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OLG Frankfurt, Urteil vom 17.10.2014 – 2 U 43/14 – “Kurze sechsmonatige Verjährung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Betriebspflicht


Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einer kreativ begründeten Entscheidung vom 17.10.2014 (2 U 43/14) angenommen, dass Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Verletzung der Betriebspflicht der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegen. Ob sich der Bundesgerichtshof dieser Auffassung anschließen wird, bleibt abzuwarten und wird von mir bezweifelt. Das ist für die praktische Handhabung aber letztendlich völlig uninteressant. Bis zur höchstrichterlichen Klärung der strittigen Rechtsfrage wird ein vernünftiger Vermieter innerhalb der Sechsmonatsfrist Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Betriebspflicht einklagen und kein unkalkulierbares Risiko eingehen.

Mietgegenstand war eine Gaststätte. Der Vermieter war vertraglich zum Betrieb der Gaststätte verpflichtet. Diese stand in den Jahren 2009, 2010 und bis zum Mietende am 31.03.2011 leer. Eine Nachvermietung erfolgte zu einer um EUR 2.100,00 niedrigeren Monatsmiete. Der Vermieter klagt Schadensersatzansprüche über EUR 25.200,00 (Mietdifferenz von monatlich EUR 2.100,00 für ein Jahr) mit der Begründung ein, durch den Leerstand sei die Stammkundschaft verloren gegangen und deshalb sei eine Nachvermietung nur mit einem deutlich reduzierten Mietzins möglich gewesen. Der Mieter schulde wegen Pflichtverletzung Schadensersatz.

Der Vermieter erhebt erst im Oktober 2011 Klage. Das Oberlandesgericht Frankfurt entscheidet, dass Ansprüche verjährt seien, da diese der kurzen sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 548 BGB unterliegen.

  • 548 BGB lautet:

Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts.

(1) Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Mit der Verjährung des Anspruchs des Vermieters auf Rückgabe der Mietsache verjähren auch seine Ersatzansprüche.

(2) Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses.

Das Oberlandesgericht Frankfurt meint, die kurze Verjährung aus § 548 Abs. 1 S. 1 BGB gelte auch für Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Verletzung der Betriebspflicht. Bei § 548 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB spiele die Art der verletzten Pflicht des Mieters (Obhutspflicht, Unterlassung der Mängelanzeige, vertragswidrige Wegnahme einer Einrichtung) keine Rolle, sofern nur die Folge der Pflichtverletzung eine Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache ist. Der monatelange Leerstand einer Gaststätte ist nun ein Faktor, der die Mietsache selbst nicht unmittelbar nachteilig verändert. Andererseits wirkt sich ein solcher Leerstand aber unzweifelhaft negativ auf den Wert der Gaststätte aus. Ob eine Verschlechterung der Mietsache im Sinne von § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann vorliegt, wenn eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache gegeben ist, oder ob die – indirekte – negative Beeinträchtigung des Verkehrswertes der Mietsache ausreicht, ist streitig. Einer Auffassung nach soll § 548 Abs. 1 S. 1 BGB nur solche Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung und Verschlechterung der Mietsache erfassen, die auf einer Substanzbeeinträchtigung der Mietsache beruhen (so Lützenkirchen, Mietrecht, § 548 Rn. 88 und Lindner-Figura u. a., Geschäftsraummiete, Kap. 17 Rn. 6 ff.). Die Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Betriebspflicht im vorliegenden Fall würden hiernach gemäß § 195 BGB in drei Jahren verjähren, weil der Leerstand die Substanz der Gaststätte nicht berührt. Anderer Auffassung nach sollen Ersatzansprüche wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache auch dann gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BGB in sechs Monaten ab Rückgabe der Mietsache verjähren, wenn der vertragswidrige Gebrauch die Mietsache selbst nicht verändert hat, aber deren Verkehrswert negativ beeinflusst. Wertungsmäßig mache es keinen Unterschied, ob die (vorübergehende) Verkehrswertbeeinflussung auf einem substanzverändernden oder einem sonstigen vertragswidrigen Gebrauch beruhen (so Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 548 Rn. 16). So soll ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schädigung des Geschäftswerts (good will) eines verpachteten Unternehmens durch pflichtwidrige oder vertragswidrige Einstellung des Geschäftsbetriebs der kurzen Verjährung unterliegen (so Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. VI Rn. 24; Emmerich/Sonnenschein, Miete, § 548 Rn. 3).

Das Oberlandesgericht Frankfurt schließt sich der Auffassung an, nach der auch der Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen einer Verletzung der Betriebspflicht durch den Mieter der kurzen Verjährung nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB unterfällt. Nach dem Wortlaut des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB gilt die kurze Verjährung für Ersatzansprüche des Vermieters wegen Verschlechterungen der Mietsache. Die negative Beeinträchtigung des Verkehrswerts durch Nichtbetrieb einer Gaststätte ist eine Verschlechterung der Mietsache. Dass eine Substanzbeeinträchtigung der Mietsache vorliegen muss, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Der Zweck des § 548 BGB besteht nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt darin, zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine möglichst schnelle Klarstellung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen. Hinzu kommt, dass der Zustand der Mietsache bei Vertragsende schon kurze Zeit nach ihrer Rückgabe an den Vermieter erfahrungsgemäß nicht mehr verlässlich festzustellen ist. Dies rechtfertigt eine weite Auslegung der Vorschrift. Die gleiche Interessenlage besteht nach Auffassung des Oberlandesgerichts ohne weiteres auch bei Schadensersatzansprüchen des Vermieters wegen der Verletzung der Betriebspflicht durch den Mieter.

Da der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht entschieden hat, lässt das Oberlandesgericht Frankfurt die Revision zu. Lassen wir uns überraschend, wie der Bundesgerichtshof die Sache sieht. Meiner persönlichen Auffassung nach besteht kein praktisches Bedürfnis, die kurze sechsmonatige Verjährungsfrist auf Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der vertraglich vereinbarten Betriebspflicht anzuwenden.