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Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.01.2025 – XII ZR 96/23 – „Ein Schadensersatzanspruch wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache kann bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren“


Eine sowohl für den Vermieter als auch den Mieter höchst gefährliche Vorschrift ist die Verjährungsregelung in § 548 BGB. So verjähren beispielsweise Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen in sechs Monaten nach der Beendigung des Mietverhältnisses. Kommt es zu einem Vermieterwechsel beispielsweise gemäß § 566 Abs. 1 BGB wegen Veräußerung des Grundstücks und waren die Aufwendungsersatzansprüche vor dem Vermieterwechsel entstanden, dann richten sich diese nur gegen den alten Vermieter und verjähren nach Ablauf von sechs Monaten nach Erlangung der Kenntnis von dem Vermieterwechsel. Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt nicht etwa mit dem Ende des Mietverhältnisses, sondern mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Die Verjährung kann, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.01.2025 – XII ZR 96/23 – zeigt, bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses eintreten, wenn der Vermieter die Mietsache vor dem Mietende zurückerhält.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vermietete der Vermieter mit Vertrag vom 17.06.2009 eine Halle nebst Lagerbüro und außenliegenden Stellplätzen. Mit einem Nachtrag wurden mit Wirkung ab 05.06.2012 weitere Gewerbeflächen vermietet. Vereinbart wurde, dass sich das Mietverhältnis nach dem 05.06.2013, also nach Ablauf des ersten Jahres ab Übergabe der weiteren Teilflächen, jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird. Mit Schreiben vom 10.03.2020 erklärte der Mieter die Kündigung des Mietverhältnisses zum 17.06.2020. Der Vermieter wies darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung erst zum 04.06.2021 endet. In der Folgezeit nutzte der Mieter die Mietsache bis zum 31.12.2020 weiter und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters. Mit Schreiben vom 07.01.2021 erklärte der Vermieter, dass die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. Der Vermieter forderte den Mieter im Juni 2021 auf, im Einzelnen benannten Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Nachdem dies nicht geschah verlangte der Vermieter die Zahlung von Schadensersatz und beantragte am 26.08.2021 einen Mahnbescheid, der dem Mieter am 30.08.2021 zugestellt wurde. Im Rechtsstreit beruft sich der Mieter mit Erfolg auf die Verjährungseinrede.

Gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (S. 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Rückerhalt der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu machen. Weiter ist für den Rückerhalt erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Vermieter (vorübergehend) die Möglichkeit erhält, während des (auch nur mittelbaren) Besitzes des Mieters die Mieträume besichtigen zu lassen (so BGH, Urteil vom 27.02.2019 – XII ZR 63/18 – NZM 2019, 408 Rn. 12 mwN; Guhling/Günter/Guhling Gewerberaummiete 3. Auflage § 548 BGB Rn. 21 mwN). Der Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt daneben weder die Rückgabe der Mietsache im Sinne von § 546 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2006 – XII ZR 48/03 – NZM 2006, 509 Rn. 12) noch die Beendigung des Mietverhältnisses voraus. Vielmehr ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann (vgl. BGH Urteil vom 23.10.2013 – VIII ZR 402/12 – NZM 2014, 128 Rn. 12 mwN und Guhling/Günter/Guhling Gewerberaummiete 3. Auflage § 548 BGB Rn. 22 mwN). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof ein Zurückerhalten im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB bejaht, wenn der Mieter nach Kündigung, aber vor Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter bzw. dessen Bevollmächtigten die Schlüssel zurückgibt (vgl. BGH Urteil vom 04.05.2005 – VIII ZR 93/04 – NZM 2005, 535 f.).

Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage (vgl. Guhling/Günter/Guhling Gewerberaummiete 3. Auflage § 548 BGB Rn. 22), unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt, hat der Bundesgerichtshof bislang offengelassen. Auch die Frage, ob der Mieter vor Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe der Mietsache berechtigt bzw. der Vermieter zur Rücknahme verpflichtet ist, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Der Vermieter ist allerdings nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“– zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht, ihm den Schlüssel sofort aushändigen will und diesen nach gescheiterter Übergabe in den Briefkasten des Mietobjekts (also nicht in den Briefkasten des Vermieters in dessen Wohnung!) einwirft. Diese vorgenannten Fragen entscheidet der Bundesgerichtshof auch in seiner jüngsten Entscheidung nicht, sondern er führt aus, dass es hierauf nicht ankommt, wenn wie in der streitgegenständlichen Sache aufgrund der Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass der Vermieter die Mietsache im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB tatsächlich zurückerhalten hat. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde vorliegend durch Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters in Gang gesetzt, weil dieser hierdurch die Mieträume zurückerhalten hat. Nach dem Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters ist die für einen Rückerhalt im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters im Sinne eines Übergangs des unmittelbaren Besitzes jedenfalls im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe des Mieters und der eigenen Sachherrschaft eingetreten. Dass diese Änderung dem Vermieter durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten aufgedrängt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn der Mieter hatte keinen Zugang mehr zu den Mieträumen, während der Vermieter ungehinderten Zugriff und damit die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung erhalten hatte. Die Erlangung des unmittelbaren Besitzes setzt zwar grundsätzlich einen Besitzbegründungswillen voraus. Jedoch genügt hierfür der nach außen erkennbar gewordene generelle Besitz- und Sachbeherrschungswille. Dieser ist auch bei einer aufgedrängten Sachherrschaft grundsätzlich anzunehmen, wenn der Vermieter wie in der streitgegenständlichen Sache im (alleinigen) Besitz der Schlüssel ist und diese nicht etwa an den Mieter zurückgibt. Insbesondere ist der fehlende Rücknahmewille nicht ohne weiteres dem fehlenden Besitzwillen gleichzusetzen. Denn dem Interesse des Vermieters entspricht es im Regelfall nicht, dass an der Mietsache kein unmittelbarer Besitz mehr besteht, also ein besitzloser Zustand eintritt. Aus dem Umstand, dass der Vermieter den in seinem Briefkasten eingeworfenen Schlüssel zum Mietobjekt in der Folgezeit behalten hat, kann auf dessen Besitzwillen geschlossen werden.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Vermieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verpflichtet ist, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ zurückzunehmen (vgl. BGH Urteil vom 23.10.2013 – VIII ZR 402/12 – NZM 2014, 128 Rn. 12). Denn hat der Vermieter die Mietsache tatsächlich im Sinne des § 548 Abs. 1 S. 2 BGB zurückerhalten, dann ist die Frage, ob er zur Rücknahme vor Ablauf der Mietzeit verpflichtet gewesen wäre, für den Verjährungsbeginn ohne Belang. Der genannten Entscheidung lag im Übrigen ein Fall zugrunde, in dem es aufgrund der Weigerung des Vermieters, den Hausschlüssel an der Haustür sofort in Empfang zu nehmen, zu einer Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters und mit dessen Kenntnis gerade nicht gekommen war, dieser vielmehr die Wohnungsschlüssel jeweils nicht erhalten und damit auch nicht den Besitz an der Wohnung zurückerlangt hatte.