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KG Berlin, Urteil vom 23.02.2015 – 8 U 52/14 – “Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Doppelvermietung


Will ein Mieter wegen Doppelvermietung Schadenersatzansprüche geltend machen, darf er mit einer Klage nicht bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit zuwarten, wenn diese für eine längere Zeit als die Regelverjährungsfrist von drei Jahren vereinbart wurde. Zwar liegt der Gedanke eigentlich nahe, mit einer Klage bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit zuzuwarten, weil erst dann der insgesamt entstandene Schaden beziffert werden kann. Wegen der kurzen Regelverjährungsfrist ist das aber kein gangbarer Weg, wie ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom 23.02.2015 – 8 U 52/14 – zeigt.

Mit Mietvertrag vom 30.10.2006/02.11.2006 mietet der Kläger von dem Beklagten Gewerberäume. Das Mietverhältnis sollte am 01.02.2007 beginnen und bis Ende des Jahres 2016 laufen. Nach Abschluss des ersten Mietvertrages vermietet der Vermieter die Räumlichkeiten mit Mietvertrag vom 30.01.2007 an die T AG, an die er die Räumlichkeiten am 20.02.2007 übergibt. Die T AG richtet die Räumlichkeiten für ihre Zwecke vollständig ein, verkabelt diese und gestaltet die Räume nach ihren Bedürfnissen. Die T AG ist nicht bereit, sich aus dem Mietvertrag „herauskaufen“ zu lassen und die Räume an den Kläger zu übergeben.

Der Kläger erhebt Anfang des Jahres 2011 Klage auf Schadensersatz (entgangener Gewinn/Verdienstausfall wegen Nichtüberlassung des Mietobjekts). Die Klage wird wegen Verjährung abgewiesen, da am 31.12.2010 Verjährung eingetreten ist. Das Kammergericht führt aus, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Mietvertrages (Rechtsmangel in Gestalt einer so genannten Doppelvermietung) zusteht. Die Ansprüche sind aber verjährt. Schadensersatzansprüche des Mieters wegen Vertragsverletzungen des Vermieters wegen gänzlich unterbliebener oder verspäteter Überlassung der Mietsache verjähren in der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (so beispielsweise Lindner-Figura, Geschäftsraummiete, Kap. 17 Rn. 80). Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für den Verjährungsbeginn bei vertraglichen Sekundäransprüchen (das ist der Schadensersatzanspruch, Primäranspruch war der Erfüllungsanspruch) ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Schädigung mehrfach erfolgt oder ob es eine dauerhafte ist, sodann ist der Zeitpunkt zu bestimmen, in dem der Schaden überhaupt erstmals eintritt, und festzustellen, ob er damit insgesamt eingetreten ist, also von einer so genannten Schadenseinheit auszugehen ist. Rechtsprechung und Literatur gehen bei Schadenersatzansprüchen vom so genannten Grundsatz der Schadenseinheit aus (BGHZ 50, 21). Danach beginnt bei Schädigungen, die mehrere Schadensfolgen zeitigen, die Verjährung des Ersatzanspruchs zwar erst mit dem erstmaligen Eintritt des Schadens, dann aber in diesem Zeitpunkt auch hinsichtlich der späteren Schadensfolgen, mögen sie unter Umständen auch erst in der Zukunft liegen. Der gesamte spätere Schaden gilt im Verjährungssinne schon dann eingetreten, wenn er nur vorhersehbar ist (Palandt, BGB, § 199 Rn. 14). Im vorliegenden Falle liegt eine einheitliche, fortwirkende Pflichtverletzung des Beklagten vor, die darin besteht, dass der Beklagte dem Kläger die Mietsache aufgrund des Mietvertrages nicht überlassen hat, sondern die Mietsache an die Zweitmieterin übergeben hat. Der hieraus resultierende vertragliche Schadenersatz wegen des Rechtsmangels entsteht, wenn feststeht, dass Unmöglichkeit auf Seiten des Vermieters eingetreten ist und sich ein erster Teilschaden realisiert hat.

In Fällen des Rechtsmangels ist der Mietvertrag wirksam, was bei der Doppelvermietung für beide Verträge gilt. Die kollidierenden schuldrechtlichen Erfüllungsansprüche der Mieter haben denselben Rang, ohne dass insoweit der Grundsatz der Priorität gilt (KG Berlin, NZM 2008, 889). Den Erfüllungsanspruch kann jeder Mieter gegen den Vermieter geltend machen, so dass beide Mieter an sich die Einräumung des Besitzes verlangen können. Hat aber der Vermieter einem der Mieter den Besitz an der Mietsache überlassen und ist dieser zuerst (oder noch) im rechtmäßigen Besitz der Mietsache, scheitert der Erfüllungsanspruch des anderen Mieters wegen Unmöglichkeit an § 275 Abs. 1 BGB jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Vermieter die Mietsache von dem besitzenden Mieter nicht mehr, z.B. durch Kündigung oder Leistung einer Abstandszahlung, zurückverlangen kann (BGH NZM 2003, 476). Der Erstmieter kann vom Vermieter weiterhin die Einräumung des Besitzes verlangen, solange nicht auszuschließen ist, dass es dem Vermieter noch möglich ist, das Leistungshindernis durch Vereinbarung mit dem Zweitmieter, der bereits im Besitz der Mietsache ist, zu beheben (BGH, Urteil vom 12.03.2003 – XII ZR 18/00). In der streitgegenständlichen Sache war dem Beklagten (dem Vermieter) die Übergabe der Mietsache an den Kläger tatsächlich unmöglich geworden, nachdem die Räume an die T AG übergeben wurden, die nicht bereit war, sich aus dem Mietvertrag „herauskaufen“ zu lassen. Demnach ist vom Eintritt der Unmöglichkeit im Jahre 2007 auszugehen. Ein erster Teilschaden aufgrund der einheitlichen Pflichtverletzung des Vermieters ist eingetreten, nachdem feststand, dass dem Beklagten die Erfüllung des Mietvertrages mit dem Kläger, nämlich die Überlassung der Mietsache, unmöglich geworden war. Dies war noch im Jahre 2007 der Fall. Der eingetretene Schaden besteht in dem Gewinn, der dem Kläger wegen der Nichtüberlassung des Ladengeschäfts ab dem 01.02.2007 (dem vereinbarten Mietbeginn) entgangen ist. Mit dem erstmaligen Schadenseintritt gilt der Schaden auch insgesamt als eingetreten, also auch soweit er noch in der Zukunft liegt. Die späteren Schadensfolgen sind ohne weiteres vorhersehbar, erfordern sie doch ebenso wie bei dem bereits im Jahr 2007 eingetretenen Schaden die Ermittlung des fiktiven Gewinnentgangs gemäß § 252 BGB. Der auf Unmöglichkeit beruhende Schadensersatzanspruch ist daher im Jahre 2007 insgesamt entstanden und tritt nicht erst nach einzelnen Zeitabschnitten (entsprechend der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Dauerverpflichtung auf Erfüllung) ein. Diese Betrachtungsweise erscheint im Interesse der Rechtsklarheit geboten und liegt auch im Interesse der Parteien, die Geltendmachung von Ansprüchen nicht über Jahre hinauszuschieben und in der Schwebe zu halten, sondern ihre Rechtsbeziehungen in angemessener Zeit abschließend zu regeln.

Da der Schadenersatzanspruch insgesamt im Jahr 2007 entstand, begann der Lauf der Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2007 (§ 199 Abs. 1 BGB). Einschlägig ist die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Verjährung trat demnach mit Ablauf des 31.12.2010 ein. Mit der Anfang des Jahres 2011 erhobenen Klage war der Kläger zu spät. Gorbatschow lässt grüßen („Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“).

KG Berlin, Urteil vom 23.02.2015 – 8 U 52/14