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BGH, Urteil vom 11.03.2015 – IV ZR 400/14 – “Erbunwürdigkeit bei versuchter Tötung des Erblassers


In bestimmten Fällen, insbesondere schweren Verfehlungen gegenüber dem Erblasser, besteht die Möglichkeit, die Erbunwürdigkeit des Erblassers durch Anfechtung des Erbschaftserwerbes geltend zu machen. Zu den Gründen für die Erbunwürdigkeit zählen dabei insbesondere die vorsätzliche und widerrechtliche Tötung oder die versuchte Tötung des Erblassers. Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 11.03.2015 (IV ZR 400/14) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Erblasserin war seit 15 Jahren an Alzheimer erkrankt und wurde seit 10 Jahren künstlich ernährt, eine verbale Kommunikation war mit ihr nicht mehr möglich. Der Ehemann der Erblasserin, der sich in depressivem Zustand befand und bereits einen Selbstmordversuch unternommen hatte, durchtrennte am 09.02.2012 mittels einer Schere den Verbindungsschlauch zur Magensonde und widersprach einer erneuten Verbindung, nachdem das Pflegepersonal seine Handlung entdeckt hatte. Dem Pflegepersonal gelang es jedoch, die Verbindung zu reparieren. Die Erblasserin verstarb einen Monat später an einer Lungenentzündung, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Tat des Ehemanns stand. Dieser wurde wegen versuchten Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Nach dem Tod klagte der Sohn der Erblasserin auf Feststellung der Erbunwürdigkeit seines Vaters.

Das OLG hat die Klage noch abgewiesen, da die Handlung des Ehemanns nicht von einer für Tötungsdelikte typischen aggressiven Motivation, sondern eher von Verzweiflung und einer empfundenen Ausweg- und Aussichtslosigkeit geprägt gewesen sei. Eine Tötung in einem minder schweren Fall sei nicht ohne weiteres geeignet, eine Erbunwürdigkeit zu begründen. Die Regelung des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei vielmehr als Regelvermutung zu verstehen, die eine Prüfung der besonderen Umstände des Einzelfalls zulasse. Dieser Argumentation ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten und hat das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur weitergehenden Entscheidung zurückverwiesen.

Begründet hat der Bundesgerichtshof dies unter anderem wie folgt: Im Streitfall lagen die Voraussetzungen einer Tötung auf Verlangen nicht vor, die es gerechtfertigt hätten, von einer Verzeihung des Erblassers im Sinne des § 2343 BGB auszugehen. Eine Tötung auf Verlangen setzt nämlich ein ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen des Getöteten voraus, was im Hinblick darauf, dass eine Kommunikation mit der Erblasserin nicht mehr möglich war, ausschied. Auch hatte die Erblasserin keine Patientenverfügung erstellt noch wurde eine Genehmigung für die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen eingeholt, weswegen auch dies nicht zu Gunsten des Ehemanns ins Feld gebracht werden konnte. Eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelungen zur Erbunwürdigkeit abhängig von den Motiven der (versuchten) Tötung kommt aus Sicht des Bundesgerichtshofs unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck nicht in Betracht. Der Senat erkennt zwar an, dass ich der Ehemann der Erblasserin in einer persönlich äußerst schwierigen Situation befand, stellt aber klar, dass ihm gleichwohl nicht das Recht zustand, einseitig die Behandlung der Erblasserin abzubrechen mit dem Ziel, ihren Tod herbeizuführen.

Der Rechtsstreit wurde an das OLG zurückverwiesen, das nunmehr prüfen muss, ob der Ehemann der Erblasserin schuldfähig war. Wird die Schuldfähigkeit bestätigt, steht aber die Erbunwürdigkeit fest und ist der Ehemann der Erblasserin als Erbe ausgeschlossen.