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KG, Urteil vom 06.11.2023 – 8 U 10/23 – „Gesetzliche Schriftform nach § 550 S. 1 BGB“


Die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nach § 550 S. 1 BGB bei Mietverträgen mit einer längeren Dauer als einem Jahr ist von größter Bedeutung. Wird nämlich bei Abschluss eines Mietvertrags oder eines Mietvertragsnachtrags die Schriftform nicht gewahrt, gilt der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen und er ist ordentlich kündbar, frühestens allerdings zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Mietsache. In der Praxis wird sehr häufig über die Einhaltung der Schriftform gestritten, wenn sich eine Mietvertragspartei aus welchen Gründen auch immer aus dem lästig gewordenen langjährigen Mietvertrag verabschieden will.

Eine interessante Sachverhaltsvariante hatte das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 06.11.2023 – 8 U 10/23 – im Rahmen einer Räumungsklage zu entscheiden, nachdem der Vermieter das Mietverhältnis wegen eines angeblichen Schriftformmangels gekündigt hatte. Der ursprüngliche Mietvertrag wahrte zunächst nicht die gesetzliche Schriftform, weil die Mietsache nicht hinreichend bestimmt im Mietvertrag beschrieben war. Der Mieter hatte Räume für einen Pensionsbetrieb gemietet. Die Mietsache erstreckte sich aber nicht auf alle Gewerbeflächen im Erdgeschoss des Hauses. Aus dem Mietvertrag ging nicht bestimmbar hervor, um welche Räume es sich genau handelt. Deshalb war die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt. Nach der Übergabe der Räume wurde jedoch ein Nachtrag geschlossen, also zu einem Zeitpunkt, als der Mieter den Mietgegenstand bereits nutzte. Das Kammergericht legt dar, dass der Mietgegenstand in der Regel hinreichend bestimmbar bezeichnet ist, wenn der Mieter diesen bei Vertragsabschluss oder bei Abschluss eines Nachtrags bereits nutzt, weil dann der Umfang der bisherigen Nutzung zur Auslegung herangezogen werden kann (BGH NJW-RR 2021, 266). Somit wurde mit Abschluss des Mietvertragsnachtrags der Schriftformmangel des ursprünglichen Mietvertrages geheilt.

Der Vermieter hatte weiter geltend gemacht, ein Schriftformmangel liege deshalb vor, weil der Mieter bauliche Änderungen vornahm, nämlich den Durchbruch zwischen Imbiss und Frühstücksraum, den Einbau von Bädern und die Errichtung einer Trennwand, ohne dass insoweit ein die Schriftform wahrender Mietvertragsnachtrag geschlossen worden sei. Im Mietvertrag war allerdings geregelt, dass bauliche Veränderungen der Mietsache durch den Mieter der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen. Diese schriftliche Zustimmung lag bei den genannten Baumaßnahmen vor. Der Vermieter meint, dies genüge jedoch zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform nicht, insoweit hätte es eines Mietvertragsnachtrags bedurft.

Das Kammergericht führt aus, dass die Schriftform grundsätzlich nur dann gewahrt ist, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Für Vertragsänderungen gilt nichts anderes als für den Ursprungsvertrag. Sie müssen daher ebenfalls der Schriftform des § 550 BGB genügen, es sei denn, dass es sich um unwesentliche Änderungen handelt (BGH NJW 2016, 311). Treffen die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und wer die Kosten zu tragen hat, so liegt die Annahme nicht fern, dass diese Abreden vertragswesentliche Bedeutung haben und daher der Schriftform unterliegen. Somit hatten die baulichen Änderungen vertragswesentliche Bedeutung. Ohne die Regelung im Mietvertrag, dass bauliche Veränderungen der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen, hätte es also eines die Schriftform wahrenden Mietvertragsnachtrags bedurft. Der Mietvertrag sah nun aber ausdrücklich vor, dass Baumaßnahmen des Mieters mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters zulässig sind. Daraus folgt, dass eine Nachtragsvereinbarung gerade nicht erforderlich war. Es geht demnach um eine einseitige Genehmigung für ein Umbaurecht des Mieters und nicht um eine zugunsten und zulasten beider Parteien getroffene Regelung zu Umbaumaßnahmen, die nur durch eine zweiseitige Vereinbarung geändert werden kann. Vertraglich vorgesehene einseitige Erklärungen – etwa eine Optionsausübung zur Verlängerung der Vertragslaufzeit (BGH NJW 2013, 3361), eine einseitige Anpassung von Nebenkostenvorauszahlungen (BGH NJW 2014, 1300) oder eine einseitige Erhöhung der Nettomiete (BGH NZM 2018, 515) unterliegen nicht § 550 BGB. Dazu heißt es in der Entscheidung BGH NZM 2018, 515, „dass § 550 BGB nicht eingreift, wenn einer Partei im Mietvertrag bereits die Möglichkeit eingeräumt ist, durch einseitige Willenserklärung eine Vertragsänderung herbeizuführen, und sie dann von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. In diesem Fall muss sich allein die ursprüngliche vertragliche Bestimmung am Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB messen lassen, wohingegen die Ausübung des Anpassungsrechts nicht laufzeitschädlich im Sinne des § 550 BGB sein kann.“ Entsprechend verhält es sich nach Auffassung des Kammergerichts dann, wenn im Mietvertrag vereinbart wird, dass bauliche Veränderungen der Mietsache mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters zulässig sind. Indem der Mietvertrag bauliche Veränderungen durch den Mieter von der schriftlichen Zustimmung des Vermieters abhängig machen, schaffen sie die Grundlage, dass eine Berechtigung des Mieters zu Baumaßnahmen durch einseitige Erklärung des Vermieters begründet werden kann. Damit sei eine schriftliche Nachtragsvereinbarung ebenso entbehrlich wie in den vom BGH entschiedenen Konstellationen, in denen einer Partei im Mietvertrag ein einseitiges Gestaltungsrecht zur Vertragsverlängerung oder zur Erhöhung von Nettomiete oder Nebenkostenvorauszahlungen eingeräumt wurde.