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BGH, Urteil vom 20.11.2015 – V ZR 284/14 – “Erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums


Die Gerichte beschäftigen sich immer wieder mit dem Thema der erstmaligen Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Denn oft werden die Wohnungseigentumsanlagen anders gebaut, als in den Aufteilungsplänen vorgesehen. Oft liegt die Erstellung des Gebäudes Jahrzehnte zurück. In dem vom Bundesgerichtshof am 20.11.2015 entschiedenen Fall wurde das Wohngebäude 1972 errichtet. Dabei wurde beim Bau des Kellergeschosses von der Baugenehmigung zugrunde gelegten Bauplänen abgewichen, um einen Fensterzugang für den innen liegenden Kellerraum Nr. 7 zu schaffen. Hierfür wurde die Verlegung einer Innenwand erforderlich, so dass sich der nach den Plänen 8,43 m² große Kellerraum Nr. 3 um eine Fläche von 3,94 m² verringerte. Im Jahr 1984 erfolgte dann die Aufteilung in Wohnungseigentum, wobei auf die ursprünglichen, der Baugenehmigung zugrunde liegenden Baupläne verwiesen wurde, die damit mit der Realität nicht übereinstimmten. Im Jahr 2011 erwarb der Kläger nach vorheriger Besichtigung das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 sowie den Kellerraum Nr. 3. Der Kellerraum Nr. 3 grenzt an den Kellerraum Nr. 7. Vom Aufteilungsplan nahm er erst nach Erwerb Kenntnis.

In der Versammlung vom 17.04.2013 wurde der Antrag des Klägers, den Kellerraum Nr. 3 in den aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen Grenzen herzustellen mehrheitlich abgelehnt. Hiergegen wendet er sich mit der Anfechtungsklage und verlangt festzustellen, dass die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung des Kellerraums Nr. 3 auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft und die Erteilung des Auftrags an den günstigsten Anbieter beschlossen ist.

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, da der angefochtene Negativbeschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, nachdem der Kläger die plangerechte Herstellung des Kellerraums Nr. 3 von den Beklagten verlangen kann. Der Anspruch folgt aus § 21 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 WEG. Demnach kann jeder Wohnungseigentümer von den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, dass das Gemeinschaftseigentum plangerecht erstellt wird. Denn unter der Instandsetzung ist auch die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu verstehen.

Vorliegend gibt es eine planwidrige Ausführung. Denn für die Feststellung der Planwidrigkeit ist der Aufteilungsplan und nicht die tatsächliche Bauausführung maßgeblich. Der Aufteilungsplan stellt sicher, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung getragen wird, in dem die Aufteilung, die Lage und Größe des Sondereigentums klar ersichtlich gemacht werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine Abweichung wesentlich ist oder nicht. Für die Aufteilung eines bestehenden Gebäudes gilt auch nichts anderes als bei der Errichtung von Bauwerken. Es gibt keine gesetzliche Differenzierung dahingehend.

Der Bundesgerichtshof stellt auch fest, dass der Kläger zu Recht die Mitwirkung an der erstmaligen Herstellung des Gemeinschaftseigentums von den Beklagten verlangt und nicht etwa nur von dem benachbarten Sondereigentümer des Kellerraums Nr. 7. Denn die erstmalige plangerechte Herstellung einer Wand, die 2 Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt ist unabhängig von der dinglichen Zuordnung Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Denn die erstmalige Verwirklichung der sachenrechtlichen Abgrenzung nach Maßgabe des Aufteilungsplans ist von allen Wohnungseigentümern gleichermaßen zu gewährleisten.

Der Anspruch gegen die übrigen Eigentümer auf erstmalige Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustands ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Dies wäre nur der Fall, wenn dies im Einzelfall den übrigen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten ist. Vorliegend sind nämlich keine tiefgreifenden Eingriffe in das Bauwerk erforderlich. Auch werden nicht Kosten verursacht, die unter Berücksichtigung der berechtigten Belange unverhältnismäßig wären. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, weil das Kellerabteil Nr. 3 nicht nur geringfügig verkleinert, sondern fast halbiert wurde. Treuwidrig kann des Weiteren im Einzelfall eine Verfolgung des Anspruches sein, wenn ein von der Abweichung nicht unmittelbar betroffener Eigentümer einen solchen Anspruch geltend macht, obwohl sich die eigentlich betroffenen Wohnungseigentümer diesem Anspruch widersetzen. Dies trifft vorliegend nicht zu, da der Kläger von der abweichenden Bauausführung unmittelbar betroffen ist, nachdem er auch das Sondereigentum an dem planwidrig abgetrennten Teil des Kellerraums Nr. 3 erworben hat.

Auch eine Verwirkung ist nicht eingetreten. Denn die Beklagten konnten sich nicht darauf verlassen, dass der fortwährende Widerspruch zwischen tatsächlicher Bauausführung und Grundbuchinhalt auch in der Zukunft von allen Seiten hingenommen werden würde. Sie hatten es in der Vergangenheit in der Hand gehabt, die Situation durch eine einvernehmliche Anpassung des Aufteilungsplans an die tatsächlichen Verhältnisse zu beheben.

In diesem Zusammenhang ist die so genannte Beschlussersetzung im wesentlichen begründet. Demnach konnte der Kläger die Feststellung verlangen, dass die Herstellung des Kellerraums Nr. 3 auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommen wird. Allerdings sieht der Bundesgerichtshof keinen Bedarf dafür, den Auftrag an den günstigsten Anbieter zu erteilen. Im Rahmen der Beschlussersetzung dürfen nur Maßnahmen angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist, nachdem sie in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer eingreifen. Ist wie im vorliegenden Fall nur das „Ob“ der Maßnahme umstritten und ist nichts dafür ersichtlich, dass die Wohnungseigentümer nach rechtskräftiger Klärung dem nicht nachkommen werden, genügt es in der Regel, wenn das Gericht nach § 21 Abs. 8 WEG die entscheidende Richtung vorgibt. Daran gemessen ist die Beschlussfassung über die Durchführung der Maßnahme ausreichend. Dann ist der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, den Beschluss umzusetzen, indem er Vergleichsangebote einholt, diese prüft und den Auftrag erteilt. Es ist aber nicht zwingend, dass der günstigste Anbieter gewählt wird. Es kann nämlich im Einzelfall triftige Gründe geben, einen teureren Anbieter zu beauftragen.