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OLG Stuttgart, Urteil vom 11.04.2024 – 2 U 176/22 – „Kollision mit einem ausschwenkenden Lkw-Anhänger“
Durch das Oberlandesgericht Stuttgart war in einem Urteil vom 11.04.2024 – 2 U 176/22 (NJW 2024, 2404) über die Haftung aufgrund eines Unfalles zwischen einem Pkw und einem Lang-Lkw, während des Abbiegens des Lkws nach rechts, zu entscheiden.
Der Pkw-Fahrer hat wegen des entstandenen Schadens seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen, diese hat gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Lkw einen Regressanspruch auf Grundlage einer Haftungsquote von 75 % geltend gemacht. Außergerichtlich wurde auf Grundlage eines Haftungsanteils von 1/3 reguliert. In 1. Instanz wurde die außergerichtlich bereits der Regulierung zugrunde gelegte Quote von 1/3 aus Sicht des Pkw-Fahrers bestätigt. Im Berufungsverfahren ist seitens des OLG Stuttgart auf Grundlage der maßgeblichen Umstände die Haftungsquote anders beurteilt worden, mit einem Anspruch im Umfang von 3/4 zugunsten des Pkw-Fahrers bzw. dessen Versicherer im Regress.
Maßgebliche Begründung war eine massive Erhöhung der Betriebsgefahr auf Seiten des Lkw. Im gerichtlich beauftragten Gutachten wurde festgestellt, dass der Auflieger des Lkw im vorderen Bereich um ca. 1 m nach links ausschwenkt, der Fahrer des Lkw hat angegeben, die Problematik sei ihm bekannt. Insbesondere wurde jedoch durch den Sachverständigen im Verfahren festgestellt, dass der Lkw-Fahrer keine Möglichkeit hat, den Verkehrsraum links, im Gefahrenbereich, wahrzunehmen, eine mögliche Gefährdung dortiger Verkehrsteilnehmer.
Demgegenüber wurden aus Sicht des OLG Stuttgart die Anforderungen gegenüber dem Pkw-Fahrer im Urteil 1. Instanz massiv überspannt, da die Erkenntnisse des gerichtlichen Sachverständigen über das Ausschwenken des Aufliegers während des Abbiegevorgangs als „bekannt“ vorausgesetzt wurden. Aus Sicht des OLG Stuttgart war in Bezug auf den Fahrer des Pkw nur die einfache Betriebsgefahr und ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in der Bewertung der Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen und dies gegenüber der durch den Lkw ausgehenden Gefahr mit lediglich 1/4 als eigener Haftungsanteil zu beurteilen.