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KG Berlin, Beschluss vom 17.11.2014 – 8 U 114/14 – “Einstweilige Verfügung bei Verletzung der Betriebspflicht


Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 17.11.2014 einen in der Praxis nicht selten vorkommenden Sachverhalt zu beurteilen gehabt und hierbei interessante Ausführungen zur Erzwingung einer vertraglich geschuldeten Betriebspflicht im Wege einstweiliger Verfügung gemacht.

Zwischen den Parteien war ein Mietvertrag mit einer Laufzeit von fünf Jahren vereinbart. Mit Schreiben vom 18.09.2013 kündigt der Mieter das Mietverhältnis zum 31.03.2014 mit der Begründung, die gesetzliche Schriftform sei nicht gewahrt mit der Folge, dass der Vertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 550 BGB) und somit ordentlich kündbar ist. Seit 29.11.2013 führte der Mieter einen Räumungsverkauf durch. Der Vermieter fordert den Mieter zur Erfüllung der Betriebspflicht auf. Daraufhin erklärt der Mieter, dass er an der Schließung zum Januar 2014 festhalte. Aus diesem Grunde beantragt der Vermieter den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Erfüllung der Betriebspflicht.

Der Mieter und auch das in erster Instanz entscheidende Landgericht Berlin waren der Meinung, der Mietvertrag leide an einem Schriftformmangel, weil sich der Mietgegenstand nicht aus dem Mietvertrag ergebe. Im Mietvertrag wurde auf einen beigefügten Plan Bezug genommen, in dem die Mietsache farblich eingezeichnet war, ohne dass in den Zeichnungen ein Maßstab angegeben wurde. Es fehlten auch Angaben dazu, an wen die übrigen Räume vermietet sind.

Das Kammergericht entscheidet, dass die gesetzliche Schriftform gewahrt ist. Der Maßstab und die Angabe, an wen die übrigen Räume vermietet sind, seien im entschiedenen Fall nicht erforderlich, um den Mietgegenstand hinreichend zu bezeichnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bestimmungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss. Diesen Anforderungen genügte der streitgegenständliche Mietvertrag nach Auffassung des Kammergerichts. Einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, wäre es ohne weiteres möglich gewesen, anhand des Mietvertrages und seiner Anlagen festzustellen, welcher Raum an die Verfügungsbeklagte vermietet worden ist.

Im formularmäßigen Mietvertrag war geregelt, dass der Mieter sein Geschäftslokal mindestens während der ihm vom Vermieter mitgeteilten Kernöffnungszeiten an allen gesetzlich zulässigen Verkaufstagen durchgehend offen zu halten hat. Der Vermieter war berechtigt, die allgemeinen Betriebszeiten des Objektes und die Kernöffnungszeiten für die Ladenlokale für alle Mieter verbindlich festzulegen oder zu ändern. Diese Regelung ist nach Meinung des Kammergerichts rechtlich nicht zu beanstanden und insbesondere hinreichend transparent. Das Kammergericht hatte auch keine Bedenken, weil Konkurrenzschutz und Sortimentsschutz ausgeschlossen wurde. Das Kammergericht schließt sich der herrschenden Meinung an, dass die Vereinbarung einer Betriebspflicht mit einem gleichzeitigen Ausschluss jeglichen Konkurrenzschutzes zulässig und wirksam ist. Auch die im Mietvertrag enthaltene Regelung, wonach stunden- oder tageweise Schließungen (Mittagspause, Ruhetage, Betriebsferien) nur mit schriftlicher Genehmigung des Vermieters, z.B. für Inventuren zulässig sind, steht der Wirksamkeit der vereinbarten Betriebspflicht nicht entgegen. Zum einen dürfte das Verbot zeitweiser Schließungen nach Meinung des Kammergerichts wirksam sein, da hier stunden- oder tageweise Schließungen jedenfalls mit Zustimmung des Vermieters zulässig sind. Zum anderen hätte eine etwaige Unwirksamkeit dieses Verbotes der zeitweisen Schließung nicht die Unwirksamkeit der übrigen Regelungen zur Betriebspflicht zur Folge.

Das Kammergericht nimmt ferner an, dass der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund zunächst bestanden hat. Der Mieter hat durch sein Verhalten, nämlich die Durchführung eines Räumungsverkaufs seit dem 29.11.2013 und die Mitteilung, an der Schließung zum Januar 2014 festzuhalten, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Geschäftsbetrieb spätestens Ende Januar 2014 einstellen will. Der Vermieter hat auch glaubhaft gemacht, dass er Verhandlungen mit einem neuen potentiellen Ankermieter für das Obergeschoss des Einkaufszentrums führt und dass die Verhandlungen durch einen teilweisen Leerstand des Obergeschosses gefährdet werden könnten. Demnach war der Antrag des Vermieters auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zunächst begründet.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren erster Instanz vor dem Landgericht Berlin hatte der Mieter aber schriftsätzlich Folgendes vorgetragen:

Abschließend ist auszuführen, dass die streitgegenständliche Filiale der Antragsgegnerin zu keiner Zeit geschlossen wurde. Aus wirtschaftlichen Gründen hat sich die Antragsgegnerin dazu entschlossen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Betriebspflicht sowie Wirksamkeit der Kündigung zum 31.03.2014 die Filiale vorerst weiter zu betreiben. Diese wurde zu keiner Zeit geschlossen. Auch wird sie derzeit betrieben, so dass es an der Eilbedürftigkeit fehlt.

Hierdurch ist der Verfügungsgrund entfallen. Eine Dringlichkeit war nicht mehr gegeben. Gleichwohl hat der Vermieter den Rechtsstreit erst im zweiten Rechtszug nach einem entsprechenden Hinweis des Kammergerichts in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dies hatte zur Folge, dass der Vermieter die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hatte. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wurden dem Mieter auferlegt.