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BGH, Urteil vom 13.05.2015 – XII ZR 65/14 – “Gefährliches Pokern eines Mieters bei Erhaltungsmaßnahmen”
Mut ist eine Tugend, wer es jedoch übertreibt, geht zu große Risiken ein. Dies zeigt ein vom Bundesgerichtshof am 13.05.2015 – XII ZR 65/14 – entschiedener Fall. Zwar hat der Bundesgerichtshof die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zurückverwiesen. Er macht in dem Urteil aber grundlegende Ausführungen zu der Frage, welche Rechtsfolgen es hat, wenn ein Mieter die Duldung von Erhaltungsmaßnahmen von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht. Der Bundesgerichtshof behandelt ferner die praktisch sehr relevante Frage, ob ein Vermieter Umsatzeinbußen zu erstatten hat, die infolge einer Erhaltungsmaßnahme entstehen. Darüber hinaus entscheidet der Bundesgerichtshof erstmals, dass in besonderen Ausnahmefällen bei der Gewerberaummiete ein Recht zur fristlosen Kündigung auch dann bestehen kann, wenn der Rückstand für zwei aufeinanderfolgende Monate geringer als eine Monatsmiete ist.
Der Vermieter begehrt vom Mieter die Räumung und Herausgabe von gemieteten Gewerberäumen. Mietsache sind Räume zum Betrieb eines Restaurants. Vereinbart ist eine Vertragsdauer bis 30.09.2018. Die monatliche Bruttomiete beläuft sich auf EUR 19.453,49. An dem Mietobjekt traten Mängel auf, derentwegen der Mieter ab Juli 2011 die Miete mindert. Mit Schreiben vom 22.01.2013 kündigte der Vermieter gegenüber dem Mieter die Mangelbeseitigung an und bat um Bestätigung. Diese verweigerte der Mieter jedoch und erklärte, das Mietobjekt für die Sanierungsmaßnahmen nur zur Verfügung zu stellen, wenn vorab die für eine sechswöchige Schließung des Restaurants zu erwartenden „Umsatzausfälle geprüft und finanziert bzw. geregelt“ seien. Eine solche Regelung unterblieb ebenso wie eine Mangelbeseitigung. Der Mieter bezahlte ab März 2013 jeweils nur eine um EUR 7.799,55 geminderte Miete. Am 04.07.2013 erklärte der Vermieter die fristlose Kündigung, weil sich der Mieter seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt mit mehr als zwei Monatsmieten im Verzug befand. Der Mieter vertrat demgegenüber die Auffassung, zur Minderung berechtigt zu sein, und berief sich auf ein Zurückbehaltungsrecht. Das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg haben der Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurück. Der Grund der Zurückverweisung bestand darin, dass das Oberlandesgericht Hamburg klären muss, wie lange die Mangelbeseitigung gedauert hätte. Der Bundesgerichtshof meint, der Mieter sei bis zum fiktiven Zeitpunkt, zu dem die Mangelbeseitigung möglich gewesen wäre, zur Minderung der Miete berechtigt gewesen, ab diesem Zeitpunkt schulde er die volle Miete. Das Oberlandesgericht Hamburg muss also ermitteln, bis wann die Mangelbeseitigung ohne das verhindernde Verhalten des Mieters abgeschlossen gewesen wäre und wie hoch der Mietzinsrückstand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war, wenn man berücksichtigt, dass der Mieter bis zur fiktiven Mangelbeseitigung zur Minderung berechtigt war.
Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Weigerung des Mieters, die Erhaltungsmaßnahmen zu dulden, unberechtigt war, so dass er sich grundsätzlich nicht mehr auf die mängelbedingte Minderung berufen konnte. Dies gilt jedoch erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mangelbeseitigung ohne das verhindernde Verhalten des Mieters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre. Mangels entsprechender tatrichterlicher Feststellungen zu diesem Zeitpunkt kann ein bei Vornahme der Kündigungserklärung vom 04.07.2013 bestehender Mietrückstand in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten nicht bejaht werden und auch nicht errechnet werden, in welcher Höhe der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Mieten zum Zeitpunkt der Kündigung in Verzug war.
Der Bundesgerichtshof führt aus, dass eine unberechtigte Duldungsverweigerung gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dazu führen kann, dass der Mieter sich auf die Minderung der Miete nicht mehr berufen darf. Nach § 536 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB hat der Mieter für die Zeit, während der die Tauglichkeit der Mietsache durch Mängel gemindert ist, nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Verhindert er jedoch unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass der Mieter grundsätzlich wieder die ungeminderte Miete zu entrichten hat (BGH NJW 2010, 3015 Rn. 46). Eine treuwidrige Verhinderung der Mangelbeseitigung durch den Mieter ist etwa dann anzunehmen, wenn er entgegen seiner aus § 555 a Abs. 1 BGB folgenden Pflicht, Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung (Erhaltungsmaßnahmen) zu dulden, Einwirkungen auf die Mietsache nicht zulässt oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht. Ein Mieter darf es nicht in der Hand haben, durch eigenes Handeln bzw. Unterlassen die Mangelsituation und damit die Minderung der Miete zu perpetuieren. Hinsichtlich der geschuldeten Miete soll der Vermieter so gestellt werden, als ob er die Mangelbeseitigung durchgeführt hätte. Dann können die Grundsätze von Treu und Glauben aber nur dazu führen, dass sich der Mieter ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen.
Im konkreten Fall hat der Mieter treuwidrig die Mangelbeseitigung verhindert. Der Vermieter hat die in § 555 a Abs. 2 BGB geregelte Pflicht erfüllt, die geplante Maßnahme rechtzeitig anzukündigen. Der Mieter hat zum Ausdruck gebracht, die Mangelbeseitigung nur dulden zu wollen, wenn der Vermieter zuvor anerkennt, dem Mieter den durch die Mangelbeseitigung und die damit verbundene Schließung des Restaurants entstehenden Umsatzausfall zu ersetzen. Hierzu war der Mieter aber nicht berechtigt, denn ihm stand kein Anspruch auf Erstattung erlittener Umsatzeinbußen zu.
Ein Erstattungsanspruch folgt nicht aus § 555 a Abs. 3 BGB, wonach der Vermieter verpflichtet ist, Aufwendungen, die der Mieter infolge einer Erhaltungsmaßnahme machen muss, in angemessenem Umfang zu ersetzen. Der Bundesgerichtshof legt im Einzelnen dar, dass Umsatzeinbußen keine Aufwendungen im Sinne dieser Norm sind. Unter Aufwendungen versteht man nämlich die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten für die Interessen eines anderen, wobei von einer Freiwilligkeit nur dann ausgegangen werden kann, wenn die Aufwendung auf einer Leistung beruht. Daran fehlt es aber bei einer Umsatzeinbuße. Der Bundesgerichtshof führt weiter aus, dass ein Anspruch auf Erstattung von Umsatzeinbußen auch nicht aus § 536 a Abs. 1 Alt. 1 BGB besteht. Die insoweit gegebene Garantiehaftung des Vermieters greift nur bei anfänglichen Mängeln ein, die also bei Beginn des Mietverhältnisses vorhanden waren. Um solche Mängel ging es im Rechtsstreit aber nicht. Ein Anspruch auf Erstattung von Umsatzeinbußen lässt sich darüber hinaus auch nicht aus § 536 Abs. 1 Alt. 2 BGB herleiten, nach dem der Mieter Schadensersatz verlangen kann, wenn nach Vertragsschluss ein Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB entsteht, den der Vermieter zu vertreten hat. Ausschlaggebend ist, dass § 536 a Abs. 1 Alt. 2 BGB ein Vertretenmüssen und damit ein Verschulden des Vermieters im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB erfordert. Verschulden setzt Rechtswidrigkeit voraus. Veranlasst ein Vermieter lediglich eine Erhaltungsmaßnahme, handelt er in Erfüllung seiner ihm aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB erwachsenden Verpflichtung zum Erhalt der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, mit der die Pflicht des Mieters zur Duldung dieser Erhaltungsmaßnahme in § 555 a Abs. 1 BGB korrespondiert. Sofern die Erfüllung der Erhaltungspflicht eine vorübergehende Einschränkung oder Unterbindung des Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter bedingt, führt dies zwar zu der vorübergehenden Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht des Vermieters zur Gewährung des Mietgebrauchs. Dies begründet aber keinen Schuldvorwurf, wenn es wie hier gerade notwendige Folge der Erfüllung dieser Pflicht ist. Mangels Verschulden des Vermieters steht dem Mieter also kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der durch die Erhaltungsmaßnahmen verursachten Umsatzeinbußen zu.
Selbst dann, wenn sich der Vermieter mit der Schadenbeseitigung in Verzug befunden hätte, stünde dem Mieter kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Umsatzeinbußen aus § 536 a Abs. 1 Alt. 3 BGB zu. Nach dieser Bestimmung hat der Vermieter Schadenersatz zu leisten, wenn er sich mit der Mangelbeseitigung in Verzug befindet. Die Umsatzeinbuße ist aber nicht Folge der Mängel der Mietsache, sondern notwendige Folge der Beseitigung selbst. Folglich folgt auch kein Schadensersatzanspruch aus § 536 a Abs. 1 Alt. 3 BGB.
Der Bundesgerichtshof diskutiert dann auch die Frage, ob ein Recht zur fristlosen Kündigung bestehen kann, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Monate mit rund 80 % eine Bruttomonatsmiete in Verzug ist. Auch insoweit trifft der Bundesgerichtshof keine abschließende Entscheidung, sondern er stellt Grundsätze auf und verweist den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberlandesgericht Hamburg zurück. Der Bundesgerichtshof legt dar, dass bei Mietverhältnissen, die nicht Wohnraum betreffen, ein Rückstand von einer Monatsmiete oder weniger auch – und nur dann – erheblich sein kann, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten. Für die Wohnungsmiete regelt § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB, dass ein Mietzinsrückstand für zwei aufeinanderfolgende Monate nicht unerheblich sei und deshalb zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn die Miete für einen Monat überschritten wird. Die in § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 BGB für die Wohnraummiete geregelte Grenze von einer Monatsmiete erlaubt zwar den Erst-Recht-Schluss, dass bei Gewerberaummietverhältnissen jedenfalls ein Rückstand von über einer Monatsmiete nicht als unerheblich angesehen werden kann. Dass Rückstände unterhalb dieser Schwelle keinesfalls als erheblich einzustufen sind, lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. Nach Meinung des Bundesgerichtshofs erscheint es jedoch sachgerecht, für die Erheblichkeit einer teilweisen Nichtzahlung regelmäßig eine Monatsmiete zu verlangen. Um ausnahmsweise auch bei einem geringeren Rückstand zur Erheblichkeit zu gelangen, bedarf es daher des Hinzutretens besonderer Umstände des Einzelfalls, die den Schluss auf die Erheblichkeit im betreffenden Mietverhältnis zuzulassen. In der Gewerberaummiete werde hierfür neben der Kreditwürdigkeit des Mieters insbesondere die finanzielle Situation des Vermieters und die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstandes auf diese Bedeutung erlangen können. Hierzu muss das Berufungsgericht aber noch Feststellungen treffen. Dem Bundesgerichtshof war eine Entscheidung deshalb nicht möglich. Jedoch folgt aus dem Urteil, dass bei der Gewerberaummiete jedenfalls in aller Regel ein Mietzinsrückstand für zwei aufeinanderfolgende Monate in Höhe von etwas mehr als einer Monatsmiete erforderlich ist, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Liegen besondere Ausnahmefälle vor, kann auch ein darunterliegender Rückstand (eine Monatsmiete oder weniger) für eine außerordentliche fristlose Kündigung ausreichen.