzt durch die vertragliche Anknüpfung der Zahlung des Baukostenzuschusses für die sach- und fachgerecht Errichtung – ein werkvertragliches Element immanent. Zwischen dem Baukostenzuschuss und der Errichtung des Mietgegenstandes bzw. der entsprechenden Ausführung der Leistungsbereiche  bestehe ein Äquivalenzverhältnis, welches zu einer dem Werkvertrag vergleichbaren Interessenlage führe. Zum Werkvertragsrecht habe der Bundesgerichtshof aber bereits entschieden, dass eine Formularbestimmung, wonach nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen gegen den Honoraranspruch eines Architekten aufgerechnet werden könne, unwirksam sei.

Der Vermieter klagt auf Zahlung des Baukostenzuschusses in Höhe von EUR 36.938,87. Das Landgericht Dresden gibt der Klage statt. Das Oberlandesgericht Dresden verwirft die dagegen eingelegte Berufung durch Beschluss als offensichtlich unbegründet. Das Oberlandesgericht legt dar, dass der Vermieter aufgrund der mietvertraglichen Vereinbarung die Zahlung des Baukostenzuschusses beanspruchen kann, weil die Fälligkeitsvoraussetzungen dieses Anspruches vorliegen. Der Anspruch des Vermieters ist nicht durch die hilfsweise geltend gemachte Aufrechnung mit behaupteten Gegenansprüchen des Mieters erloschen, weil dieser nach dem Mietvertrag nur mit unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufrechnen dürfe. Dessen Auffassung, die formularmäßige Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis sei unwirksam, ist rechtlich nicht haltbar.

Entgegen der vom Mieter vertretenen Auffassung ist der Mietvertrag nicht in der Weise auszulegen, dass der Anspruch auf Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses erst dann fällig wird, wenn der gesamte Mietgegenstand bzw. die vom Baukostenzuschuss betroffenen Leistungsbereiche sach- und fachgerecht hergestellt worden sind, also keinen Mangel aufweisen. Es genügt vielmehr, wenn die vom Baukostenzuschuss betroffenen Leistungsbereiche so hergestellt werden, dass sie vom Mieter übernommen werden können, der Mieter das Mietobjekt tatsächlich übernimmt und der Vermieter über den verlorenen Baukostenzuschuss Rechnung legt. Diese Voraussetzungen sind aber gegeben. Bei der Auslegung des Mietvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB ist vom Wortlaut auszugehen, wenngleich eine Buchstabeninterpretation unterbleiben soll. Wird ein im Wortlaut verwendeter Begriff in den beteiligten Verkehrskreisen in einer bestimmten Weise verstanden, verstößt es in aller Regel gegen §§ 133, 157 BGB, ihn in einem anderen Sinne zu deuten (BGH NJW 2001, 1344). Ein solcher Begriff ist der „verlorene Baukostenzuschuss“. Die am gewerblichen Mietmarkt beteiligten Verkehrskreise verstehen diesen Begriff in der Weise, dass damit eine Geld- oder Sachleistung gemeint ist, welche der Mieter als Sonderleistung neben der Miete zu Gunsten des Vermieters zum Neu- oder Ausbau, zur Erweiterung, Wiederherstellung oder Instandsetzung von Räumen erbringt, ohne dass der Vermieter zur vollen oder teilweisen Rückerstattung dieser Leistung vertraglich verpflichtet ist (BGHZ 29, 289 BGH NJW 1985, 313; OLG Düsseldorf NZM 2001, 1093). Kennzeichnend für den verlorenen Baukostenzuschuss ist demnach, dass er nicht als Gegenleistung für die Überlassung des Mietobjektes gezahlt wird, sondern vom Mieter erbracht wird, um durch die Beteiligung an den Investitionskosten zu ermöglichen, dass ein langfristiges Mietverhältnis mit speziell ausgestatteten Räumen finanzierbar wird und er selbst die Amortisation des Investitionsbeitrages erwirtschaften kann. Der Mieter hat danach keinen Erfüllungsanspruch in der Weise, dass er die Durchführung der baulichen Maßnahme vom Vermieter verlangen kann. Erbringt aber der Vermieter die vorgesehene bauliche Leistung nicht oder kommt es nach der Ausführung der Leistung nicht zum Abschluss eines Mietvertrages, kann der Mieter den bereits gezahlten Baukostenzuschuss vom Vermieter wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangen. In ähnlicher Weise kann der Mieter bereicherungsrechtlichen Ausgleich verlangen, wenn der langfristige Mietvertrag aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen vorzeitig endet und damit der Vermieter vorzeitig in den Genuss der wertsteigernden Investitionen des Mieters gekommen ist. Der Mietvertrag ist danach der Rechtsgrund für die Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses, so dass er (teilweise) rechtsgrundlos erbracht wurde, wenn der Mietvertrag vorzeitig endet (BGH ZMR 2010, 104). Der Mieter zeigt nicht auf, dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einem davon abweichenden Verständnis des Baukostenzuschusses ausgegangen sind.

Für die Auslegung der mietvertraglichen Regelung ist unter diesen Umständen festzuhalten, dass der verlorene Baukostenzuschuss nicht die Gegenleistung für die vom Vermieter zu erbringenden Bauleistungen der betroffenen Leistungsbereiche ist. Die Regelung des Mietvertrags, wonach der Baukostenzuschuss zu entrichten ist „nach entsprechender Ausführung des Leistungsbereiches“, kann deshalb nicht dahin verstanden werden, dass der Vermieter für eine bestimmte Bauleistung vorleistungspflichtig ist und nach Ausführung das dafür geschuldete Entgelt erhält. Vielmehr ist die Regelung im Lichte der dargestellten Funktion des verlorenen Baukostenzuschusses zu verstehen. Regelmäßig erbringt der Mieter zunächst den verlorenen Baukostenzuschuss, während danach die Bauleistung durch den Vermieter erfolgt. Im vorliegenden Falle haben die Vertragsparteien sich dahin verständigt, dass zunächst die Bauleistung auszuführen ist und der Mieter erst dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn die Bauleistung ausgeführt und das Mietobjekt an den Mieter übergeben worden ist. Der Mieter muss also seinen Investitionskostenbeitrag erst nach der Investitionsleistung entrichten. Der Mieter kann allerdings dennoch nicht verlangen, dass er seinen Investitionskostenbeitrag erst dann zu leisten hat, wenn die Mangelfreiheit der erbrachten Leistungen feststeht, weil nach den vorstehenden Darlegungen der verlorene Baukostenzuschuss gerade kein Entgelt für die durchgeführte Bauleistung ist. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zum Werkvertragsrecht, wo die Verpflichtung des Unternehmers zur Erstellung des Werkes einerseits und die Verpflichtung des Bestellers zur Zahlung des Werklohnes andererseits in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Beim verlorenen Baukostenzuschuss kann der Mieter nur verlangen, dass der von ihm gezahlte Betrag entsprechend der Vereinbarung investiert wird, also keine Fehlinvestition stattfindet. Hat er in einem solchen Fall den Baukostenzuschuss schon erbracht, kann er ihn vom Vermieter zurückverlangen. Nach der vorliegenden mietvertraglichen Regelung ist der Mieter erst zur Zahlung verpflichtet, wenn sichergestellt ist, dass eine Fehlinvestition nicht vorliegt, weil die vom Baukostenzuschuss betroffenen Leistungsbereiche erstellt sind. Mit dem weiteren Erfordernis der Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter wird sichergestellt, dass dieser in den Genuss der Nutzung der Mietsache kommt, bevor er den Baukostenzuschuss entrichten muss. Ein weitergehender Anspruch des Mieters dahin, dass das Mietobjekt mangelfrei sein muss, bevor der verlorene Baukostenzuschuss zu zahlen ist, lässt sich dieser Regelung dagegen nicht entnehmen. Der Mieter hat im vorliegenden Falle auch das Mietobjekt übernommen und damit einen übernahmefähigen Zustand der Mietsache bestätigt. Zwar hat er einen Mangelvorbehalt erklärt. Dieser war aus Sicht des Mieters erforderlich, um die Gewährleistungsrechte aus den §§ 536, 536 a BGB zu erhalten. Ohne weitere Erklärung im Protokoll kann dem Mangelvorbehalt des Mieters eine weitergehende Bedeutung nicht entnommen werden. Dementsprechend war der verlorene Baukostenzuschuss mit der Übergabe der Mietsache an den Mieter zur Zahlung fällig, weil zum einen die betroffenen Leistungsbereiche erstellt waren, und zum anderen die Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter erfolgt ist und schließlich durch den Vermieter auch Rechnung gelegt wurde.

Durch die vom Oberlandesgericht Dresden vorgenommene Auslegung werden dem Mieter auch nicht die vertraglichen Rechte für den Fall genommen, dass das Mietobjekt mangelhaft sein sollte. Nach dem Mietvertrag ist die Baubeschreibung Bestandteil des Mietvertrages, so dass ein davon zulasten des Mieters abweichender Zustand zu mietrechtlichen Gewährleistungsrechten führt. Der Mieter kann dagegen nicht die Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses von der Beseitigung der Mängel abhängig machen. Dies aber entspricht der dargestellten Funktion eines verlorenen Baukostenzuschusses. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang das Mietobjekt Mängel aufweist, kommt es daher für die Frage der Fälligkeit des Anspruchs auf Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses nicht an.

Die Aufrechnung des Mieters mit angeblichen Gegenforderungen führt schon deshalb nicht zum Erlöschen des Anspruchs des Vermieters auf Zahlung des verlorenen Baukostenzuschusses, weil dem Mieter aufgrund der mietvertraglichen Einschränkung (die Aufrechnung ist nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen gestattet) die Aufrechnungsbefugnis fehlt. Die vom Mieter geltend gemachten Gegenansprüche sind weder zwischen den Parteien unstrittig noch rechtskräftig festgestellt worden. Auch im Rahmen einer vom Vermieter gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingung ist eine solche Regelung in einem gewerblichen Miet- oder Pachtvertrag wirksam (BGH NJW 2007, 3421). Wenn der Mieter entgegenhält, die Klausel sei wegen ihres werkvertraglichen Einschlags unwirksam, trifft dies nicht zu. Wie obenstehend ausgeführt hat die Verpflichtung zur Zahlung eines verlorenen Baukostenzuschusses mit der Vereinbarung eines Werkvertrages nichts zu tun. Der vorliegend zu beurteilende Vertrag ist ein Mietvertrag, der nach mietvertraglichen Regelungen zu beurteilen ist. Die Interessenlage im Werkvertrag ist für die Wirksamkeit der im Rahmen eines Mietvertrages zu beurteilenden Klauseln nicht maßgeblich. Der Mieter beruft sich deshalb ohne Erfolg auf ein Urteil des BGH vom 07.04.2011 (NJW 2011, 1729), welches eine Formularbestimmung zur Aufrechnung gegen den Honoraranspruch eines Architekten zum Gegenstand hatte. Das Oberlandesgericht nimmt insoweit Bezug auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 22.03.2012 – 2 U 124/11 -, das vom BGH mit Beschluss vom 10.04.2013 – XII ZR 39/12 – bestätigt wurde. Die Interessenlage beim Mietvertrag über Gewerberäume, einem Dauerschuldverhältnis, weicht erheblich von der Interessenlage beim Werkvertrag ab. So hat der für die Geschäftsraummiete zuständige XII. Zivilsenat des BGH die Zulässigkeit von die Minderung beschränkenden Formularklauseln in seinem Urteil vom 23.04.2008 – XII ZR 62/06 – damit begründet, dass sie dem berechtigten Interesse des Vermieters, seine Immobilie ohne Liquiditätsprobleme bewirtschaften und finanzieren zu können, Rechnung tragen. Auch die Rechte des Mieters seien in diesem Fall ausreichend geschützt. Damit ist die Interessenlage beim Werkvertrag von vornherein nicht zu vergleichen. Somit sei das formularmäßige „Aufrechnungsverbot“ (genauer: die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis) wirksam. Die Aufrechnung mit bestrittenen Gegenforderungen ist unzulässig.