Project Description

OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.2015 – U (Kart) 14/14 – “Sittenwidrig überhöhter Mietzins


Gelegentlich wenden insbesondere in Zahlungsrückstand geratene Mieter ein, der vereinbarte Mietzins sei sittenwidrig überhöht und die Mietzinsvereinbarung daher nichtig. Mit diesem Argument haben Mieter jedoch in den seltensten Fällen Erfolg, denn die Anforderungen der Rechtsprechung, um von einem sittenwidrig überhöhten Mietzins ausgehen zu können, sind zu Recht sehr streng.

In einem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall (Urteil vom 04.02.2015 – U (Kart) 14/14) argumentierte der Mieter ebenfalls erfolglos, der Mietzins sei sittenwidrig hoch. Mietsache waren Räume im Straßenverkehrsamt des Vermieters. Der Mieter betreibt einen Kfz-Schilderprägebetrieb. Die angemieteten Räumlichkeiten liegen unmittelbar gegenüber dem Haupteingang der Kfz-Zulassungsstelle und sind 41,1 m² groß. Andere Schilderpräger sind weder in dem Gebäude noch auf dem Gelände der Kfz-Zulassungsstelle tätig. Der Vermieter hatte die Vermietung der Gewerbefläche öffentlich ausgeschrieben und der Beklagte hatte den Zuschlag auf sein Angebot erhalten. Vereinbart war eine Festmiete und zusätzlich eine umsatzbezogene Miete. Der von dem Mieter durchschnittlich bezahlte Jahresmietzins lag bei EUR 240.620,00. Der Mieter kommt in Zahlungsrückstand. Der Vermieter kündigt fristlos und klagt auf Räumung und Zahlung der Mietzinsrückstände. Der Mieter erhebt Widerklage aus Bereicherungsrecht auf Zurückzahlung zu viel gezahlter Miete. Er argumentiert, die Miete sei sittenwidrig überhöht. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gibt der Klage auf Räumung und Herausgabe der Mietsache und auf Zahlung der Mietzinsrückstände statt, die Widerklage auf Rückzahlung angeblich zu viel gezahlter Miete wird zurückgewiesen.

Der Mieter hat vergeblich die Auffassung vertreten, der Mietvertrag sei gemäß § 138 Abs. 1 und 2 BGB nichtig. Der Mieter macht geltend, der Mietzins sei sittenwidrig überhöht. Zudem habe der Vermieter gegen die guten Sitten verstoßen, weil er die zu zahlende Gesamtmiete der Höhe nach nicht begrenzt habe. Das Oberlandesgericht Düsseldorf folgt der Auffassung des Mieters nicht. Es führt aus, der Mietvertrag über die im Verwaltungsgebäude des Straßenverkehrsamts des Klägers gelegenen Räume zum Betrieb eines Kfz-Schilderprägebetriebs sei wirksam. Der Vertrag sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Voraussetzungen eines wucherischen Rechtsgeschäfts gemäß § 138 Abs. 2 BGB sind nicht erfüllt. Der Tatbestand des Wuchers setzt in objektiver Hinsicht ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus und erfordert subjektiv, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder Willensschwäche) ausgebeutet hat (BGHZ 141, 257, 263). Die Darlegungs- und Beweislast für die genannten Voraussetzungen trägt derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts beruft (BGHZ 95, 1429). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hätte es sich einfach machen und lapidar entscheiden können, dass bereits deshalb kein Wucher vorliegt, weil keine Schwächesituation (Zwangslage usw.) ersichtlich ist. Es befasst sich dennoch mit der Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben ist. Das Gericht führt aus, dass bei gewerblichen Miet- oder Pachtverhältnissen ein auffälliges Missverhältnis schon dann vorliegt, wenn die vereinbarte Miete oder Pacht um knapp 100 % höher ist als der objektive Marktwert der Gebrauchsüberlassung. Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem Markt zu zahlen ist. Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist demnach der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand des Miet- oder Pachtzinses zu ermitteln, der für vergleichbare Objekte erzielt wird (BGHZ 141, 257, 263; BGH NJW 2002, 55). Der Mieter hatte sich insoweit auf den Mietzins berufen, der für aus seiner Sicht vergleichbare Einzelhandelsflächen in Ortsteillagen der Gemeinde bezahlt werden muss, in der sich auch die Mietsache befindet. Hierauf kann jedoch nach der zutreffenden Rechtsmeinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht abgestellt werden. Die vom Beklagten angemieteten Räumlichkeiten genießen aufgrund ihrer Lage einen erheblichen Standortvorteil. Sie liegen in dem Gebäude, in dem der Kläger seine Kfz-Zulassungsstelle betreibt. Zudem befindet sich der Eingang zum Verkaufsraum unmittelbar gegenüber dem Haupteingang der Kfz-Zulassungsstelle, so dass der Kunde nur wenige Meter zurückzulegen braucht, um seinen Bedarf an Kfz-Schildern zu decken. Der Standortvorteil ist erheblich. Weder in dem Verwaltungsgebäude des Straßenverkehrsamts des Vermieters noch auf dem Gelände der Zulassungsstelle sind Gewerbeflächen an andere Kfz-Schilderpräger vermietet, so dass unmittelbare Wettbewerber nicht vorhanden sind. Der objektive Marktwert der Gebrauchsüberlassung werde hier nach Meinung des Oberlandesgerichts allein durch die Ergebnisse der bisherigen Ausschreibungen des Vermieters bestimmt. Das Oberlandesgericht berichtet, dass sich die Angebote einer vorangegangenen Ausschreibung im Jahre 2005 für die Jahresmiete zwischen minimal EUR 142.816 und maximal EUR 339.600 bewegten. Bei der Ausschreibung, die zum Zuschlag an den Mieter führte, lagen die Angebote der sieben Bieter zwischen EUR 120.181 und EUR 242.138. Die jährliche Gesamtmiete, die der Beklagte an den Kläger zu zahlen hatte, lag wie bereits ausgeführt durchschnittlich bei EUR 244.620 und war damit keinesfalls um 100 % höher als der objektive Marktwert. Der Mietvertrag verstößt somit nicht gegen die guten Sitten und ist daher nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Zwar kreativ, aber dennoch eine rechtliche Sottise war die Argumentation des Mieters, ein Sittenverstoß sei darin zu sehen, dass der Vermieter bei der öffentlichen Ausschreibung der Gewerbefläche eine summenmäßige Begrenzung der raum- und umsatzbezogenen Miete nicht vorgesehen habe. Das Oberlandesgericht Düsseldorf befasst sich ernsthaft und seriös mit der abwegigen Rechtsansicht des Beklagten und legt dar, § 138 Abs. 1 BGB, wonach sittenwidrige Rechtsgeschäfte nichtig sind, habe die Funktion, den Schwächeren gegen wirtschaftliche und intellektuelle Übermacht zu schützen (BGH NJW 1981, 1206). Allerdings bedeute Privatautonomie nicht nur Selbstbestimmung, sondern auch Selbstverantwortung. Der Schuldner hat daher selbst zu prüfen und zu entscheiden, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen (Palandt, § 138 Rn. 36). Indessen war es allein Sache des Mieters, welches Angebot er dem Vermieter für die ausgeschriebenen Räumlichkeiten unterbreitet, insbesondere welche Miete er in Anbetracht des zu erwartenden Umsatzes aufgrund seiner Kalkulation insgesamt für kaufmännisch vernünftig hält. Eine Verpflichtung des Vermieters zur summenmäßigen Begrenzung der Miete besteht nicht. Der etwas freche Vorwurf des Mieters, das Fehlen einer summenmäßigen Begrenzung der Miete sei „Ausdruck eines übersteigerten und maßlosen Gewinnstrebens“ wird vom Oberlandesgericht nicht geteilt und zurückgewiesen.