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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.04.2016 – 2 U 9/16 – “Wie bei „Dinner for one“: Schriftformfehler“


Man mag es kaum glauben, in zweieinhalb Monaten geht das Jahr zu Ende. Und dann wird zu Silvester wieder auf allen Dritten Programmen „Dinner for one“ ausgestrahlt. Man hat das zwar schon oft gesehen (wie früher zu Weihnachten „Sissi“, aber für diese Filme der jungen Romy Schneider stirbt wohl das Publikum weg), es ist aber trotzdem immer wieder für ein größeres Publikum (denn ansonsten würde mangels Quote etwas anderes über die Bildschirme flimmern) erheiternd, wie der zunächst nur tollpatschige und dann immer mehr betrunken werdende Diener James beim Servieren seiner Arbeitgeberin Miss Sophie, die ihren 90. Geburtstag feiert, elfmal über den Kopf eines ausgelegten Tigerfells stolpert. So ähnlich verhält es sich bei Schriftformfehler in Mietverträgen. Man staunt darüber, wie Mietvertragsparteien immer wieder in dieselbe Falle tappen können (also gleichsam wie James immer wieder am Kopf des Tigers hängen bleiben), obgleich die Problematik bekannt sein müsste. Auch in diesem Newsletter gibt es fast keine Ausgabe, in der nicht über Schriftformfehler berichtet wird. Und trotzdem passieren sie ständig und immer fort. Je nach Interessenlage kann man sich darüber freuen (wenn man als Mietvertragspartei aus einem unliebsamen Mietvertrag herauskommen will und von dem durch den Schriftformmangel begründeten ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch macht) oder wie James in „Dinner for one“ aus Verzweiflung aus einer Blumenvase trinken und „I kill that cat“ ausrufen.

Not amused war auch der Mieter von Praxisräumen einer Mietsache, die in Frankfurt am Main belegen war, als er kurz vor Weihnachten am 22.12.2014 eine Kündigung zum 30.06.2015 erhielt, obgleich im Mietvertrag eine langjährige Dauer vereinbart war. Die Kündigung war wirksam, denn bei oder nach Abschluss des langjährigen Mietvertrages (das ließ sich im Prozess nicht aufklären, war aber irrelevant) hatten die Mietvertragsparteien ergänzend zum schriftlichen Vertragsinhalt mündlich vereinbart, dass der Mieter zusätzlich zu den Praxisräumen auch noch einen Kellerraum ohne zusätzliche Miete (also gewissermaßen unentgeltlich) nutzen darf. Da die Mitnutzung des Kellerraums nicht schriftlich vereinbart wurde, litt der Mietvertrag an einem Schriftformmangel mit der Folge, dass er als auf unbestimmte Zeit geschlossen galt und unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, frühestens zum Ablauf des ersten Mietjahres, kündbar war. Die Argumentation des Mieters, hinsichtlich des Kellerraums sei ein unentgeltlicher Leihvertrag geschlossen worden, der möglicherweise gesondert kündbar war, nicht aber zur ordentlichen Kündbarkeit des schriftlichen Vertrages über die Praxisräume führe, half dem Mieter nichts. Er ist im Räumungsprozess sowohl vor dem Landgericht Frankfurt als auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt unterlegen. Das Oberlandesgericht Frankfurt führt im Urteil vom 27.04.2016 – 2 U 9/16 – aus, der Mietvertrag zwischen den Parteien sei nach den gesetzlichen Vorschriften ordentlich kündbar gewesen, da er infolge der zusätzlichen Anmietung eines Kellerraums der gesetzlichen Schriftform nicht genügte (§ 550 S. 2 BGB). Denn hierdurch ergaben sich nicht alle wesentlichen Vereinbarungen der Parteien hinreichend bestimmbar aus der Mietvertragsurkunde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Mieter und der Vermieter die Nutzung auch des Kellerraums sogleich bei Abschluss des Mietvertrages vereinbarten oder erst später. Bei der Anmietung eines Kellerraums handelt es sich um einen für beide Vertragsparteien wesentlichen Umstand. Der Mieter hatte insoweit argumentiert, zwar habe er den Kellerraum später zur Lagerung von Patientenakten genutzt, das sei bei dem mündlichen Vertragsabschluss aber noch nicht beabsichtigt gewesen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hält diesen Verteidigungsvortrag ebenso wie die Einlassung des Mieters, hinsichtlich der Kellerräume sei ein eigenständiger Leihvertrag geschlossen worden, für irrelevant. Auch dann, wenn der Mieter zunächst noch keine konkrete Art der Nutzung des Kellerraums beabsichtigt habe, insbesondere noch nicht vor hatte, dort Patientenakten aufzubewahren, sei die Vereinbarung über den Kellerraum von wesentlicher Bedeutung gewesen und begründe einen Schriftformmangel (was bei unwesentlichen Absprachen nicht der Fall ist). Darüber hinaus habe es sich um keinen eigenständigen Leihvertrag gehandelt, da der Mieter den Kellerraum ersichtlich nur im Rahmen des Gebrauchs der Praxisräume ergänzend nutzen wollte. Auch für den Vermieter habe keinerlei Veranlassung bestanden, dem Mieter den Kellerraum unentgeltlich und gleichsam isoliert unabhängig von der Nutzung der Praxisräume zu überlassen. Auch die in derartigen Prozessen gebetsmühlenhaft immer wieder vorgebrachte Einwendung, der Vermieter handle treuwidrig, war natürlich ohne Erfolg. Der Mieter hatte argumentiert, dem Vermieter gehe es nur um die Optimierung des eigenen Gewinns. Hierzu meinte das Oberlandesgericht Frankfurt in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben verstößt, den Mangel der Schriftform für den Ausspruch einer möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen angestrebten Kündigung des Vertrages zu nutzen. Nur ganz besondere Umstände können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ausspruch einer Kündigung als treuwidrig erscheinen lassen (so beispielsweise BGH NJW 2016, 311). Sieht man sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, wird man feststellen, dass dem Bundesgerichtshof noch nie ein Fall vorlag, in dem die Kündigung als treuwidrig angesehen wurde. Für einen Mieter (dies gilt entsprechend für einen Vermieter) ist es deshalb in der Praxis aussichtslos, wenn er versucht, mit Treu und Glauben zu argumentieren. Auch wenn eine Vertragspartei aus welchen Gründen auch immer nach Schriftformmängeln sucht, beispielsweise um die Mietsache lukrativer vermieten zu können oder aus einem unwirtschaftlichen Mietvertrag herauszukommen, vermag dies nicht das Unwerturteil rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zu begründen.