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KG Berlin, Urteil vom 24.05.2018 – 8 U 112/16 – “Mietausfallschaden bei fristloser Kündigung eines langjährigen Mietvertrags“
Das Kammergericht Berlin hat eine interessante Entscheidung zum Mietausfallschaden bei der vorzeitigen Beendigung eines langjährigen Mietverhältnisses getroffen, Urteil vom 24.05.2018 mit dem Az. 8 U 112/16. Zwischen den Parteien besteht ein gewerblicher Mietvertrag mit einer Vertragsdauer von 10 Jahren. Die Monatsmiete beläuft sich auf knapp Euro 3.000. Nachdem der Mieter die Mieten für die Monate November 2014 und zumindest überwiegend für Dezember 2014 nicht bezahlte und insoweit in Verzug war, hatte der Vermieter das Mietverhältnis wirksam fristlos nach § 543 Abs. 1 und 2 Nr. 3a) BGB gekündigt. Der Einwand des Mieters, er habe aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten das Ausbleiben von Zahlungen nicht zu vertreten, ist ohne rechtliche Bedeutung. Denn für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat ein Schuldner stets einzustehen. Sein wirtschaftliches Unvermögen befreit ihn nicht von der Leistungspflicht (so etwa OLG Frankfurt WuM 1998, 24). Folge der fristlosen Kündigung ist nicht nur die Beendigung des Mietverhältnisses, sondern auch, dass der Mieter dem Vermieter den durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses entstehenden Schaden zu ersetzen hat (so unter anderem BGHZ 95, 39, 43 f.; BGH NJW 1991, 221 ff.). Es handelt sich hierbei um einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Ersatzanspruch eigener Art (BGH NJW 1994, 2006. 87), der seiner Natur nach nicht von der weiteren Voraussetzung einer Nachfristsetzung unter Ablehnungsandrohung abhängig ist. Die Ersatzpflicht des Mieters für die Kündigungsfolgeschäden wird dadurch ausgelöst, dass er durch seine Vertragsverletzung den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrags nötigt und die die Haftung begründenden Ereignisse in die Zeit des bestehenden Vertrages fallen (BGH NJW 1984, 2587). Dem Vermieter steht somit ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 314 Abs. 4 BGB zu. Nach den allgemeinen Grundsätzen ist der Vermieter im Rahmen des Schadensersatzes so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßem Verhalten des Mieters stünde. Dementsprechend hat der Mieter den Ausfall der Miete und der Nebenkosten bzw. die Mietdifferenz auszugleichen, wenn die Mietsache nicht oder nur zu einer geringeren Miete vermietet werden kann (vgl. Lindner-Figura u.a., Gewerberaummiete, Kap. 16 Rn. 322). Hierbei ist auch bei einer Vermietung mit Option des Vermieters zur Umsatzsteuer lediglich die Nettomiete zu ersetzen, da es sich bei der Schadensersatzleistung nicht um umsatzsteuerpflichtige Umsätze handelt (BGH NJW 1987, 1690; BGH ZMR 2008, 867).
Das Kammergericht führt aus, dass sich der Vermieter nicht auf eine im Mietvertrag enthaltene Klausel berufen kann, wonach der Mieter verpflichtet sein soll, im Falle einer wirksamen fristlosen Vermieterkündigung alle Mieten bis zum vereinbarten Vertragsende zu zahlen, die somit mit dem Zugang der Kündigung fällig werden sollen. Eine derartige Regelung ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, denn sie widerspricht in einer den Mieter unangemessen benachteiligenden Weise mietrechtlichen Vorschriften zur Fälligkeit der Miete. Der Anspruch auf Erstattung eines Schadens wird mit seiner Entstehung fällig. Bei der Geltendmachung eines Mietausfallschadens ist zu beachten, dass die entgangene Miete in Zukunft periodisch fällig geworden wäre, nämlich gemäß §§ 556b Abs. 1, 579 Abs. 2 BGB monatlich zum dritten Werktag des Monats. Zum selben Zeitpunkt tritt grundsätzlich nach und nach auch die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs wegen der entgangenen Miete ein (BGH NJW 1982, 870; OLG Dresden NZM 2012, 238). Hiervon weicht die Regelung im Mietvertrag durch Vorverlagerung der Fälligkeit sämtlicher bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit geschuldeten Mieten auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung in einer den Mieter unangemessen benachteiligenden Weise erheblich ab. Dies ergibt sich schon aus der Vertragslaufzeit von 10 Jahren. Infolge dieser verhältnismäßig langen Vertragslaufzeit würde bei einer Kündigung gleich zu Beginn des Mietverhältnisses statt eines Betrags von knapp EUR 3.000,00 pro Monat auf einen Schlag ein Betrag von über EUR 300.000,00 fällig werden können. Das benachteiligt den Mieter aber unangemessen. Somit war der Vermieter darauf beschränkt, seinen Schadensersatzanspruch erst geltend zu machen, sobald diese periodisch fällig geworden war.
Erfolglos war der Einwand des Mieters, der Schadensersatzanspruch sei zeitlich begrenzt, denn ein Mieter schulde Schadensersatz wegen Mietausfalls nur bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem er ohne Kündigungsmöglichkeit an den Vertrag gebunden gewesen wäre (BGH NJW 1998, 372). Der Mieter argumentierte, der Mietvertrag habe an einem Schriftformmangel gelitten und sei deshalb nach § 550 BGB ordentlich kündbar gewesen mit der Folge, dass der Mietausfallschaden nur bis zu dem Zeitpunkt geschuldet wird, zu dem der Mietvertrag zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung hätte ordentlich gekündigt werden können. Zwar ist diese Verteidigung dem Grunde nach nicht zu beanstanden, sie krankte im konkreten Fall aber daran, dass der Mietvertrag entgegen der Meinung des Mieters nicht an einem Schriftformmangel litt. Den Schriftformfehler wollte der Mieter daraus herleiten, dass im Ursprungsmietvertrag die mitvermietete anteilige Gang-/Allgemeinfläche nicht hinreichend bezeichnet war. Die Parteien schlossen aber einen 1. Nachtrag zum Mietvertrag, mit dem eine weitere Fläche vermietet wurde. Das Kammergericht meinte nun, dass diese Nachtragsvereinbarung, die ausdrücklich auf das bestehende Mietverhältnis verweist und nur eine Erweiterung des Mietobjekts vorsieht, ohne weiteres dahin auszulegen ist, dass die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtragsvertrags tatsächlich ausgeübte Nutzung als vertragsgemäß angesehen und fortgesetzt werden sollte. Damit liege aber zumindest aufgrund des Abschlusses des Mietvertragsnachtrags kein Schriftformmangel vor, denn für die Wahrung der Schriftform reiche die Bestimmbarkeit des Mietobjekts im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus (BGH, Urteil vom 07.07.1999 – XII ZR 15/19, juris Tz. 45).
Ohne Erfolg blieb auch der Einwand des Mieters, der Vermieter habe gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) verstoßen, indem er die Mieträume bislang nicht weitervermietet hat. Zwar ist ein Vermieter nach § 254 Abs. 2 BGB gehalten, sich nachhaltig um eine alsbaldige anderweitige Vermietung der Mietsache zu bemühen. Dabei trifft die Darlegungs- und Beweislast für diesbezügliche Versäumnisse des Vermieters aber den Mieter (BGH, Urteil vom 16.02.2005 – XII ZR 162/01), sofern der Vermieter zunächst seine Bemühungen um einen Nachmieter in ausreichender Weise dargelegt hat (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, § 542 Rn. 109). Im vorliegenden Falle hatte der Vermieter ausreichenden Vortrag zu seinen Vermietungsbemühungen gehalten. Er hatte zwischen Januar 2015 und Februar 2016 insgesamt 37 potentielle Interessenten angeschrieben und die Mieträume angeboten. Das genügte. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass ein Vermieter zunächst sanktionslos den Markt sondieren kann (BGH NZM 2005, 340). Auch fällt es dem Vermieter nicht zur Last, wenn er mit dem Abschluss eines Mietvertrags zuwartet, bis der Mieter geräumt hatte. Insoweit ist es auch irrelevant, wenn der Mieter die Räumung angekündigt hatte. Auch darf ein Vermieter ohne Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht zunächst von Interessenten eine höhere Miete verlangen als die nach dem gekündigten Vertrag geschuldete. Der Vermieter ist nicht gehalten, die Mietsache zum bisherigen Mietpreis anzubieten, sondern kann auch eine höhere, üblicherweise und legal erzielbare Miete verlangen (BGH NZM 2005, 340). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Gewerbemietverträge üblicherweise mit längerfristigen Bindungen verbunden sind, sodass es einem Vermieter nicht zuzumuten ist, wegen der Schadensminderungspflicht vorschnell zu niedrige Angebote zu akzeptieren. Auch ist ein Vermieter im Rahmen der Schadensminderungspflicht nicht gehalten, jede beliebige Person als Mieter zu akzeptieren bzw. anzusprechen.
Erfolglos war auch eine vom Mieter erklärte Aufrechnung wegen eines angeblichen Anspruchs auf Ersatz seiner Investitionskosten. Im Mietvertrag war ein derartiger Anspruch nämlich wirksam ausgeschlossen worden. Der Mietvertrag sah durch eine Formularklausel vor, dass das Wegnahmerecht des Mieters nach § 539 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist und dass dem Mieter auch keine Ausgleichsansprüche zustehen. Diese Regelung wird vom Kammergericht als unbedenklich angesehen. Denn das Wegnahmerecht kann in einem Mietverhältnis über Gewerberaum – anders als in der Wohnraummiete – auch formularvertraglich entschädigungslos ausgeschlossen werden, wenn sich nicht im Einzelfall aus der Gesamtgestaltung des Vertrags ein Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB ergibt (vgl. BGH NJW 1967, 1223). Es werden auch keine Rechte des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen verkürzt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH hat der Mieter von Geschäftsräumen, der sich zu bestimmten Ausbaumaßnahmen vertraglich verpflichtet, nach Beendigung des Mietverhältnisses hinsichtlich der geschaffenen Einrichtungen weder ein Wegnahmerecht aus § 539 Abs. 2 BGB (BGH, Urteil vom 08.11.1995 – XII ZR 202/94), noch einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen gemäß § 539 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob es sich um notwendige oder nützliche Verwendungen handelt, weil in diesen Fällen die Leistungen des Mieters im Zweifel Teil des Überlassungsentgelts sind. Insoweit ergab sich eine Ausbauverpflichtung des Mieters im konkreten Fall daraus, dass das Mietobjekt vertragsgemäß im Rohbauzustand übergeben wurde und somit vom Mieter auszubauen war.