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OLD Dresden, Urteil vom 10.08.2022 – 5 U 743/22 – “Stillschweigende Verlängerung eines Mietverhältnisses“
Mit Urteil vom 10.08.2022 – 5 U 743/22 – befasste sich das Oberlandesgericht Dresden mit der Vorschrift des § 545 BGB, wonach ein Mietverhältnis nach Ablauf der Mietzeit als stillschweigend verlängert gilt, wenn der Mieter nach Beendigung der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fortsetzt und nicht eine Vertragspartei der stillschweigenden Verlängerung widerspricht.
Die Parteien hatten einen mehrjährigen Gewerberaummietvertrag geschlossen. Nachdem der Mieter die Miete für die Monate Juli und August 2019 nicht bezahlt hatte, erklärte der Vermieter mit Schreiben vom 20.08.2019 die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges und forderte den Mieter auf, die Gewerberäume am 06.09.2019 zurückzugeben. Der Mieter zahlte die rückständige Miete nach der Kündigung im August 2019 nach, gab die Gewerberäume aber nicht an den Vermieter heraus. Der Vermieter setzte deshalb eine Nachfrist zur Räumung. Der Mieter gab die Mietsache am 30.06.2021 an den Vermieter zurück. Dieser verlangt mit seiner Klage die Zahlung von rückständigem Nutzungsersatz für die Monate April und Mai 2020 sowie Juni 2021. Der Mieter wendet ein, das Mietverhältnis sei nach der außerordentlichen Kündigung konkludent fortgesetzt worden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass § 545 BGB im Mietvertrag formularmäßig abbedungen worden sei. Während der pandemiebedingten Schließungszeiten sei es angemessen, eine Reduzierung der Miete um 50 % vorzunehmen. Berücksichtige man die vollständige Mietzahlung des Mieters insbesondere im Zeitraum von Dezember 2020 bis Mai 2021 ergäbe sich danach nicht nur keine rückständige Miete, sondern sogar eine Überzahlung der geschuldeten Miete, deren Rückzahlung mit einer Widerklage verfolgt werde.
Das Oberlandesgericht Dresden entscheidet, dass der vom Vermieter geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 546a Abs. 1 BGB begründet ist, weil der Mietvertrag durch wirksame außerordentliche Kündigung des Vermieters mit sofortiger Wirkung beendet wurde. Das beendete Mietverhältnis sei von den Parteien weder konkludent fortgesetzt noch sei konkludent ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet worden. Die außerordentliche Kündigung des Vermieters hat mit sofortiger Wirkung das Mietverhältnis der Parteien beendet, weil ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB vorlag. Der Mieter war zum Kündigungszeitpunkt mit den Mieten für die Monate Juli und August 2019 im Verzug. Die Nachzahlung der Miete hat die außerordentliche Kündigung nicht unwirksam werden lassen. Eine solche Regelung existiert nur für Wohnraummietverhältnisse in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Auf Mietverhältnisse über Geschäftsräume ist diese Regelung nicht entsprechend anwendbar. In § 578 Abs. 2 S. 1, 2 BGB werden der Absatz 2 von § 569 BGB und unter bestimmten Umständen auch der Absatz 1 von § 569 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, nicht aber der Absatz 3 von § 569 BGB. Das beendete Mietverhältnis wurde auch nicht gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert, weil die Parteien die Anwendung dieser Vorschrift im Mietvertrag ausgeschlossen haben. Ein solcher Ausschluss ist nicht nur individualvertraglich, sondern auch formularvertraglich wirksam möglich (BGH NJW 1991, 1750, 1751 zu § 568 BGB a. F.). Die Parteien haben auch nicht mit ihrem Verhalten im Nachgang der außerordentlichen Kündigung konkludent ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründet. Es ist zwar unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 545 BGB möglich, dass die Parteien nach Beendigung eines Mietverhältnisses konkludent ein neues Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit auf der Grundlage des beendeten Mietverhältnisses begründen, wenn sich nämlich im Einzelfall feststellen lässt, dass dies dem zum Ausdruck gekommenen übereinstimmenden Willen der Parteien und deren Interesse entspricht (BGH NZM 2012, 608 Rn. 11). Eine derartige konkludente Einigung wird in der Rechtsprechung danach regelmäßig dann angenommen, wenn das Mietverhältnis nach dessen Beendigung für einen längeren Zeitraum weiterhin „gelebt“ wurde, also widerspruchslos zum einen dem Mieter die Räume überlassen wurden und zum anderen vom Vermieter die Miete entgegengenommen wurde sowie die Annahme eines (fortbestehenden) Vertragsverhältnisses der Interessenlage der Parteien entsprach. Die Zahlung des der Miete entsprechenden Entgeltes allein genügt dafür nicht, weil der bisherige Mieter nach dem Ende des Mietverhältnisses diesen Betrag als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB schuldet, wenn er das Mietobjekt entgegen § 546 Abs. 1 BGB nicht zurückgibt. Nach diesen Grundsätzen haben im vorliegend zu beurteilenden Fall die Parteien das Mietverhältnis nach dessen Beendigung im August 2019 nicht konkludent neu begründet. In der fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses und der Räumungsaufforderung liegt ein ausdrücklicher Widerspruch des Vermieters gegen die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Demnach schuldet der Mieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB die vertraglich vereinbarte Miete bis zur Räumung und Herausgabe. Eine Reduzierung der Nutzungsentschädigung unter dem Gesichtspunkt eines Mangels des Mietobjekts nach § 536 Abs. 1 BGB kommt von vornherein nicht in Betracht, weil die pandemiebedingte staatliche Schließungsanordnung nicht zu einem Mangel des Mietobjekts führt (BGH NJW 2022, 1370 Rn. 26 ff.). Unabhängig davon hätte ein Mangel des Mietobjektes dann keinen Einfluss auf die Höhe der Nutzungsentschädigung, wenn er erst nach Beendigung des Mietverhältnisses eintritt (vgl. Guhling/Günter, Gewerberaummiete, § 546a BGB Rn. 20), wie dies im vorliegend zu beurteilenden Fall im Hinblick auf die staatlichen Schließungsanordnungen der Fall wäre, zu denen es frühestens ab dem Monat März 2020 und damit geraume Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses im August 2019 kam. Ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags aus § 313 Abs. 1 BGB käme zwar grundsätzlich in Betracht, setzte aber das Fortbestehen eines Mietvertrages voraus, weil nur ein solcher angepasst werden könnte. Unabhängig davon bestünde auch kein Bedürfnis für eine Anpassung der Nutzungsentschädigung, weil der Mieter lediglich seine Rückgabepflicht aus § 546 Abs. 1 BGB hätte erfüllen und das Mietobjekt an den Vermieter zurückgeben müssen. Es kommt deshalb im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht auf die Frage an, inwieweit eine Anpassung des Mietverhältnisses nach § 313 Abs. 1 BGB wegen der pandemiebedingten staatlichen Schließungsanordnungen gerechtfertigt gewesen wäre, wenn dieses nach der Beendigung durch die außerordentliche Kündigung im August 2019 durch die Parteien konkludent neu begründet worden wäre.