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BGH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII ZR 281/13 – “Kündigung nach verweigerter Duldung der Instandhaltung/Modernisierung


Die Klägerin ist Vermieterin und verlangt vom Beklagten die Räumung und Herausgabe einer in Berlin gelegenen Wohnung. 2010 hat die Klägerin einen ausgedehnten Befall von Hausschwamm im Dachstuhl und an den Balken der Wohnungsdecke festgestellt. Die beklagten Mieter zogen im November 2010 daher in ein Hotel um der Klägerin die Notmaßnahmen zu ermöglichen. Nach Beendigung erhielten die Beklagten die Wohnung sodann zurück. Im April 2011 kündigte die Vermieterin weitere Arbeiten zur Hausschwammbeseitigung an und verlangte erneut Zutritt zur Wohnung. Die Mieter machten die Gewährung des Zutritts unter anderem von der Erstattung von entstandenen Hotelkosten und Zusagen zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes der Mietsache abhängig. Die Klägerin kündigte unter dem 30.06.2011 das Mietverhältnis daher außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich mit der Begründung, trotz mehrfacher Aufforderung würden die Beklagten keinen Zutritt zur Wohnung gewähren und hätten die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten verweigert.

Im August 2011 wurde sodann eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt erlassen, dass die beklagten Mieter den Zutritt zwecks Durchführung weiterer Instandsetzungsarbeiten zu dulden hätten. Es wurde Widerspruch eingelegt und der Zutritt zunächst verweigert. Auch am 21.09.2011 wiederholte die Klägerin ihren Anspruch gegen die Beklagten, die Arbeiten zu dulden. Die einstweilige Verfügung wurde aufrechterhalten, so dass die Beklagten sodann Zutritt zur Wohnung gewährt hatten. Mit Schriftsatz vom 21.11.2011 wurde die fristlose außerordentliche Kündigung wiederholt und zusätzlich darauf gestützt, dass die Beklagten auch Zutritt zu einem zu der Wohnung vermieteten Kellerraum verweigert haben.

Der Bundesgerichtshof widerspricht der Ansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Kündigungen unwirksam seien, weil ein schuldhafter Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten aufgrund von plausiblen Einwendungen der Beklagte nicht vorliegen würden und die klagende Vermieterin auf eine vorrangige Duldungsklage zu verweisen sei. Denn eine Kündigung des Vermieters wegen Verletzung vertraglicher Duldungspflichten kommt nicht nur erst dann in Betracht, wenn der Mieter gegen (rechtskräftig) titulierte Duldungspflichten verstößt. Auch ist die Ansicht des Berufungsgerichtes falsch, dass der Mieter bereits dann schuldlos handelt, wenn er plausibel erscheinende Einwendungen erhebt.

Der Vermieterin kann die Fortsetzung des Mietverhältnisses auch schon vor Erhebung einer Duldungsklage und Erwirkung eines Titels unzumutbar sein, wenn der Mieter die Verpflichtungen zur Duldung der Instandhaltung oder Modernisierung verletzt. Auch die eine ordentliche Kündigung rechtfertigende erhebliche Vertragsverletzung setzt bei einem Verstoß gegen Duldungspflichten nicht generell voraus, dass der Vermieter zunächst über einen rechtskräftigen Duldungstitel verfügen muss. Denn eine derartige Sichtweise findet im Gesetz keinerlei Berechtigung. Für die Verletzung von Duldungspflichten gibt es keine besonderen Regelungen im Gesetz. Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sind für die Erhaltung des Mietobjektes und des wirtschaftlichen Wertes von wesentlicher Bedeutung, so dass der Vermieter ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der alsbaldigen Durchführung haben kann. Das Berufungsgericht legt daher einen falschen Maßstab an und befähigt den Mieter, die Durchführung der Maßnahmen auf einen unabsehbaren Zeitraum hinauszuschieben ohne das Risiko einer Kündigung tragen zu müssen. Auch würde der Mieter mit der vom Berufungsgericht vertretenen Sichtweise geradezu angeleitet, sich gegen eine Duldungsverpflichtung zunächst zur Wehr zu setzen.

Ob die Pflichtverletzung des Schuldners (hier des Mieters) schuldhaft geschieht, beurteilt sich an den strengen Maßstäben, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an einen unverschuldeten Rechtsirrtum stellt. Dies bedeutet, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst trägt. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum kommt daher nur ausnahmsweise in Betracht. Der Schuldner trägt dann das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage und darf es dem Gläubiger nicht zuschieben. Daher handelt ein Schuldner zumindest fahrlässig und hat deshalb eine Nichtleistung zu vertreten, wenn sich später herausstellt, dass dieser zu einer Leistung verpflichtet ist. Die reine Plausibilität von Einwendungen schließt daher ein Verschulden nicht aus.

Der Rechtsstreit ist an eine andere Kammer des Berufungsgerichtes zurückverwiesen worden, da dieser noch nicht zur Entscheidung reif war. Der Bundesgerichtshof hat aber die strittige Frage geklärt, ob eine Kündigung auch dann in Betracht kommt, wenn die Duldungspflicht noch nicht rechtskräftig tituliert ist. Dies wird bejaht. Denn den Vorrang einer Duldungsklage kennt das Gesetz nicht.