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BGH, Urteil vom 12.10.2016 – XII ZR 9/15– “Ankaufsrecht geht nicht auf Grundstückserwerber über


Zu den schwierigsten und kompliziertesten Normen des Mietrechts gehört die Regelung des § 566 Abs. 1 BGB, wonach Kauf nicht Miete bricht. Weit verbreitet ist das Missverständnis, dass der Erwerber eines Grundstücks in sämtliche Rechte und Pflichten eines Vertrages zwischen Vermieter und Mieter eintritt. Dass dies in dieser Allgemeinheit nicht stimmt, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12.10.2016 – XII ZR 9/15 – erneut klargestellt.

Die Stadt Dresden hatte auf dem in Dresden belegenen Grundstück „Heeresbäckerei“ Räume gemietet, die sie als Stadtarchiv nutzt. In dem Mietvertrag vereinbarten die Mietvertragsparteien zu Gunsten der Stadt Dresden ein Ankaufsrecht über das Teilgrundstück Stadtarchiv mit ca. 3.360 m². Die Vertragsparteien verpflichteten sich, nach Ausübung des Ankaufsrechts innerhalb von sechs Wochen einen entsprechenden notariellen Kaufvertrag abzuschließen. Zudem verpflichtete sich der Vermieter, das Ankaufsrecht bei Veräußerung an den jeweiligen Rechtsnachfolger weiterzugeben. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung kann die Stadt Dresden nach der Vereinbarung aus wichtigem Grund kündigen und Schadensersatzansprüche geltend machen. Die Vertragsparteien begründeten ferner zu Gunsten der Stadt Dresden im notariell beurkundeten Mietvertrag ein Ankaufsrecht an dem Grundstück in der Weise, dass durch die Ausübung des Ankaufsrechts der in der Anlage „K“ dem notariellen Mietvertrag beigefügte Kaufvertrag zu Stande komme. Auf die Bestellung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung des Ankaufsrechts wurde verzichtet. Eintragungen ins Grundbuch zu Gunsten der Stadt Dresden erfolgten nicht. Am 09.12.2003 verkaufte der ursprüngliche Vermieter das Grundstück an die Sparkasse. Dies übernahm die Verpflichtung aus den Ankaufsrechten. Schließlich veräußerte die Sparkasse das Grundstück an den jetzigen Vermieter und Kläger, der die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Stadt Dresden ihm gegenüber weder aus einer Kaufoption noch aus der Vereinbarung eines Ankaufsrechts berechtigt sei. Das Oberlandesgericht Dresden gab der Klage statt. Die Revision wurde vom Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Vereinbarung über das Ankaufsrecht nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB auf den jetzigen Grundstückseigentümer und Vermieter übergegangen ist, dieser ist also nicht in die Verpflichtungen aus den Vereinbarungen hinsichtlich des Ankaufsrechts eingetreten. Gemäß § 566 Abs. 1 BGB, der nach § 578 BGB im gewerblichen Mietrecht entsprechend gilt, tritt der Erwerber eines gewerblich vermieteten Hausgrundstücks anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter, allerdings mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden hat (BGH NJW 2012, 3032 Rn. 25 m.w.N.). Von § 566 BGB erfasst werden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nur solche Rechte und Pflichten, die als mietrechtlich zu qualifizieren sind oder die in untrennbarem Zusammenhang mit dem Mietvertrag stehen. Der Erwerber tritt deshalb nicht in Rechte und Pflichten ein, die außerhalb des Mietverhältnisses liegen, selbst wenn sie als zusätzliche Vereinbarung im Mietvertrag geregelt sind (BGH NJW 2012, 3032 Rn. 26). Für die Frage, welche Rechte und Pflichten § 566 BGB unterfallen, ist daher auf den materiellen Gehalt der jeweiligen Vertragsbestimmung abzustellen. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß als von § 566 Abs. 1 BGB erfasst angesehen das Vermieterpfandrecht (BGH NJW 2014, 3775 Rn. 23), die Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen durch den Vermieter (BGH NJW-RR 2015, 264 Rn. 41), den Anspruch des Veräußerers auf Leistung der Kaution (BGH NJW 2012, 3032 Rn. 24 ff.), eine Schiedsvereinbarung (BGH NJW 2000, 2346) und die Übernahme des Inventars durch den Verpächter (BGH NJW 1965, 2198, 2199). Als von § 566 Abs. 1 BGB nicht erfasst angesehen hat der Bundesgerichtshof dagegen den Eintritt des Erwerbers in die mietvertraglich getroffene Regelung, wonach der Mietgegenstand nach Eigenkapitalersatzregeln unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen ist (BGH NJW 2006, 1800, 1801), die Rückgabe der vom Mieter geleisteten Sicherheit (BGH NJW 1999, 1857, 1858 f.), die Einräumung eines dinglichen Dauerwohnrechts (BGH NJW 1976, 2264, 2265) und ein Belegungsrecht, das in einem Mietvertrag zu Gunsten des Arbeitgebers des Mieters begründet worden ist (BGH NJW 1967, 2258). Diese Rechtsprechung ist zwar von Teilen der Literatur kritisiert worden. Dennoch hält der Bundesgerichtshof an seiner Auffassung auch im Urteil vom 12.10.2016 fest. Er bleibt dabei, dass § 566 Abs. 1 BGB als Ausnahmeregelung restriktiv auszulegen ist. Zwar ließe der Wortlaut der Norm auch eine weite Auslegung zu. Durch § 566 Abs. 1 BGB soll der Mieter indes in erster Linie davor geschützt werden, den Mietbesitz durch Veräußerung zu verlieren. Daraus folgt, dass das Bestandsinteresse des Mieters eine Überleitung anderer als mietrechtlicher Vereinbarungen auf den Erwerber nicht erfordert. Es sollen nur der Besitz bzw. die Möglichkeit des Gebrauchs der Mietsache geschützt werden sowie die hiermit im Zusammenhang stehenden Vereinbarungen. Mit der Norm soll indes kein über diesen Schutz hinausgehender Vermögensschutz gewährt werden. Die Regelung des § 566 Abs. 1 BGB enthält eine Durchbrechung des schuldrechtlichen Grundsatzes, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen entstehen. Sie legt dem Mietverhältnis für den Fall der Veräußerung des Mietgrundstücks eine gleichsam dingliche Wirkung bei, indem sie mit dem Übergang des Eigentums am vermieteten Grundstück auf den Erwerber auch die Vermieterrechte und -pflichten auf diesen übergehen lässt. Als Ausnahmevorschrift ist sie daher eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert. Bei der Auslegung ist zudem das Eigentumsrecht des Erwerbers in den Blick zu nehmen. Dieser ist bereits durch die Einschränkung des Gebrauchsrechts belastet. Darüber ginge es noch deutlich hinaus, wenn § 566 Abs. 1 BGB auch auf andere als mietrechtliche Vereinbarungen erstreckt würde. Die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit des Eigentümers, sein Eigentum nach seiner freien Entscheidung zu nutzen, würde bei einer weiten Auslegung des § 566 Abs. 1 BGB erheblich eingeschränkt werden, ohne dass der Schutz des Mieters dies erforderte. Denn für diesen ist entscheidend, ob er das Mietverhältnis zu den gleichen Bedingungen fortsetzen kann, wie es geschlossen wurde. Es kommt demnach auf den objektiv zu bestimmenden materiellen Gehalt der jeweiligen Abrede an und nicht darauf, ob die Parteien die Vereinbarung in den Mietvertrag aufgenommen und damit zu dessen Bestandteil gemacht haben. Denn mit Letzterem könnten die ursprünglichen Mietvertragsparteien zulasten der späteren Erwerbers Verpflichtungen begründen, die durch den Mieterschutz nicht mehr gerechtfertigt werden. Gemessen hieran ist das Ankaufsrecht nicht von § 566 Abs. 1 BGB erfasst. Das Ankaufsrecht kann nämlich nicht als mietrechtlich qualifiziert werden. Vielmehr stellt es als kaufrechtliche Regelung ein aliud zur Miete dar. Unabhängig davon, ob es als aufschiebend bedingter Vorvertrag oder als bindendes Verkaufsangebot vereinbart wurde, bezweckt es nicht den Fortbestand des Mietverhältnisses, sondern soll dieses durch den Abschluss eines Kaufvertrags ersetzen. Es liegt auch kein untrennbarer Zusammenhang des Ankaufsrechts mit dem Mietvertrag vor. Dabei kommt es nicht darauf an, was die ursprünglichen Mietvertragsparteien als rechtlich untrennbar vereinbaren wollten. Vielmehr ist eine objektive Betrachtung unter Berücksichtigung des materiellen Gehalts der jeweiligen Vertragsbestimmung entscheidend (BGH NJW 2012, 3032 Rn. 27). Das Ankaufsrecht steht jedoch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Mietvertrag. Das Ankaufsrecht hat keinen unmittelbaren Bezug zum Mietverhältnis. Vielmehr schließen sich der Ankauf und das Mietverhältnis gegenseitig aus.