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BGH, Urteil vom 10.06.2015 – IV ZB 39/14 – “Frist zur Anfechtung der Anfechtungserklärung”
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.06.2015 (IV ZB 39/14) die bislang umstrittene Frage entschieden, mit welcher Frist die Anfechtungserklärung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten werden kann. Hintergrund der Entscheidung ist folgender Sachverhalt:
Nach dem Tod der Erblasserin erklärte eine von fünf Erben mit notariell beglaubigter Erklärung vom 13.11.1996, sie wolle die Erbschaft nicht annehmen. Da die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft von sechs Wochen bereits abgelaufen war, konnte die Ausschlagung zwar nicht mehr erfolgen, es besteht in einem solchen Fall aber die Möglichkeit, die durch den Fristablauf erfolgte Annahme der Erbschaft anzufechten (§ 1954 BGB). Eine solche Anfechtung ist unter anderem dann berechtigt, wenn sich eine Überschuldung des Nachlasses herausstellt, was auch im vorliegenden Fall Grund für die Anfechtung durch die Miterbin war. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 26.08.2013 focht die Miterbin ihre Anfechtungserklärung vom 13.11.1996 an und begründete dies damit, sie sei im Zeitpunkt der Ausschlagung davon ausgegangen, dass der Nachlass überschuldet sei, habe nunmehr aber erfahren, dass zum Nachlass noch ein Anteil am Nachlass einer Tante der Erblasserin gehöre.
Der Bundesgerichtshof hatte sich nunmehr mit der Frage auseinanderzusetzen, ob diese Anfechtung noch rechtzeitig erfolgt ist und insbesondere mit der Frage, welche Frist anwendbar ist. Nach § 1954 Abs. 4 BGB kann die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft innerhalb sechs Wochen angefochten werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind. Vorliegend geht es aber nicht um die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung, sondern um die Anfechtung der Anfechtungserklärung, weswegen der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass hierauf die allgemeine Anfechtungsfrist des § 121 BGB anwendbar ist. Danach muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind.
Zur Begründung der Anwendbarkeit der kürzeren Verjährungsfrist des § 121 BGB führt der Bundesgerichtshof aus, dass eine unmittelbare Anwendung von § 1954 BGB deshalb ausscheidet, weil nicht die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung, sondern die Anfechtung der Anfechtungserklärung in Rede steht und hierfür die allgemeinen Vorschriften gelten. Auch für eine entsprechende Anwendung besteht aus Sicht des Bundesgerichtshofs keine Veranlassung. Denn einem Beteiligten sei es zuzumuten, wenn seine Anfechtungserklärung auf einem Irrtum beruhe, die Anfechtung unverzüglich zu erklären um möglichst schnell Rechtssicherheit herzustellen. Daher sei es nicht sachgerecht, eine sechswöchige Überlegungsfrist einzuräumen oder die Anfechtung erst nach Ablauf von 30 Jahren auszuschließen.
Die mehr als 10 Jahre nach der Anfechtungserklärung erfolgte Anfechtung der Miterbin war damit verfristet, so dass diese nicht nachträglich noch eine Beteiligung am Nachlass geltend machen kann.