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OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.05.2015 – 10 U 29/15 – “Belegeinsicht und Einwendungen gegen Nebenkostenabrechnungen


In einem neueren Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 21.05.2015 – 10 U 29/5 – verdeutlicht das Gericht die Bedeutung der Belegeinsicht für die Verteidigung eines Mieters gegen Nebenkostenabrechnungen im Prozess. Wie häufig hatte der Mieter eingewandt, die Nebenkostenabrechnung sei weder nachprüfbar noch stimmig. Die Abrechnung sei insgesamt formell nicht ordnungsgemäß, weil einzelne Abrechnungspositionen unklar bzw. nicht nachvollziehbar oder Kostensteigerungen innerhalb der Abrechnungen nicht erläutert seien. Die Vielzahl der nicht nachvollziehbaren Positionen lasse die Berechtigung der gesamten Abrechnung entfallen.

Vor dem Landgericht Duisburg traf der Mieter auf einen Richter, der sich die Sache ersichtlich leicht machen wollte und den Einwendungen des Mieters stattgab. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hatte der Mieter aber keinen Erfolg und unterlag weitestgehend. Das Gericht führt aus, soweit der Mieter den Anfall der angesetzten Gesamtkosten in Abrede stellt, ist sein Vorbringen prozessual unbeachtlich, da nicht hinreichend substantiiert. Hat der Mieter Zweifel an der Richtigkeit der in die Abrechnung eingestellten Kosten, darf er sich im Prozess nicht darauf beschränken, die materielle Berechtigung des Kostenansatzes insgesamt oder hinsichtlich einzelner Betriebskosten als „unklar“, „nicht nachvollziehbar“, „nicht belegt“ oder „erläuterungsbedürftig“ in Zweifel zu ziehen. Er hat vielmehr zunächst von seinem Belegeinsichtsrecht Gebrauch zu machen, weil es gerade der Überprüfung der Abrechnung und der Befriedigung eines weitergehenden Informationsbedarf dient. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter ihm aus Gefälligkeit oder Rechtsunkenntnis einzelne Belege bereits vorgelegt hat und der Mieter diese nunmehr als unvollständig und/oder als zur Deckung seines Erläuterungsbedarfs ungeeignet empfindet, weil hierdurch der Pflichtenkreis des Vermieters nicht erweitert wird (BGH, Urteil vom 13.09.2006 – VIII ZR 71/06 – Rn. 8). Das Bestreiten des Mieters ist daher nach § 138 Abs. 2 ZPO im Rechtsstreit nur insoweit zu berücksichtigen, als auch die Einsicht in die Belege keine Klarheit geschaffen hat. Dieser Obliegenheit kann sich der Mieter nicht dadurch entziehen, dass er den Kostenansatz der Abrechnung schlichtweg bestreitet; setzt er sich vielmehr durch Verzicht auf die Belegeinsichtnahme zur Erhebung konkreter Rügen außer Stande, ist ihm über § 138 Abs. 3 ZPO („Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht“) auch im Rechtsstreit der Einwand unrichtiger Kostenabrechnung abgeschnitten (BGH, Hinweisbeschluss vom 13.09.2009 aaO. Rn. 6; Palandt, § 535, Rn. 99).

Prozessual unbeachtlich war auch der Einwand des Mieters, er müsse die umlagefähigen Kosten für die Wartung der Automatiktüren im zentralen Eingangsbereich nicht tragen, weil der Vermieter aufgrund seiner „Pflicht zur Wirtschaftlichkeit“ den Kostenanfall durch Einbau einer „neuen modernen Automatiktür“ hätte vermeiden müssen. Diese Argumentation geht an der Sache vorbei, denn den Vermieter von Wohn- um Geschäftsräumen trifft keine Rechtspflicht zur Modernisierung. Auch aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit lässt sich keine derartige Verpflichtung herleiten (BGH, Urteil vom 31.07.2007 – VIII ZR 261/06 – Rn. 18 und BGH, Urteil vom 18.12.2013 – XII ZR 80/12 – Rn. 28).

Ohne Erfolg blieb auch der Einwand des Mieters, bei einigen Kostenpositionen sei eine unverständliche „Kostenexplosion“ eingetreten. Kostensteigerungen gegenüber früheren Abrechnungsperioden braucht der Vermieter nicht bereits in der Abrechnung zu erläutern und im Übrigen auch nur dann, wenn der Vortrag des Mieters hierzu Veranlassung gibt. Es ist zunächst Sache des Mieters, sich durch Einsichtnahme in die der Abrechnung zu Grunde liegenden Belege über die angefallenen Kosten und den Grund etwaiger Erhöhungen zu informieren. Auch inhaltlich begründen derartige Kostensteigerungen weder einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot noch eine Pflichtverletzung des Vermieters, weil sie durch außerhalb seiner Verantwortungssphäre liegende Umstände (allgemeine Kostenentwicklung, Verbrauchsverhalten der Mieter u. a.) hervorgerufen werden.

Wie häufig war auch die Argumentation des Mieters erfolglos, bestimmte Kostenpositionen würden gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Der Mieter hatte insbesondere die Umlage der Verwaltungskosten angegriffen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf führt unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 10.09.2014 – XII ZR 56/11 – Rn. 14 aus, dass ein Kostenanteil von 5,5 % der Bruttomiete als üblich anzusehen ist. Dieser Grenzwert war nicht überschritten. Soweit der Mieter meinte, Verwaltungskosten von EUR 4,98 pro Quadratmeter seien unwirtschaftlich, verkannte er die ihm zur Begründung des Vorwurfs obliegende Darlegungslast. Die Verletzung des Gebots zur Wirtschaftlichkeit stellt eine Pflichtverletzung dar, die zum Schadensersatz führt. Danach trifft den Mieter die Beweislast für die objektive Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Erst wenn und soweit dem Mieter dieser Nachweis gelingt, hat sich der Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten (Palandt, § 280 Rn. 34 ff.). Aus der Einordnung des Wirtschaftlichkeitsgebots als vertragliche Nebenpflicht folgt deshalb, dass dem Mieter der Nachweis seiner objektiven Verletzung obliegt. Es ist deshalb zunächst seine Sache, den angeblichen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot konkret vorzutragen. Erst danach hat der Vermieter darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er das Wirtschaftlichkeitsgebot jedenfalls nicht schuldhaft verletzt hat (BGH, Urteil vom 17.12.2014 – XII ZR 170/13 Rn. 12; Milger, NZM 2008, 1, 10). Hinsichtlich der objektiven Pflichtverletzung trifft den Vermieter grundsätzlich auch keine sekundäre Darlegungslast für die tatsächlichen Grundlagen seines Betriebskostenansatzes, die ihn zur näheren Darlegung der für die Wirtschaftlichkeit erheblichen Tatsachen – etwa eines Preisvergleichs – verpflichten würde. Dies gilt uneingeschränkt jedenfalls für solche Betriebskosten, von deren Anfall und Umfang sich der Mieter durch die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen Kenntnis verschaffen und deren Angemessenheit er auf dieser Grundlage ebenso beurteilen kann wie der Vermieter (Milger, NZM 2012, 657, 658 ff.). Aus dem allgemeinen Hinweis des Mieters auf zu hohe Kosten und Schwankungen der Kosten in verschiedenen Abrechnungsperioden ergibt sich kein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Für den ihm obliegenden Preisvergleich hat sich der Mieter vielmehr zunächst durch Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen Kenntnis von den der Kostenposition zu Grunde liegenden Leistungen zu verschaffen und auf dieser Basis darzulegen, dass gleichwertige Leistungen nach den örtlichen Gegebenheiten auch unter Berücksichtigung des dem Vermieter zustehenden Ermessensspielraums zu einem deutlich geringeren Preis zu beschaffen gewesen wären (BGH, Urteil vom 17.12.2014, aaO., Rn. 13 ff.). Hierzu reicht der bloße Hinweis auf „Betriebskostenspiegel“ oder sonstige überörtliche Erhebungen schon deshalb nicht aus, weil sie die dem Vermieter verfügbaren örtlichen Gegebenheiten nicht abzubilden vermögen. Der Mieter muss vielmehr konkret vortragen, dass der Vermieter im Abrechnungszeitraum bei ihm zumutbaren Bemühungen andere Anbieter hätte beauftragen können, die die gleichen Leistungen zu günstigeren Preisen durchzuführen bereit gewesen wären (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2007 – 13 U 140/06).