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KG Berlin, Beschluss vom 13.07.2015 – 8 W 45/15 – “Wirksame Minderungsbeschränkung durch Formularklausel


Mit Beschluss vom 13.07.2015 – 8 W 45/15 – behandelte das Kammergericht Berlin einen Sachverhalt, der nicht wegen komplizierter Rechtsfragen, sondern deshalb interessant ist, weil es sich um einen Fall handelt, der in der Praxis häufig vorkommt. Viele Leser werden sich deshalb an ähnliche Konstellationen erinnern.

Der Mieter von Gewerberäumen kommt in Zahlungsrückstand. Das Mietverhältnis wird wirksam mit einer am 10.07.2013 zugegangenen außerordentlichen fristlosen Kündigung beendet. Der Mieter hält die Kündigung für unbegründet. Nach vorangegangenem Räumungsrechtsstreit, den der Mieter verliert, wird die Mietsache am 31.07.2014 geräumt und herausgegeben. Der Klage des Vermieters auf Zahlung rückständiger Miete und einer Nutzungsentschädigung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete für die Zeit ab Zugang der fristlosen Kündigung bis zur Räumung tritt der Mieter entgegen. Er wendet ein, er sei zur Minderung der Miete wegen Mängeln befugt gewesen, insbesondere wegen zu geringer Innentemperaturen von „teilweise unter 20°“. Er macht ferner geltend, er habe die Mietsache umfassend umgebaut und deshalb stünden ihm Wertersatzansprüche von EUR 59.000,00 zu. Die Verteidigung des Mieters ist aber ohne Erfolg. Mit seiner Behauptung, die Mietsache sei mangelhaft, wird er aus mehreren Gründen nicht gehört. Zum einen reicht es für einen substantiierten Vortrag nicht aus, sich pauschal auf zu geringe Innentemperaturen von „teilweise unter 20°“ zu berufen. Bei so genannten temporären Mängeln muss nämlich konkret dargelegt werden, zu welchen Zeiträumen angeblich zu geringe Innentemperaturen herrschen. Denn nur zu diesen Zeiträumen, in denen die Innentemperaturen tatsächlich unzumutbar gering sind, kommt eine Minderung in Betracht (BGH NJW 2011, 514 Tz. 13). Hinzu kommt, dass der Mietvertrag eine dahingehende Formularklausel enthielt, dass eine Minderung der Mietzahlungen und Aufrechnung mit Gegenforderungen nur möglich ist bei anerkannten oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen. Der Vermieter hat die Minderung nicht „anerkannt“. Das Kammergericht führt aus, dass der Mieter deshalb nicht durch Abzug von der Miete mindern könne, da die Formularklausel wirksam sei. Zwar ist die Beschränkung der Aufrechnung nur auf „anerkannte“ (und nicht auch unbestrittene) Gegenforderungen unwirksam (BGH NJW 2007, 3421 Tz. 21), jedoch gilt dies nicht für die Minderungsbeschränkung. In Geschäftsraummietverträgen stellt die Beschränkung des Minderungsrechts des Mieters in der Form, dass ihm nur der Abzug von der Mietzahlung versagt und er wegen des Minderungsbetrages auf einen Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB verwiesen wird, keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB dar (BGH NJW 2008, 2497, 2498 Rn. 18 und 19). Daran ändert nichts, dass vorliegend die Minderungsbeschränkung nur dann ohne weiteres entfallen soll, wenn die Minderung „ausdrücklich vom Vermieter zugestanden“ ist, und nicht bereits dann, wenn sie „unbestritten“ ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung durch eine Klausel, die die Aufrechnung nur mit rechtskräftig festgestellten oder „anerkannten“ Gegenforderungen erlaubt (BGH NJW 2007, 3421, 3422), lässt sich auf den Fall einer entsprechend formulierten Minderungsklausel nicht übertragen. Denn nur das (aktive) Zugestehen, also das „Anerkenntnis“ der Minderung auch der Höhe nach entspricht dem Unstreitigsein einer Aufrechnungsforderung im Sinne von § 309 Nr. 3 BGB. Die Minderung erfordert keine Bezifferung durch den Mieter, vielmehr ist diese vom Gericht grundsätzlich ohne Bindung an die Angaben des Mieters festzusetzen (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. VIII 271 ff.). Das Nichtbestreiten des Vermieters kann daher nur die Tatsachengrundlage der Minderung erfassen, nicht aber den Umfang des Rechts. Dementsprechend sind Klauseln, die die sofortige Minderung von der Zustimmung oder dem Anerkenntnis des Vermieters abhängig machen, in der obergerichtlichen Rechtsprechung ohne weiteres als wirksam angesehen worden (OLG Düsseldorf ZMR 1999, 23, 24 und Urteil vom 08.06.2006, 10 U 159/05 sowie Kammergericht Berlin GE 2001, 345 zur Wirksamkeit der Klausel „anerkannt, mithin unstreitig“). Die Unwirksamkeit des Klauselteils betreffend die Aufrechnungsbeschränkung erfasst vorliegend nicht die Klausel betreffend die Minderungsbeschränkung, da beide Teile sprachlich teilbar sind (sogenannter blue-pencil-Test, BGH NJW 1989, 3215 und Palandt, BGB, § 306 Rn. 7). Das Kammergericht legt ferner dar, dass die Klausel über die Beschränkung des Minderungsrechts auch nach Mietvertragsende fortwirkt. Nicht anders als ein Aufrechnungsverbot (BGH NJW-RR 2000, 530) entfällt auch die Minderungsbeschränkung nicht mit Mietvertragsende und Herausgabe, da das schützenswerte Interesse des Vermieters an pünktlicher Liquiditätserzielung durch diese Umstände nicht berührt wird und zudem ein Wegfall der Minderungsbeschränkung den vertragsuntreuen Mieter, der etwa Miete in Kenntnis der anstehenden Nutzungsaufgabe unberechtigt mindert, privilegieren würde.

Ohne Erfolg war auch die Aufrechnung des Mieters mit einem behaupteten Wertersatzanspruch wegen von ihm in die Mietsache getätigter Investitionen. Ein Anspruch auf Ersatz des Zeitwerts von nützlichen Umbauten könnte sich aus § 539 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683 ff. BGB ergeben. Nach § 539 Abs. 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. § 539 Abs. 1 BGB enthält eine so genannte Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (BGH NJW 2009, 2590, 2591 Tz. 16), d.h., dass geprüft werden muss, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer GoA vorliegen, denn nur dann kommt ein Wertersatzanspruch in Betracht. Im konkreten Fall hatte der Mieter aber die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs nach § 683 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) nicht schlüssig vorgetragen. Dieser Anspruch setzt nämlich einen Fremdgeschäftsführungswillen des Mieters voraus und somit, dass er auch für den Vermieter und um der Mietsache willen tätig geworden ist, sowie dass die Baumaßnahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermieters entspricht oder von ihm nachträglich genehmigt wird. An das Vorliegen der Voraussetzungen des § 683 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH NZM 1999, 19). Der Fremdgeschäftsführungswille wird nur bei einem objektiv fremden Geschäft vermutet, welches jedoch nicht daraus folgt, dass die Maßnahme zu einer Wertsteigerung führt. Ist etwa nicht ein mangelhafter Zustand behoben worden, sondern vom Mieter (zumal nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen) eine Verbesserung oder eine Veränderung der Mietsache im Interesse des eigenen Betriebs vorgenommen worden, ist eher von einem neutralen Geschäft auszugehen und liegt ein Fremdgeschäftsführungswillen zudem fern (BGH NJW-RR 2006, 294 Tz. 23). Gegen das Interesse des Vermieters an der Baumaßnahme spricht, wenn wie offenbar hier ihr Umfang vom Mieter bestimmt werden kann und die Kosten nicht absehbar sind (BGH NJW-RR 1903 90, 522). Nach alledem kam ein Zahlungsanspruch des Mieters nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht.

Keinen Erfolg hatte der Mieter auch mit der Behauptung, ihm stünde ein Anspruch auf Entschädigung für Einrichtungen, mit denen er die Mietsache versehen habe zu, weil der Mieter die Wegnahme dieser Einrichtungen dadurch vereitelt habe, dass er sich auf sein Vermieterpfandrecht berief. Der Mieter stellt darauf ab, dass er nach § 539 Abs. 2 BGB berechtigt ist, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat. Der Vermieter kann das Wegnahmerecht durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung abwenden, wenn nicht der Mieter ein berechtigtes Interesse an der Wegnahme hat (§ 552 Abs. 1 BGB). Hier liegt in der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts aber keine Abfindung des Wegnahmerechts. Darüber hinaus entsteht ein Anspruch des Mieters auf Entschädigungszahlung erst, wenn er die Wegnahme verlangt und der Vermieter erklärt, dass er die Wegnahme abwenden will (BGH NJW-RR 2006, 294). Diese Voraussetzungen waren vorliegend aber nicht gegeben. Ein konkretes Wegnahmeverlangen des Mieters war nicht dargetan. Die Erklärung, das Vermieterpfandrecht auszuüben, ist zudem einer Abfindungserklärung nicht gleichzusetzen.

Sehr interessant ist die Entscheidung des Kammergerichts insoweit, als es ausführt, dass ein Anspruch auf Wertersatz auf Ersatz der Kosten wegnehmbarer Einrichtungen ohnehin verjährt sei und dass die Verjährung vor der Rückgabe der Mietsache eintrat. Das Mietverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung am 10.07.2013. Obgleich die Räumung und Herausgabe der Mietsache erst am 31.07.2014 erfolgte, war der Wegnahmeanspruch und damit auch der darauf beruhende Wertersatzanspruch auf Ersatz der Kosten wegnehmbarer Einrichtungen bereits am 10.01.2014 verjährt. Das ist (nur) auf den ersten Blick erstaunlich und wert, sich diese Rechtslage zu merken, da derartige Sachverhalte in der Praxis nicht selten vorkommen. Nach der Rechtsprechung des BGH beschränkt das Gesetz den Mieter in Bezug auf die von ihm geschaffenen Einrichtungen nach Beendigung des Vertrages auf den Anspruch, ihre Wegnahme gemäß § 539 Abs. 2 BGB zu dulden (BGH NJW 1991, 2564, 2565 unter II.2). Mit Verjährung des Wegnahmerechts entsteht ein dauerndes Besitzrecht des Vermieters und gesetzliche Zahlungsansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, sind ausgeschlossen (BGH NJW 1987, 2861, 2862 unter IV.3 und Palandt, § 539 Rn. 4). Die Verjährung von sechs Monaten beginnt gemäß § 548 Abs. 2 BGB nicht erst mit der Rückgabe der Mieträume, sondern mit der rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses (BGH NJW 2008, 2156, 2257 Tz. 15). Das Wegnahmerecht verjährt daher auch, wenn sich der Mieter gegen eine berechtigte Kündigung verteidigt und es daher zunächst nicht zur Räumung kommt. Die Frage der rechtlichen Beendigung falsch zu beurteilen, ist sein Risiko (OLG Bamberg NZM 2004, 342). Die materiellrechtlichen Wirkungen des Verjährungseintritts sind von Amts wegen zu berücksichtigen, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Vermieter auf Verjährung berufen hat (OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 734). Die Ausübung des Vermieterpfandrechts, das sich auch auf im Eigentum des Mieters verbliebene Einrichtungen erstreckt, hemmt die Verjährung nicht (BGH NJW 1987, 2881, 2862). Dies ergibt sich jetzt bereits aus § 205 BGB, der anordnet, dass eine Hemmung nur eintritt, wenn das Leistungsverweigerungsrecht auf einer Verjährung beruht. Danach ist ein etwaiger Wegnahmeanspruch vorliegend mit Ablauf des 10.01.2014 verjährt. Gleichzeitig verjährte jeglicher Wertersatzanspruch auf Ersatz der Kosten wegnehmbarer Einrichtungen.

Ohne Erfolg war auch die Argumentation des Mieters, ihm stünde ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aufgrund der von ihm vorgenommenen Investitionen zu, die den Wert der Mietsache erhöht hätten. Grundsätzlich kann ein Bereicherungsanspruch des Mieters gegeben sein, wenn der Vermieter – etwa wegen seiner fristlosen Kündigung – vorzeitig und nicht erst mit Ablauf der vertraglich vorgesehenen Mietzeit in den Genuss von wertsteigernden Investitionen des Mieters gekommen ist. Der Umfang der Bereicherung richtet sich nicht nach der Höhe der Aufwendungen des Mieters und nicht nach dem Zeitwert der Investitionen oder der Verkehrswertsteigerung des Mietobjekts bei Rückgabe, sondern allein nach der Erhöhung des Ertragswerts (BGH NJW 2009, 2374 Tz. 8 und Tz. 10). Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Vermietung, sondern die konkrete Vermietbarkeit zu einem höheren als dem bisherigen Mietzins. Nur wenn der Vermieter mehr erlösen kann, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat, ist er bereichert (BGHZ 180, 293 Tz. 12 und 14; BGH NJW-RR 2010, 86 Tz. 14; BGH NZM 1999, 19). Wie in der Praxis häufig hat der Mieter im entschiedenen Fall auch nur Vortrag zur Höhe seiner Aufwendungen und zum angeblichen Zeitwert seiner Investitionen sowie zur Verkehrswertsteigerung des Mietobjekts gehalten, aber kein Wort darüber verloren, dass der Vermieter durch die Investitionen eine höhere Miete erzielt oder erzielen kann als die bisher erhaltene. Deshalb war der Verteidigungsvortrag des Mieters bereits unschlüssig.