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BGH, Urteil vom 15.10.2014 – XII ZR 163/12 – „Vermieterpfandrecht und Vermieterwechsel kraft Gesetzes


Am 15.10.2014 hat der Bundesgerichtshof – XII ZR 163/12 – ein für die Praxis sehr bedeutendes Urteil verkündet, das die Problematik des Vermieterpfandrechtes bei einem Vermieterwechsel kraft Gesetzes durch Grundstückserwerb behandelt.

Das Urteil zeigt erneut, dass im Falle der Kollision einer Sicherungsübereignung mit einem Vermieterpfandrecht eine sorgfältige tatsächliche und rechtliche Prüfung erforderlich ist. Nicht selten werfen Vermieter vorschnell die Flinte ins Korn und machen Ansprüche nicht mehr geltend, wenn sich eine Bank auf eine Sicherungsübereignung zu ihren Gunsten beruft. Macht man sich die Mühe gründlicher Sach- und Rechtsprüfung, stellt man häufig fest, dass dem Vermieterpfandrecht Vorrang zukommt. Wie stets lohnt es sich also, Dinge gründlich anzusehen und zu bearbeiten. Ohne Fleiß gibt es keinen Preiß.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nahm der Vermieter und Kläger den beklagten Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, der Insolvenzverwalter habe unter Missachtung des Vermieterpfandrechts den Erlös aus der Verwertung des Mieterinventars an eine Bank ausgekehrt. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Mieters von Gewerberaum. Der Mieter schloss am 31.08.2006 einen Mietvertrag mit dem damaligen Grundstückseigentümer. Zu diesem Zeitpunkt befand sich bereits das Mieterinventar in den Mieträumen. Der Kläger kaufte das Objekt mit notariellem Vertrag vom 22.12.2006 und wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit der Grundbucheintragung trat der Kläger kraft Gesetzes auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein. Nachdem am 01.02.2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, machte der Kläger geltend, ihm stehe das Vermieterpfandrecht an dem Inventar und daher insoweit ein Absonderungsrecht zu. Der beklagte Insolvenzverwalter verwies auf einen Raumsicherungsübereignungsvertrag, der am 06.10.2006 – also nach Abschluss des Mietvertrags und nach Einbringung des Mieterinventars in die Mietsache – zwischen dem Mieter und der H.-Bank zustande gekommen sei. Der Insolvenzverwalter zahlte den durch die Veräußerung des Inventars erzielten Erlös von EUR 782.000,– an die H.-Bank aus. In dieser Höhe nimmt der Kläger den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch.

Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Hamm verliert der Kläger, der Bundesgerichtshof gibt ihm recht. Das Oberlandesgericht Hamm hatte gemeint, dem Kläger stehe kein Vermieterpfandrecht zu. Das Inventar habe zum Zeitpunkt des Vermieterwechsels (§ 566 BGB), also bei Eintragung des Klägers als neuem Eigentümer im Grundbuch, wegen der zwischenzeitlich aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages vom 30.08.2006 erfolgten Sicherungsübereignung nicht mehr im Eigentum des Mieters gestanden. Mit dem Übergang des Eigentums an dem Mietobjekt und dem Entstehen eines neuen Mietvertrags zwischen Kläger und Mieter sei eine Zäsur eingetreten. Diese beträfe nicht nur die vor dem Eigentumsübergang entstandenen Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis, sondern auch die dafür bestehenden Sicherungsrechte, mithin auch das Vermieterpfandrecht. Deshalb habe der ursprüngliche Vermieter sein Vermieterpfandrecht für die in seiner Person begründeten Forderungen behalten und der Kläger ein neues Vermieterpfandrecht erworben. Letzteres könne sich aber nur auf die dem Mieter zum Zeitpunkt des Vermieterwechsels gehörenden Gegenstände beziehen, also nicht auf das zwischenzeitlich sicherungsübereignete Inventar.

Diesen Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm folgt der Bundesgerichtshof nicht. Er entscheidet, dass neben dem Vermieterpfandrecht des Veräußerers, das dessen Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert, ein eigenständiges Vermieterpfandrecht des Erwerbers entsteht. Die beiden Vermieterpfandrechte erfassen dieselben Sachen und stehen im gleichen Rang. Dafür, ob eine in die Mieträume eingebrachte Sache dem Vermieterpfandrecht des Erwerbers unterfällt, kommt es auf den Zeitpunkt der Einbringung der Sache in die Mieträume an. Eine Sicherungsübereignung der Sache im Zeitraum nach ihrer Einbringung in die Mieträume und vor einem veräußerungsbedingten Vermieterwechsel verhindert daher nicht, dass das Vermieterpfandrecht des Erwerbers die Sache erfasst.

Gemäß §§ 578 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber eines gewerblich vermieteten Grundstücks anstelle des Veräußerers als Vermieter in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter, jedoch mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat. Danach ist mit dem Eigentumsübergang ein neues Mietverhältnis zwischen dem Kläger und dem Mieter entstanden.

Der vom Oberlandesgericht Hamm hieraus gezogene Schluss, dem dem Kläger zustehenden Vermieterpfandrecht gemäß §§ 578 Abs. 1, 562 Abs. 1 S. 1 BGB unterfielen nur die im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs noch im Eigentum des Mieters stehenden Sachen, ist hingegen rechtsfehlerhaft. Richtig ist zwar, dass hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche durch den Eigentumsübergang und das Entstehen eines neuen Mietvertrags mit dem Erwerber gemäß § 566 BGB eine Zäsur eintritt. Die schon vorher entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche bleiben bei dem bisherigen Vermieter, und nur die nach dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels fällig werdenden Forderungen stehen dem Grundstückserwerber zu (BGH NJW 2012, 3032 Rn. 32), weshalb die Wirkung der Zäsur auch mit dem Begriff „Fälligkeitsprinzip“ umschrieben wird. Die Zäsur bewirkt aber keinen Einschnitt dergestalt, dass der vor ihr liegende Zeitraum bei der Bestimmung des Inhalts der sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten unberücksichtigt bliebe. Mithilfe des Fälligkeitsprinzips wird die Frage beantwortet, welche mietvertraglichen Rechte und Pflichten infolge eines Eigentumsübergangs dem Erwerber und welche dem Veräußerer zuzurechnen sind. Für den Inhalt der so als dem Erwerber zuzurechnend ermittelten Rechte und Pflichten bleibt die Zäsur hingegen ohne Auswirkung. Insoweit ordnet § 566 Abs. 1 BGB an, dass der Erwerber an die Stelle des Veräußerers tritt, so dass seine Rechte und Pflichten inhaltlich mit denen übereinstimmen, die dem Veräußerer bei Hinwegdenken des Eigentumsübergangs zustünden bzw. ihn träfen. Soweit es für den Inhalt der mietvertraglichen Rechte und Pflichten zwischen Erwerber und Mieter auf den Beginn des Mietverhältnisses ankommt, ist deshalb auf den Beginn des ursprünglichen Mietverhältnisses zwischen Veräußerer und Mieter abzustellen. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts Hamm ist der Eigentumsübergang auch nicht der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine in die Mieträume eingebrachte Sache dem Vermieterpfandrecht des Erwerbers unterfällt. Vielmehr kommt es gemäß § 562 Abs. 1 S. 1 BGB auch insoweit auf den Zeitpunkt der Einbringung der Sache in die Mieträume an. Eine Sicherungsübereignung der Sache im Zeitpunkt zwischen ihrer Einbringung in die Mieträume und dem Eigentumswechsel verhindert daher nicht, dass das Vermieterpfandrecht des Erwerbers die Sache erfasst.

Das gesetzliche Vermieterpfandrecht entsteht gemäß § 562 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Einbringung der dem Mieter gehörenden Sache in die Mieträume. Dies gilt auch dann, soweit es erst künftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert. Der Zeitpunkt der Einbringung bestimmt daher gemäß §§ 1257, 1209 BGB den Rang des Vermieterpfandrechts im Verhältnis zu anderen Pfandrechten (BGHZ 170, 196 = NZM 2007, 212 Rn. 11). Dabei gelten auch solche Sachen des Mieters als eingebracht, die sich schon vor Beginn des Mietverhältnisses in den Mieträumen befunden haben und die der Mieter dann in den Mieträumen belässt. Ein gutgläubiger Erwerb des Vermieterpfandrechts ist hingegen nicht möglich (BGHZ 34, 153). Eine erst nach der Einbringung – auch durch Raumsicherungsübereignungsvertrag – erfolgende Sicherungsübereignung der Sache des Mieters lässt das bereits entstandene Pfandrecht des Vermieters unberührt. Dieses genießt insoweit Vorrang (BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156, 1157 und BGH NJW-RR 2004, 772, 773).

Das Vermieterpfandrecht des Veräußerers geht nicht auf den Erwerber über. Denn der Erwerber ist nicht der Rechtsnachfolger des Veräußerers, sondern es findet ein unmittelbarer Rechtserwerb kraft Gesetzes statt (BGH NJW 2008, 2256 Rn. 17). Daher entsteht neben dem Vermieterpfandrecht des Veräußerers, das dessen Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert, ein eigenständiges Vermieterpfandrecht des Erwerbers. Dieses Vermieterpfandrecht bleibt seinem Umfang nach nicht hinter demjenigen des Veräußerers zurück und wird insbesondere nicht durch eine Sicherungsübereignung nach Einbringung der Sache berührt. Vielmehr ist für die Frage, ob dem Vermieterpfandrecht des Erwerbers die bei Eigentumsübergang in den Mieträumen befindlichen Sachen unterfallen, ebenfalls der Zeitpunkt von deren Einbringung maßgeblich, so dass die Vermieterpfandrechte des Veräußerers und Erwerbers insoweit dieselben Sachen erfassen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Erwerber gemäß § 566 Abs. 1 BGB an die Stelle des Veräußerers tritt. Die Vorschrift weist ihm die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten mithin in dem Umfang zu, den sie ohne den Eigentumsübergang beim Veräußerer hätten. Das im Augenblick des Eigentumsübergangs kraft Gesetzes entstehende neue Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter hat uneingeschränkt denselben Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat (BGH NJW 2000, 2146). Daher ist es folgerichtig, als Zeitpunkt der Entstehung auch des Vermieterpfandrechts des Erwerbers den des ursprünglichen Einbringens im Sinne des § 562 Abs. 1 S. 1 BGB anzusehen.

Diesem Ergebnis entspricht Sinn und Zweck des § 566 Abs. 1 BGB. Bei dieser Norm handelt es sich um eine mieterschützende Vorschrift. Sie bezweckt, dem Mieter gegenüber dem neuen Vermieter die Rechtsposition zu erhalten, die er aufgrund des Mietvertrags hätte, wenn der frühere Vermieter Eigentümer geblieben wäre (BGH NJW 2005, 1187, 1188). Dagegen soll sie keine Besserstellung des Mieters, dessen Vermieter veräußerungsbedingt gewechselt hat, gegenüber dem Mieter ohne Vermieterwechsel bewirken. Eine derartige Besserstellung wäre aber die Folge der vom Oberlandesgericht Hamm vertretenen Rechtsauffassung. Denn diese würde dazu führen, dass die sicherungsübereigneten Sachen für die ab dem Eigentumsübergang entstehenden Neuverbindlichkeiten nicht mehr dem Vermieterpfandrecht unterfielen. Demgegenüber hat eine nachträgliche Sicherungsübereignung der eingebrachten Sachen bei unverändertem Vermieter keinen Einfluss auf den Umfang des Vermieterpfandrechts (BGH NJW 1992, 1156, 1154; BGH NJW-RR 2005, 1328, 1329), das auch erst zukünftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert (BGH NZM 2007, 212 Rn. 11). Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts ist darüber hinaus unvereinbar damit, dass die Vermieterpfandrechte von Veräußerer und Erwerber gleichrangig nebeneinander stehen. Denn ein solcher Gleichrang kann nur bestehen, wenn beide Pfandrechte den gleichen Entstehungszeitpunkt haben. Andernfalls müsste das Vermieterpfandrecht des Veräußerers nach dem gemäß §§ 1257, 1209 BGB geltenden Prioritätsprinzip Vorrang genießen. Für einen solchen Vorrang ist aber kein durchgreifender Grund ersichtlich. Das Vermieterpfandrecht trägt dem Sicherungsbedürfnis des Vermieters Rechnung. Dieses ist für Veräußerer und Erwerber nicht unterschiedlich, nachdem sich die vor und nach dem Eigentumsübergang bestehenden Mietverhältnisse inhaltlich entsprechen.

Das dem Mieter gehörende Inventar war bei der Einbringung in die Mieträume nicht sicherungsübereignet, so dass es vom Vermieterpfandrecht des Veräußerers erfasst war. Eine erst anschließend erfolgte Sicherungsübereignung des Inventars konnte diese Sachen nicht dem Vermieterpfandrecht des Klägers entziehen, da der Kläger das Vermieterpfandrecht gemäß §§ 578 Abs. 1, 566 Abs. 1, 562 Abs. 1 S. 1 BGB kraft Gesetzes erworben hat. Der Insolvenzverwalter hätte demnach den Verwertungserlös nach Einbehalt seiner Kosten an den Kläger auszahlen müssen.