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KG Berlin, Urteil vom 11.09.2014 – 8 U 77/13 – “Unwirksames Aufrechnungsverbot bei Aufrechnung nur mit „anerkannten“ Forderungen


Das Kammergericht Berlin (das ist das Oberlandesgericht für Berlin) hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, der sehr schön und eindrucksvoll zeigt, dass der Schuss gewaltig nach hinten losgehen kann, wenn ein Vermieter bei der Ausgestaltung des Mietvertrages überzieht. Formularklauseln sind dann nicht nur unwirksam, sondern können auch zu Rechtsnachteilen des Vermieters führen und diesen schlechter stellen als die gesetzliche Regelung. Dann sind die entsprechenden Klauseln im Mietvertrag kontraproduktiv. Derartige Konstellationen treten aber weitaus häufiger auf als man annehmen könnte.

Der Mieter rechnet gegen unstreitige Forderungen des Vermieters auf Zahlung von Miete mit Gegenansprüchen auf, die aus Überzahlungen der Miete resultieren, weil der Mieter für einen Minderungszeitraum von 4,5 Monaten die Miete vorbehaltlos in voller Höhe zahlte, obgleich ein Mangel der Mietsache (Nichtzugänglichkeit eines Pausenraumes) vorlag. Darüber hinaus streiten die Parteien darüber, ob der Mieter berechtigt war, bei weiteren Monatsmieten wegen strittiger Mängel einen Abzug von der Miete vorzunehmen. Der Vermieter argumentiert, die Minderung und die Aufrechnung wegen mangelbedingt überzahlter Miete seien wegen folgender Formularklausel im Mietvertrag nicht zulässig:

  • 9. Aufrechnung, Mietminderung oder Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts sind ausgeschlossen, es sei denn, die Forderung des Vermieters ist vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig festgestellt.

Der Vermieter macht ferner geltend, die Minderung und Aufrechnung sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Mieter trotz Mangelkenntnis Zahlung der Miete in voller Höhe geleistet habe und hierbei keinen Vorbehalt erklärte, so dass ein Rückforderungsanspruch gemäß § 814 BGB ausgeschlossen sei. § 814 BGB lautet:

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

Das Kammergericht urteilt, dass § 9 MV einer Minderung nicht entgegensteht, obgleich die Minderungsbefugnis zwischen den Parteien strittig war. Zwar dürfte eine Klausel, die die Minderung im Sinne der sofortigen Reduzierung der Mietforderung von einem „Anerkenntnis“ des Vermieters abhängig macht, keine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 307 BGB beinhalten, was das Kammergericht bereits in einem Urteil vom 25.01.2010 – 8 U 139/09 – entschied und damit begründete, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung durch eine Klausel, die die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten oder „anerkannten“ Gegenforderungen erlaubt (BGH NZM 2007, 684), sich nicht auf den Fall einer entsprechend formulierten Minderungsklausel übertragen lasse, weil nur das aktive Zugestehen, also das „Anerkenntnis“ der Minderung auch der Höhe nach dem Unstreitigsein einer Aufrechnungsforderung entspricht. Dem Vermieter wird aber zum Verhängnis, dass die gesamte Klausel deshalb unwirksam ist, weil das in ihr enthaltene Aufrechnungsverbot, das die Aufrechnung nur mit „anerkannten“ Forderungen zulässt, und somit die Zulässigkeit der Aufrechnung auch mit unbestrittenen Gegenforderungen von deren Anerkennung durch den Verwender abhängig macht, unwirksam ist (so BGH NZM 2007, 684) und aus gleichen Gründen auch die Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts (BGH NZM 2011, 150). Diese Unwirksamkeit erfasst auch die übrigen Klauselteile. Verstößt der Inhalt einer AGB teilweise gegen die §§ 307 ff. BGB, ist sie grundsätzlich im Ganzen unwirksam (Palandt, BGB, § 306 Rn. 6). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Klausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGH NZM 2006, 254). Es kommt darauf an, ob nach Streichung des unwirksamen Klauselteils eine sprachlich und inhaltlich selbstständige und sinnvolle Regelung verbleibt (BGH NZM 1998, 22, so genannter blue-pencil-test). Das ist vorliegend nicht der Fall, da nach Streichung der unwirksamen Klauselteile kein sprachlich sinnvoller Regelungsrest verbleibt („… Mietminderung… sind ausgeschlossen, es sei denn.“).

Die Aufrechnung mit Überzahlungen der Miete scheitert auch nicht an § 814 BGB. Dem Mieter schadet es nicht, dass er trotz Mangelkenntnis für 4,5 Monate die volle Miete zahlte, ohne bei der Zahlung einen Vorbehalt zu erklären. § 814 BGB setzt die positive Kenntnis des Leistenden davon voraus, dass er im Leistungszeitpunkt nichts schuldet. Verwendet der Vermieter wie hier eine Klausel, die eine Mietminderung durch Abzug von der monatlichen Zahlung in unwirksamer Weise ausschließen soll, steht dies der Rechtskenntnis des Mieters vom Eintritt einer Minderung regelmäßig entgegen. Es wäre Sache des Vermieters, darzulegen und zu beweisen, dass der Mieter die Unwirksamkeit der Klausel positiv erkannt hat. Sind die Voraussetzungen des § 814 BGB danach nicht gegeben, stellt sich die Frage eines Vorbehalts bei der Mietzahlung nicht. Für die Annahme, dass sich der Mieter, dessen Mietvertrag eine minderungsbeschränkende Klausel enthält, bei der Mietzahlung die spätere Rückforderung der (im Zeitpunkt der Leistung aufgrund der Klausel geschuldeten) Miete unter Bezugnahme auf diese Klausel „vorbehalten“ müsse, fehlt eine rechtliche Grundlage.

Der Vermieter wäre demnach sogar rechtlich besser gestellt gewesen, wenn er die unwirksame Klausel nicht verwendet und die gesetzliche Regelung gegolten hätte. Allgemeine Geschäftsbedingungen dienen dem Zweck, die gesetzliche Regelung zu Gunsten des Klauselverwenders im Rahmen des rechtlich Zulässigen abzuändern. Wer es aber übertreibt, der bewirkt wie im vom Kammergericht entschiedenen Fall das Gegenteil. Wie in vielen anderen Lebensbereichen sollte man sich demnach auch bei der Vertragsgestaltung maßvoll verhalten.