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OLG München, Urteil vom 29.01.2015 – 32 U 1185/14 – “Einfluss des Klimawandels auf das Mietrecht


Der Klimawandel hat bekanntlich mannigfache Auswirkungen. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 29.01.2015 – 32 U 1185/14) zeigt, dass der Klimawandel sogar Einfluss auf das  Mietrecht hat. Die Entscheidung ist nicht nur von praktischer Bedeutung. Sie zeigt im Übrigen auch sehr schön, wie das abstrakt formulierte, am 01.01.1900 in Kraft getretene BGB problemlos Fallgestaltungen bewältigen kann, an die die Gesetzesväter im Traum nicht denken konnten. Mit dem über 100 Jahre alten Kaufrecht lässt sich etwa problemlos die Frage lösen, welche Ansprüche dem Käufer zustehen, wenn ein Gewehr wie das G36 bei Hitze Ausfallerscheinungen hat. Ebenso wird das Mietrecht mit dem Klimawandel fertig, den Ende des 19. Jahrhunderts niemand voraussah, als weise ältere Rechtsgelehrte (Frauen waren damals nicht beteiligt, die erste Rechtsreferendarin gab es erst in der Weimarer Republik) das Bürgerliche Gesetzbuch nach der Reichsgründung im Jahre 1871 konzipierten.

Der Kläger mietete von der Beklagten einen Stellplatz in einer Tiefgarage in Passau. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten (der Vermieterin des Stellplatzes), für die Beschädigung des Pkw des Klägers Ersatz zu leisten, die bei der Überschwemmung der Tiefgarage der Beklagten, in der der Wagen abgestellt war, beim Hochwasser im Juni 2013 in Passau entstanden ist. Hierbei diskutiert das Oberlandesgericht Passau auch Rechtsfragen, die sich stellen würden, wenn das Hochwasser beispielsweise Schäden in einer gewerblichen Mietsache angerichtet hätte. Deshalb ist das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus von Bedeutung.

Die Mietsache ist baulich so ausgestaltet, dass sie gegen ein Hochwasser bis zu einem Wasserstand von 11,60 m gesichert ist. Der bis zum Schadenseintritt verzeichnete höchste Wasserstand in Passau betrug 10,80 m. Am 20.06.2013 kommt es gegen 20:00 Uhr zu einem Pegelstand von über 12 m. Wasser dringt in die Tiefgarage ein und beschädigte das Fahrzeug. Das Oberlandesgericht München untersucht nun, wie eine Mietsache beschaffen sein muss, damit dem Mieter kein Schadensersatzanspruch zusteht. Es geht also um eine rechtliche Frage, die sich auch stellen würde, wenn durch das Hochwasser beispielsweise in einer Mietsache befindliche Ware beschädigt worden wäre.

Entscheidend ist, ob die Mietsache mangelhaft war. Ist die Frage zu bejahen, läge ein so genannter anfänglicher Mangel mit der Folge vor, dass der Vermieter verschuldensunabhängig auf Schadenersatz haftet. Nach §§ 535, 536, 536 a Abs. 1 BGB haftet ein Vermieter auch ohne Verschulden dem Mieter auf Ersatz des Schadens, der auf solche bereits bei dem Abschluss eines Mietvertrages vorhandene Fehler der Mietsache zurückzuführen ist, die deren Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufheben oder mindern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als derartige Fehler der Mietsache nicht nur solche Mängel zu verstehen, mit denen die Mietsache selbst behaftet ist, sondern auch tatsächliche wie rechtliche Verhältnisse und Zustände, die mit der Mietsache zusammenhängen und sie in ihrer Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen. Daraus folgt, dass Mieträume so beschaffen sein müssen, dass sie unter gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen gegen Eindringen von Wasser geschützt sind (BGH NJW 1971, 424). Für Mieträume im Bereich einer historisch gewachsenen Stadt wie Passau, die wegen ihrer Lage grundsätzlich einer erhöhten Hochwassergefahr ausgesetzt ist (in Passau treffen drei Flüsse aus drei Himmelsrichtungen zusammen, aus dem Westen die Donau, dem Süden der Inn und dem Norden die Ilz), bedeutet dies, dass die Räume zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages gegen solche Einwirkungen geschützt sein müssen, die voraussehbar sind und für deren Eintritt tatsächliche Anhaltspunkte bestehen (so BGH NJW 1971, 424). In Zeiten des Klimawandels mit immer häufiger auftretenden und immer heftiger ausfallenden Unwettern müssen Mieträume deshalb nach den baulichen Verhältnissen nicht nur gegen ein Hochwasser gesichert sein, das den bisherigen bekannten höchsten Wasserstand aus zurückliegenden Jahren erreicht. Vielmehr ist beim Hochwasserschutz eines Gebäudes ein gewisser „Sicherheitszuschlag“ zu berücksichtigen. Der gemietete Stellplatz war nach den baulichen Verhältnissen gegen ein Hochwasser gesichert, das den bisherigen höchsten Wasserstand aus dem Jahre 2012 von 10,80 m noch um knapp 80 cm übertreffen durfte, ohne dass es zu einem Eindringen von Wasser kommen konnte. Ein derartiger „Sicherheitszuschlag“ beim Hochwasserschutz des Gebäudes und damit auch der Stellfläche war nach Auffassung des Oberlandesgerichts München ausreichend, um von einer solchen Beschaffenheit der Mieträume zu sprechen, dass sie unter gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen auch unter Beachtung gesteigerter Naturereignisse gegen Eindringen von Wasser geschützt sind. Der vom Kläger angemietete Stellplatz war daher nicht mangelhaft im Sinne von § 536a Abs. 1 BGB, auch wenn er wieder alles Erwarten dennoch durch das „Jahrhunderthochwasser“ überflutet wurde.

Auf dieses Urteil kann sich ein Vermieter aber nur dann berufen, wenn die Mietsache noch vor dem „Jahrhunderthochwasser“ errichtet wurde. Für Bauten nach dem „Jahrhunderthochwasser“ gilt zumindest der damalige Wasserhöchststand mit einem gewissen Sicherheitszuschlag, den man wohl eher großzügig (im Sinne von hoch) wird bemessen müssen, nachdem die Wetterkapriolen kaum mehr kalkulierbar sind.