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Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.07.2024 – V ZR 139/23 – „Kostenbelastung trotz Obsiegens im Rechtsstreit“
Grundsätzlich hat der Unterlegene die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen. Im Wohnungseigentumsrecht gibt es Modifikationen, die dennoch zur Kostenbelastung der obsiegenden Partei führen, wie der Bundesgerichtshof am 19.07.2024 entschieden hat.
Die klagenden Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft haben im Jahr 2021 in einem Vorprozess erfolgreich einen Beschluss angefochten. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. In der Gemeinschaftsordnung ist festgelegt, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden.
Im April 2022 beschlossen die Eigentümer die Kosten des Vorprozesses durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollte pro Wohnungseigentumseinheit ein Betrag in Höhe von Euro 799,21 bezahlt werden, mithin auch durch die Kläger. Gegen diesen Sonderumlagebeschluss wenden sich die Kläger mit einer Anfechtungsklage. Der Bundesgerichtshof weist die Klage ab. Denn der Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel sind die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfechtungskläger umzulegen. § 16 Abs. 2 S. 1 WEG regelt, dass die Kosten der Verwaltung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu verteilen sind. Der Bundesgerichtshof hat demnach die umstrittene Frage bejaht, dass die Prozesskosten, die in Beschlussanfechtungsverfahren der unterliegenden Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt werden auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen sind.
Prozesskosten sind demnach Verwaltungskosten Sinne von § 16 Abs. 2 S. 1 WEG. Eine einschränkende Auslegung lehnt der Bundesgerichtshof ab. Zwar ist nach Ansicht des BGH nicht von der Hand zu weisen, dass aufgrund dieser Kostenfolge insbesondere in kleinen Gemeinschaften potenzielle Beschlusskläger von einer Klage abgehalten werden können. Es fehlt aber an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber wollte regeln, dass auch die Kosten dem obsiegenden Beschlusskläger auferlegt werden. Auch die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten zu tragen hat, hat keinen Einfluss auf den Umlageschlüssel nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG, so der BGH. Offengelassen hat der Bundesgerichtshof, ob die im Rahmen einer Sonderumlage mit Kosten belasteten Kläger materiellrechtliche Ansprüche gegen die anderen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft haben, die möglicherweise die Beschlussanfechtungsklage veranlasst haben. Denn solche Ansprüche sind im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage nicht zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass der Beschluss nicht etwa wegen eines Ermessensausfalls ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht. Zwar gibt es nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG die Möglichkeit, für einzelne Kosten eine vom gesetzlichen oder vereinbarten Verteilerschlüssel abweichende Verteilung zu beschließen. Eine derartige Entscheidung bedarf aber einer gesonderten Beschlussfassung vor Erhebung der Sonderumlage. Solange das nicht erfolgt ist, entspricht es ordnungsgemäßer Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden. Das Ermessen für die Anwendung eines anderen Kostenverteilungsschlüssels stand demnach bei der Beschlussfassung über die Sonderumlage den Wohnungseigentümern nicht zu.
Der Bundesgerichtshof hat zudem zusätzlich entschieden, dass der Beschluss auch nicht deswegen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, weil den Wohnungseigentümern möglicherweise nicht bewusst war, dass sie vorab einen anderen Kostenverteilerschlüssel hätten beschließen können. Denn Wohnungseigentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen, sie sind demnach nicht gehalten vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.
Der Bundesgerichtshof entscheidet die umstrittene Rechtsfrage nach formalen Gesichtspunkten, was die Rechtsanwendung vereinfacht. Die als ungerecht empfundene Kostenbelastung von obsiegenden Klägern kann demnach entweder der Gesetzgeber ändern oder die Eigentümer durch einen abweichenden Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG. Dabei ist nicht zu verhehlen, dass diese Beschlussfassung in den meisten Fällen nicht ohne weitere Beschlussklagen und damit Kosten zustande kommen wird, nachdem die obsiegenden Kläger in den meisten Fällen die Minderheit darstellen.