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OLG Dresden, Beschluss vom 25.08.2015 – 5 U 1057/15 – “Schriftformmangel infolge mündlicher Vertragsänderung


Das Oberlandesgericht Dresden behandelte mit Beschluss vom 25.08.2015 – 5 U 1057/15 – einen weiteren Fall, bei dem eine mündliche Vertragsvereinbarung zur ordentlichen Kündbarkeit eines langjährigen Mietvertrages führte. Mietsache sind in Leipzig am Fluss Weiße Elster gelegene Räume, in denen ein griechisches Restaurant betrieben wurde. In den am 27.08.2005 geschlossenen, bis 31.08.2025 befristeten Mietvertrag trat der Kläger statt des ursprünglichen Vermieters durch Erwerb des Grundstückseigentums ein. Nach Abschluss des schriftlichen Mietvertrages über die Nutzung der Restauranträume vereinbarten der Mieter und der ursprüngliche Vermieter, dass der Mieter auch berechtigt ist, eine etwa 900 m² große Fläche um das Gebäude herum zu nutzen. Der Mieter legte daraufhin einen gepflasterten Biergarten als Freisitz und eine weitere Fläche als Zugangsbereich mit Bepflanzungen und Skulpturen an. Seitlich des Gebäudes wurde ein Gastank und ein Container aufgestellt. Auf dem Fluss Weiße Elster installierte der Mieter vor dem Gebäude ein Boot als weiteren Freisitz. Der Kläger trat durch Grundstückserwerb kraft Gesetzes (§ 566 BGB: Kauf bricht nicht Miete) auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein und kündigte mit Schreiben vom 16.07.2014 zum 31.03.2015 mit der Begründung, der Mietvertrag leide an einem Schriftformmangel und sei deshalb nach §§ 578 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 550 S. 1 BGB ordentlich kündbar. Sowohl das Landgericht Leipzig als auch das Oberlandesgericht Dresden teilen die Meinung des Vermieters. Aufgrund der mündlichen Vereinbarung über die Nutzung einer Fläche von etwa 900 m² außerhalb der im schriftlichen Mietvertrag geregelten Mietsache sei die gesetzliche Schriftform des § 550 S. 1 BGB nicht eingehalten. Zur Wahrung der Schriftform ist es grundsätzlich erforderlich, dass sich die wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses, aus der Vertragsurkunde ergeben (BGH NJW 2013, 3361). Infolge einer mündlichen Vertragsänderung nutzte der Mieter weitere, im schriftlichen Mietvertrag nicht geregelte Flächen auf dem Grundstück, die einen Umfang von etwa 900 m² ausmachten. Eine derartige Abweichung der vereinbarungsgemäß genutzten Mietfläche von der im schriftlichen Mietvertrag niedergelegten Mietfläche ist wesentlich und führt zu einem Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform aus § 550 S. 1 BGB. Zwar kann im Einzelfall die Vereinbarung über die Nutzung von Nebenflächen oder Nebenräumen nicht beurkundungsbedürftig sein, wenn diese von untergeordneter Bedeutung für den Mietzweck sind (BGH NJW 2008, 1661 für die Nutzung eines bestimmten Kellerraumes im Rahmen eines Wohnraummietvertrages). Voraussetzung für eine solche Annahme ist aber, dass festgestellt werden kann, dass die Nutzung der Räume oder Flächen im Rahmen des konkreten Mietverhältnisses nur eine untergeordnete Bedeutung hat, was auch für einen Kellerraum nicht generell angenommen werden kann. Im vorliegend zu beurteilenden Fall ist die im Verhältnis zum schriftlichen Mietvertrag zusätzliche Flächennutzung schon wegen ihres beträchtlichen Umfanges wesentlich. Hinzu kommt, dass es sich nicht lediglich um Nebenflächen handelt, sondern um Bereiche, die für die Durchführung des Mietzwecks von erheblicher Bedeutung waren.

Der Mieter konnte auch nicht mit dem Einwand gehört werden, der Vermieter handle treuwidrig, wenn er sich auf den Schriftformmangel berufe. Der Behauptung des Mieters, die Folgen der Kündigung seien für ihn existenzvernichtend, ging das Oberlandesgericht Dresden nicht nach. Es führt aus, es könne zwar ausnahmsweise gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn eine Partei geltend macht, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Voraussetzung dafür ist, dass die vorzeitige Beendigung des Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Das kommt in Betracht, wenn sich der Vertragspartner einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (BGH NJW 2014, 2102). Diese Voraussetzungen sind im vorliegend zu beurteilenden Fall aber schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei dem Kläger, der durch Grundstückserwerb kraft Gesetzes in den Mietvertrag eintrat, nicht um denjenigen Vertragspartner des Mieters handelt, durch dessen mündliche Vereinbarung mit dem Mieter die gesetzliche Schriftform aus § 550 S. 1 BGB verletzt wurde. Der Kläger ist als Grundstückserwerber gemäß §§ 566, 578 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB auf Vermieterseite in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Der Einwand der Treuwidrigkeit kann deshalb dem neuen Vermieter und Kläger gegenüber nicht geltend gemacht werden, da sich der Kläger auch dann auf den Formmangel berufen kann, wenn dies dem ursprünglichen Vermieter nach § 242 BGB verwehrt wäre (OLG Düsseldorf NZM 2005, 147). Andernfalls würde der Schutzzweck des § 550 S. 1 BGB, der zwingendes Recht enthält, unterlaufen werden.