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OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2016 – 24 U 143/15– “Fristlose Kündigung bei Rattenbefall; wirksamer Aufrechnungsausschluss auch nach Mietende


Mit Urteil vom 12.04.2016 befasst sich das Oberlandesgericht Düsseldorf – 24 U 153/15 – mit der Frage, ob Rattenbefall die fristlose Kündigung eines langjährigen Gewerberaummietverhältnisses rechtfertigt. Ferner behandelt die Entscheidung die Wirksamkeit eines mietvertraglichen Aufrechnungsausschlusses auch nach Mietende und Räumung.

Die Parteien schließen am 17.06.1999 einen bis 30.06.2014 befristeten gewerblichen Mietvertrag. Mit Schreiben vom 23.07.2012 erklärt der Mieter die außerordentliche Kündigung des Mietvertrags zum 31.12.2012. Nach Räumung und Herausgabe sowie Ablauf der Miet-zeit klagt der Vermieter rückständige Mieten für die Zeit ab Januar 2013 ein. Der Mieter beruft sich auf die Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.12.2012 und rechnet hilfsweise gegen Zahlungsansprüche des Vermieters mit Ansprüchen auf Erstattung von Aufwendungen auf, die der Mieter aufgrund Arbeiten und Leistungen im Zusammenhang mit dem Rattenbefall hatte (z.B. Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit dem Ausräumen des Küchenlagers und Lohnkosten für Arbeiten, die mit dem Rattenbefall in Verbindung stehen). Der Vermieter bestreitet diese angefallenen Kosten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam war. Der Mieter hatte diese damit begründet, dem Vermieter sei es nicht gelungen, die Ratten aus dem Gebäude zu beseitigen und seine Mitarbeiter würden sich wegen gesundheitlicher Gefahren weigern, im Lager und in der Küche zu arbeiten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verneint eine wirksame außerordentliche Kündigung im Sinne von § 543 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB, weil es jedenfalls an der gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Abhilfe fehlt. Besteht der wichtige Grund wie hier bei dem Auftreten eines Mangels in Gestalt eines nachhaltigen akuten Rattenbefalls in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist zulässig (BGH NJW 2007, 2474). Der Mieter hatte dem Vermieter aber keine angemessene Frist zur Beseitigung des Rattenbefalls gesetzt. Auch war die Fristsetzung nicht nach Maßgabe von § 543 Abs. 3 S. 2 BGB entbehrlich. Denn die Abmahnung bzw. die Fristsetzung ist gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 BGB nur dann entbehrlich, wenn eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Nr. 1) oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist (Nr. 2). Dabei muss der Mieter die tatsächlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 S. 2 BGB darlegen und beweisen (BGH NJW 2007, 2177, 2178). Eine Fristsetzung war wie dargelegt nicht erfolgt. Es war auch nicht ersichtlich, dass eine Fristsetzung oder Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Deshalb scheiterte die außerordentliche Kündigung bereits an dieser formalen Voraussetzung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet weiter, dass der Mieter nicht berechtigt war, mit bestrittenen Gegenforderungen gegen Zahlungsansprüche des Vermieters aufzurechnen. Im formularmäßigen Mietvertrag war geregelt, dass der Mieter gegenüber Mietzinsansprüchen des Vermieters nur mit unstreitigen oder rechtskräftigen Forderungen aufrechnen darf. Dieses Aufrechnungsverbot gegenüber den Mietzinsansprüchen des Vermieters ist wirksam. Für Geschäftsraummietverträge ist insoweit anerkannt, dass ein Ausschluss der Aufrechnung zulässig ist, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handelt (BGH NJW-RR 1993, 519, 520; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 536 BGB Rn. 434 m.w.N.). Gegen die Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes nach Maßgabe von § 307 BGB bestehen keine Bedenken. Gemäß § 309 Nr. 3 BGB ist nur ein solches Aufrechnungsverbot unwirksam, welches dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis nimmt, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderung aufzurechnen. Zwar ist der Mieter kein Verbraucher, so dass er vom persönlichen Anwendungsbereich des § 309 Nr. 3 BGB ausgenommen ist. Ist die Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen jedoch schon gegenüber einem Verbraucher zulässig, kann eine derartige Einschränkung des Aufrechnungseinwandes gegenüber einem Unternehmer im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen erst recht nicht als treuwidrige unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB gewertet werden. Der für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die AGB-rechtliche Unbedenklichkeit einer entsprechenden Klausel mit Urteil vom 15.12.2010 (XII ZR 132/09) in einem Mietvertrag mit einem selbstständigen Kinderarzt nochmals ausdrücklich bestätigt. Die Aufrechnungsbeschränkung gilt auch nach Beendigung des Mietverhältnisses und Räumung des Objektes (OLG Köln, Urteil vom 15.07.2011 – 1 U 482/10). Denn der Schutzzweck des Aufrechnungsverbotes besteht darin, einseitig das Interesse des Vermieters daran zu sichern, dass dieser die laufenden Mieteinnahmen regelmäßig und ungeachtet von Einwendungen des Mieters erhält, die der Mieter auf wirkliche oder vermeintliche Gegenansprüche stützt, und ein langwieriges Prozessieren zur Durchsetzung der Mietansprüche möglichst weitgehend zu vermeiden. Das Interesse des Vermieters daran, die Mietforderungen möglichst problemlos durchsetzen zu können, endet auch nicht mit Beendigung des Mietverhältnisses. Es besteht deshalb kein Anlass, das vertraglich uneingeschränkt vereinbarte Aufrechnungsverbot abweichend von seinem Wortlaut einschränkend auszulegen. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Besserstellung des vertragsuntreuen Mieters, welcher, insbesondere wenn er am Mietverhältnis nicht festhalten möchte, bereits Monate vor Beendigung des Vertrages unter Berufung auf Gegenforderungen seine Zahlungen einstellt. Der Wirksamkeit des Aufrechnungsverbotes steht auch nicht entgegen, dass der Mieter gemäß § 11 Ziff. 2 des Mietvertrages gehalten ist, dem Vermieter die Aufrechnung einen Monat vor Fälligkeit „schriftlich“ anzuzeigen, was bei der Wohnraummiete zur Unwirksamkeit des Aufrechnungsverbotes führte (LG Konstanz, Urteil vom 19.12.2013 – 61 S 30/13). Zwar besagt § 556 b Abs. 2 S. 1 BGB, dass der Mieter entgegen einer vertraglichen Bestimmung gegen eine Mietforderung mit einer Forderung aufgrund der §§ 536 a, 539 BGB oder aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen zu viel gezahlter Miete aufrechnen oder wegen einer solchen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor der Fälligkeit der Miete in Textform angezeigt hat. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist gemäß § 556 b Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam. Doch ist § 556 b Abs. 2 BGB ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar (Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 556 b BGB Rn. 2).

Die Gegenansprüche des Mieters waren bestritten. Der Vermieter war den Forderungen substantiiert entgegengetreten. Er hat insbesondere mit Nichtwissen bestritten, dass Lohnkosten für Arbeiten angefallen seien, die mit dem Rattenbefall in Verbindung stünden. Zwar kann das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot über die in der Vertragsklausel genannten Fälle hinaus – auch im kaufmännischen Verkehr – auch dann nicht eingreifen, wenn der Gegenanspruch, mit dem die Aufrechnung erklärt wird, entscheidungsreif ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.04.2011 – 24 U 195/10; BGH, Urteil vom 15.02.1978 – VIII ZR 242/76; BGH, Urteil vom 06.04.2011, VIII ZR 31/09; OLG Naumburg, Urteil vom 23.05.2013 – 1 U 70/12; OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 600, 601; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 536 BGB Rn. 435). Dies wird damit begründet, entscheidungsreife Forderungen erwiesen sich insoweit als Unterfall der unbestrittenen Forderung. Eine Bestimmung die wie hier nur die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen vorsehe, erfasse daher sinngemäß auch entscheidungsreife Forderungen. Auch bei Entscheidungsreife seien Gegenforderungen als „unbestritten“ im Sinne der Klausel anzusehen. Doch erweist sich die Aufrechnung hier auch nicht unter dem Aspekt der Entscheidungsreife als zulässig. Denn eine Entscheidungsreife der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen besteht angesichts des Bestreitens des Vermieters gerade nicht. Das Gericht hätte also Beweis über die Gegenforderungen erheben müssen. Dies führt zur fehlenden Entscheidungsreife und damit zur Unzulässigkeit der Aufrechnung.