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OLG Brandenburg, Urteil vom 14.04.2015 – 6 U 77/12 – “Schwebende Wirksamkeit gesetzeswidriger Wertsicherungsklauseln


Leider nimmt die Praxis häufig noch immer nicht zur Kenntnis, dass der Gesetzgeber mit § 8 Preisklauselgesetz eine dem deutschen Recht bisher fremde Rechtsfigur eingeführt hat, nämlich die schwebende Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln, die gegen das Preisklauselgesetz verstoßen. Hierbei gilt § 8 Preisklauselgesetz auch rückwirkend, also für Altverträge. Die Unwirksamkeit gesetzeswidriger Preisklauseln tritt erst mit rechtskräftiger Feststellung deren Unwirksamkeit ein und zwar nur für die Zeit ab Rechtskraft des Urteils. Verstoßen Wertsicherungsklauseln demnach gegen das Preisklauselgesetz, dann muss der Mieter aktiv werden und Feststellungsklage erheben, wenn der Vermieter nicht erklärt, er verzichte auf eine Mieterhöhung aufgrund der gesetzeswidrigen Wertsicherungsklausel.

Mit Urteil vom 14.04.2015 – 6 U 77/12 – behandelte das Oberlandesgericht Brandenburg einen Sachverhalt, bei dem die Mietvertragsparteien eine gesetzeswidrige Preisklausel vereinbarten, weil der Mietvertrag die Schriftform nicht wahrte und deshalb ordentlich kündbar war. § 3 Abs. 3 Preisklauselgesetz gestattet Wertsicherungsklauseln bei Mietverträgen aber nur, wenn diese für die Dauer von mindestens 10 Jahren geschlossen wurden, wobei es ausreicht, wenn der Mieter das Recht hat, die Vertragsdauer beispielsweise durch Optionsausübung auf mindestens 10 Jahre zu verlängern. Zwar wurde der Mietvertrag auf eine längere Zeit als 10 Jahre geschlossen. Die Befristung war wegen eines Schriftformmangels jedoch nicht wirksam. Somit verstieß die Wertsicherungsklausel gegen das Preisklauselgesetz. Dennoch gab das Oberlandesgericht Brandenburg der Klage des Vermieters auf Zahlung der Erhöhungsbeträge statt. Die vereinbarte Wertsicherungsklausel sei trotz des Schriftformmangels bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum wirksam. Seit dem Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes am 14.09.2007 richtet sich die Wirksamkeit einer Klausel auch aus Altverträgen nach diesem Gesetz. Nach § 8 Preisklauselgesetz tritt die Unwirksamkeit einer Preisklausel aber erst zum Zeitpunkt eines rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen dieses Gesetz ein, soweit nicht eine frühere Unwirksamkeit vereinbart ist. Damit gelten Preisklauseln als auflösend bedingt wirksam (BGH NJW 2014, 52 Rn. 24 ff.). Da keine gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit nach § 8 S. 1 Preisklauselgesetz vorlag, konnte sich der Mieter nicht darauf berufen, dass die Wertsicherungsklausel gegen das Preisklauselgesetz verstößt.

In der Preisklausel des Vertrages wurde auf den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch geltenden Index der Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte im früheren Bundesgebiet abgestellt. Für den Fall, dass dieser Index nicht fortgeführt wurde, hatten die Mietvertragsparteien vereinbart, dass an dessen Stelle der ihm am nächsten kommende neue Index treten soll. Das Oberlandesgericht Brandenburg entscheidet, dass diese Klausel wirksam ist und der Vermieter deshalb bei der Erhöhung der Miete auf den neu eingeführten Verbraucherpreisindex abstellen darf. Es bedürfe auch keines Rückgriffs auf eine ergänzende Vertragsauslegung. Zwar sei die Fortschreibung des Lebenshaltungskostenindex erst zum 01.01.2003 entfallen. Für die Berechnung der aktuellen Indexentwicklung sei jedoch insgesamt auf den neu eingeführten Verbraucherpreisindex mit dem Basisjahr 2000 abzustellen. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien, hätten sie bei Vertragsschluss bedacht, dass sich der in Bezug genommene Index ändert, sich redlicherweise bereits ab Einführung des neuen Verbraucherpreisindex auf die Geltung des aktuellen Wägungsschemas ab dem Basisjahr 2000 geeinigt hätten (BGH MDR 2013, 82).

Unproblematisch sah es das Oberlandesgericht Brandenburg auch an, dass die Mietvertragsparteien auf den Index zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache und damit des Beginns des Mietverhältnisses abstellten. Ohne Erfolg war ferner der Einwand des Mieters, Ansprüche des Vermieters seien verwirkt, weil dieser sich längere Zeit nicht auf die Mieterhöhung aufgrund der Wertsicherungsklausel berufen habe. Das Oberlandesgericht Brandenburg betont, dass eine Verwirkung von Nachzahlungsansprüchen nicht allein daraus folgt, dass der Vermieter die ihm zustehende höhere Miete über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht hat. Das gilt sogar auch dann, wenn der Vermieter in der Vergangenheit Mietzinsansprüche eingeklagt hat, ohne eine Mietzinsanpassung aufgrund der Wertsicherungsklausel geltend zu machen.