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BGH, Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 113/17 – “Nachweis unfallbedingter Verletzungen“


Im Falle eines Verkehrsunfalles unter Geltendmachung einer unfallbedingten Verletzung ist oftmals streitig, ob eine solche tatsächlich – durch den Unfall – verursacht wurde. Dies gilt insbesondere bei Verletzungen, welche mit bildgebenden Mitteln (Röntgen, MRT usw.) nicht nachweisbar sind, insbesondere Zerrung der Halswirbelsäule oder im Falle von Hinweisen auf anderweitige Ursachen, insbesondere altersbedingte Veränderungen/Abnutzung. Es kommt dann im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung erheblich darauf an, nach welchem Maßstab der Überzeugungsbildung das Gericht vom unfallbedingten Eintritt einer Verletzung überzeugt sein muss, um diese nachzuweisen. In Betracht kommen der sogenannte Strengbeweis, § 286 ZPO oder, für den Geschädigten wesentlich vorteilhafter, der Maßstab § 287 ZPO „Schadensschätzung“ im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit.

Es war nunmehr durch den Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 29.01.2019 – VI ZR 113/17 (r+ s 2019, 353) über diese Abgrenzungsfrage zu entscheiden. Grundlage war ein Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen in einem Kreisverkehr, durch den Versicherungsnehmer der Beklagten durch einen Vorfahrtsverstoß verschuldet. Die Haftung dem Grunde nach war unstreitig, der Fahrzeugschaden wurde reguliert. Der Geschädigte/Kläger hat die unfallbedingte Verletzung in Form einer Zerrung der Halswirbelsäule sowie einer Verletzung des linken Knies geltend gemacht, die Verletzung wurde durch die Versicherung bestritten.

Entgegen Formulierungen in früheren Entscheidungen (Senatsbeschluss vom 14.10.2008 – VI ZR 7/08) wurde durch den Bundesgerichtshof betont, dass im Ergebnis für jede für sich selbst stehende Verletzung das strenge Beweismaß des § 286 ZPO gilt. Das Berufungsgericht hat sich insoweit von der unfallbedingten Verletzung der Halswirbelsäule überzeugt, jedoch eine Verletzung am linken Knie nicht als Unfallfolge angesehen, insoweit auf § 286 ZPO verwiesen. Unter Bezugnahme auf frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes hatte der Kläger insoweit argumentiert, mit der Revision, aufgrund der Überzeugungsbildung wegen einer Primärverletzung, unmittelbar durch den Unfall (Zerrung der Halswirbelsäule) gelte für weitere Verletzungen stets das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO. Da jedoch die Verletzung des Knies nicht als Folge der Verletzung der Halswirbelsäule behauptet wurde, wurde von Seiten des Bundesgerichtshofes die Berufungsentscheidung insoweit bestätigt.

Es wurden im Übrigen in der Entscheidung auch in Bezug auf die Grundlagen für eine Überzeugungsbildung von der unfallbedingten Verletzung der Halswirbelsäule Ausführungen gemacht, insoweit im Ergebnis die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur weiteren Ermittlung zurückverwiesen. Da sich im Berufungsverfahren der gerichtliche Sachverständige auf notwendige Feststellungen eines technischen Sachverständigen zu den einwirkenden Kräften bezogen hat, hätte insoweit die weitere Begutachtung vor einer Entscheidung erfolgen müssen.

Für Unfallgeschädigte, bei gerichtlicher Auseinandersetzung, kommt es damit wesentlich darauf an, ob gesundheitliche Einschränkungen als Folge einer unmittelbar durch den Unfall eingetretenen Verletzung dargestellt werden können (Arthrose als Folge einer Fraktur des Gelenkes; Sehstörungen als Folge einer Kopfverletzung und ähnliches).