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Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2025 – VII ZR 133/24 – „Widerruf von Verbraucherverträgen kann rechtsmissbräuchlich sein“


Der „Widerrufsjoker“ bei Verbrauchern wird immer öfter eingesetzt. Hintergrund ist, dass bei Verträgen, die Verbraucher entweder nicht in den Geschäftsräumen des Gewerbetreibenden abschließen (z.B. auf der Baustelle) oder im Fernabsatz (z.B. Angebot per E-Mail, Annahme per E-Mail) ein Widerrufsrecht besteht, über das der Gewerbetreibende belehren muss. Begeht er dabei Fehler, haben die Verbraucher nach Ausführung der Leistungen ein Widerrufsrecht und können bezahlte Beträge zurückverlangen bzw. müssen den vereinbarten Betrag erst gar nicht bezahlen. Das ist insbesondere dann für Handwerker schmerzlich, wenn sie ihre Leistungen erbracht haben und der Rückbau entweder nicht möglich ist oder wirtschaftlich sinnlos.

Der Bundesgerichtshof hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem ein Verbraucher, der einen Unfall verursacht und vor Ort an der Unfallstelle einen Reinigungsdienst mit der Reinigung der Autobahn beauftragt hat, die dafür entstandenen Kosten nicht bezahlte, da er auf Empfehlung seiner Haftpflichtversicherung den Widerruf des Vertrages erklärt. Er wurde zwar vor Ort über sein Widerrufsrecht belehrt, bekam die Belehrung aber nicht ausgehändigt, die Belehrung enthielt außerdem Fehler.

Nachdem das Amtsgericht die Klage wegen des Widerrufs abgewiesen hatte, hatte das Landgericht angenommen, dass der Widerruf nach Treu und Glauben, § 242 BGB ausgeschlossen sei, da der Beklagte die Arbeiten, die aufgrund des Gefährdungspotenzials mit Zeitdruck durchgeführt werden müssen, sehr schnell beauftragen musste. Dadurch sei auch die Widerrufsfrist entsprechend verkürzt. Hinzu käme, dass üblicherweise der Träger der Straßenbaulast für die Reinigung sorge und vom Unfallverursacher die Kosten erstattet verlange und dann auch kein Widerrufsrecht bestehe. Das Landgericht sah deswegen in der Zulassung des Widerrufs eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Unfallverursachers.

Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil auf und stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her. Der Bundesgerichtshof stellt dabei klar, dass grundsätzlich auch die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sein kann. Das sei zum Beispiel dann der Fall, wenn der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist, z.B. bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers. Nicht ausreichend ist, dass ein Verbraucher einen Fehler, den der Gewerbetreibende macht, ausnutzt, auch die Eilbedürftigkeit spielt keine Rolle, da für eilbedürftige Fälle das Gesetz bereits Ausnahmetatbestände vorsieht und deren Voraussetzungen nicht erfüllt waren.

Auch das Argument, dass üblicherweise der Träger der Straßenbaulast die Reinigungsarbeiten veranlasst, führt nicht zu einer Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs, da diese Konstellation gerade nicht vorlag.

Das Reinigungsunternehmen hat die Widerrufsbelehrung nicht ausgehändigt und hatte dazu noch einen Fehler in der Belehrung und sich damit (bewusst) der Widerruflichkeit ausgesetzt. Hinzu kommt, dass das Reinigungsunternehmen die Mindestvorgaben nicht eingehalten hat und kein Muster-Widerspruchsformular übergeben und auch keinen Hinweis darauf erteilt hat.

Für alle Gewerbetreibenden empfiehlt sich bei Verträgen, die sie nicht in ihren Geschäftsräumen abschließen, eine richtig formulierte Widerrufsbelehrung und ein Muster-Widerrufsformular dem Verbraucher-Auftraggeber nachweisbar und richtig zur Verfügung zu stellen.