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BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 154/14 – “Rechtsmissbrauch bei Kündigung wegen Eigenbedarf?


Die beklagte Mieterin hat am 14.04.2011 einen unbefristeten Mietvertrag über eine Zweizimmerwohnung abgeschlossen. Knapp 2 Jahre später, mit Schreiben vom 28.02.2013 kündigte der klagende Vermieter das Mietverhältnis aufgrund Eigenbedarfes zum 31.05.2013. Die Kündigung wurde damit begründet, dass die 20-jährige Tochter des Vermieters nach ihrem im Juni 2012 bestandenen Abitur ein Jahr in Australien verbracht hat und am 18.07.2013 nach Deutschland zurückkehren wird, um eine Arbeitsstelle anzutreten und ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren. Nach der Rückkehr aus Australien will sie in die Wohnung der Beklagten einziehen. Vor dem Auslandsaufenthalt hat die Tochter ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt. Die beklagte Mieterin wehrte sich mit dem Argument, dass eine Kündigung rechtsmissbräuchlich ist, da bereits bei Abschluss des Mietvertrages der Eigenbedarf vorhersehbar war.

Der Kläger erhob Räumungsklage, die vor dem Amtsgericht Erfolg hatte. Das Berufungsgericht hat die Klage dagegen mit der Begründung abgewiesen, dass die Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens reicht es bereits aus, wenn bei Vertragsabschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte vorliegen würden, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein wird. Auch wenn die Tochter bei Abschluss des Vertrages im Jahr 2011 noch keine konkreten Vorstellungen über einen Auszug aus dem elterlichen Haus gehabt haben möge, hätte der Kläger den Eigenbedarf voraussehen können und müssen. Der Bundesgerichtshof widerspricht dieser Ansicht im Revisionsverfahren. Die Kündigung ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Ein Rechtsmissbrauch liegt zwar vor, wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen und den Mieter über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Ein solcher Rechtsmissbrauch ist aber zu verneinen, wenn dieses künftige Entstehen eines Eigenbedarfes im Rahmen einer so genannten „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen war, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen hat, also ernsthaft in Betracht zog. Denn ein Vermieter, der einem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse macht, bringt regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließt. Die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit, über die Verwendung des Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu verfügen würde verletzt, wenn vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrages eine solche Lebensplanung (die nach verbreiteter Auffassung bis zu 5 Jahre sich erstreckt) verlangt würde.

Wenn der Mieter auf der sicheren Seite sein will, kann er für einen gewissen Zeitraum einen beidseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung vereinbaren.