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BGH, Urteil vom 10.02.2021 – XII ZR 26/20 – “Heilung eines Schriftformmangels durch einen Mietvertragsnachtrag“


Mit Urteil vom 10.02.2021 – XII ZR 26/20 – hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt, dass Schriftformmängel durch einen Mietvertragsnachtrag geheilt werden können. Für die Einhaltung der Schriftform des § 550 BGB ist es nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde – der Mietvertrag – selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (im Anschluss an BGH NZM 2020, 1111).

Gegenstand des Mietvertrages war die Überlassung einer Teilfläche des vom Vermieter seinerseits gemieteten Ladenlokals zum Zwecke der Installation eines Geldautomaten gegen eine monatliche Miete von EUR 570,00 zuzüglich Umsatzsteuer. Das Vertragsformular enthält auf der Vorderseite unter anderem Angaben zum Standort des Ladenlokals, zu den Vertragsparteien und zur Höhe der Miete und ist abschließend von beiden Vertragsparteien unterschrieben. Auf der von den Mietvertragsparteien nicht unterzeichneten Rückseite des Vertragsformulars wird die für das Aufstellen des Geldautomaten vorgesehene Mietfläche beschrieben. Des Weiteren befindet sich auf der Rückseite des Vertragsformulars die Vereinbarung, dass das Mietverhältnis fünf Jahre dauern soll. Später unterzeichneten die Vertragsparteien eine Anlage, die mit „Anlage 1 zum Mietvertrag zwischen S … und N. D. GmbH. Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags“ überschrieben ist und eine Fotomontage zeigt, bei der der geplante von außen bedienbare Geldautomat in einer Ansicht der Hausfassade eingefügt ist.

Der Vermieter kündigte den Mietvertrag ordentlich mit der Begründung, es liege ein Schriftformmangel mit der Folge vor, dass das Mietverhältnis nach § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt und deshalb ordentlich, allerdings frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache, gekündigt werden kann. Während das Oberlandesgericht Koblenz noch annahm, der Mietvertrag leide an einem Schriftformmangel und der Räumungsklage stattgab, war der Bundesgerichtshof anderer Auffassung. Er führt aus, dass zwar der ursprünglichen Mietvertrag an einem Schriftformmangel litt, der aber durch die später unterzeichnete Anlage zum Mietvertrag geheilt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere den Mietgegenstand, die Miete, die Vertragsdauer und die Parteien des Mietverhältnisses – aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist (BGH NJW 2015, 2648 Rn. 42). Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, sodass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser „verstreuten“ Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen. Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (BGH NJW 2020, 1507 Rn. 19). Zur Schriftform gehört zudem, dass die Urkunde gemäß § 126 Abs. 1 und 2 BGB von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird die beiderseitigen Unterschriften den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen, also unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die urkundliche Erklärung vollenden (BGH NZM 2020, 1111 Rn. 19).

Allerdings ist es für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Vielmehr genügt es, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden. Dabei kann es nach den Umständen des jeweiligen Falles auch genügen, wenn lediglich eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird, vorausgesetzt, dass hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sich die Anlage bezieht. Eine körperliche Verbindung der Anlage mit dem in Bezug genommenen Vertrag ist dabei nicht erforderlich. Wie bei einer Nachtragsvereinbarung genügt es zur Einhaltung der Schriftform, dass zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden. Ausreichend ist daher, dass die Anlage die Mietvertragsparteien bezeichnet, hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ersichtlich ist, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags verbleiben soll (BGH NZM 2020, 1111 Rn. 20). Auf dieser rechtlichen Grundlage wahrt der Vertrag im vorliegenden Fall die Schriftform nach § 550 S. 1 BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB. Richtig ist zwar, dass die eigentliche Vertragsurkunde dem Schriftformerfordernis nicht genügt. Diese ist von den Mietvertragsparteien lediglich auf der Vorderseite unterzeichnet worden. Diese Unterschriften schließen damit nicht den vollständigen Vertragsinhalt ab, der auch die auf der Rückseite des Vertrags enthaltenen Vereinbarungen umfasst. Die unterschriebene Vorderseite des Vertrags enthält auch keinen ausreichenden Verweis auf die auf der Rückseite enthaltenen Regelungen. Dieser Schriftformmangel wurde aber durch die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage 1 geheilt. Diese Anlage nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, in dem in der Überschrift der Anlage 1 der streitgegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt werden. Durch diese Bezugnahme werden die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage 1 zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergibt. Bilden somit die Anlage 1 und die gesamte ursprüngliche Vertragsurkunde den Mietvertrag, decken die Unterschriften der beiden Mietvertragsparteien auf der Anlage 1 den gesamten Vertragsinhalt und schließen den Vertragstext räumlich ab, sodass die Schriftform nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB gewahrt ist (BGH NZM 2020, 1111 Rn. 23). Zwar ist es zur Einhaltung der Schriftform auch erforderlich, dass der Mietgegenstand im Mietvertrag individuell bestimmt oder zumindest bestimmbar sein muss. Aber auch diese Anforderungen sah der Bundesgerichtshof als erfüllt an, weil sich aus der Fotomontage in der Anlage 1 eindeutig ergab, an welcher Stelle und mit welchen Abmessungen der Geldautomat in dem Ladenlokal des Vermieters platziert werden sollte.