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BGH, Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14 – “Auch eine geringfügige Mieterhöhung bedarf der Schriftform


Mit Urteil vom 25.11.2015 – XII ZR 114/14 – befasste sich der Bundesgerichtshof mit mehreren Schriftformproblemen. Der an der Entscheidung mitwirkende Richter Dr. Günther hatte vor Jahren in einem Vortrag ausgeführt, dass der für die Gewerberaummiete zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs meine, zwischenzeitlich alle wesentlichen Schriftformprobleme „abgearbeitet“ zu haben, so dass kaum mehr wesentlich Neues zum gesetzlichen Schriftformerfordernis zu erwarten sei. Wie etliche Entscheidungen in der jüngsten Vergangenheit und nicht zuletzt das neueste Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2015 zeigen, ist das Leben aber einfallsreicher als die Fantasie eines Bundesrichters. Es gibt immer wieder neue, in der Praxis gar nicht so selten auftretende Konstellationen, die bislang noch nicht vom Bundesgerichtshof entschieden wurden. Interessant an dem Urteil ist auch, dass die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Stuttgart, bei der Beantwortung fast aller entscheidungsrelevanten Fragen daneben lag.

Die Kläger sind Zahnärzte. Sie mieteten vom Beklagten im Jahre 2001 Räume zum Betrieb einer Zahnarztpraxis. Zum Zwecke der Praxisvergrößerung wurde am 02.05.2005 ein neuer schriftlicher Mietvertrag geschlossen. Es erfolgten Umbaumaßnahmen wie ein Deckendurchbruch und der Einbau einer Verbindungstreppe zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss, deren Kosten die Mieter trugen. Als Vertragsende war der 30.04.2020 vereinbart, als monatliche Miete ein Betrag von EUR 1.350. Knapp acht Monate nach dem Vertragsabschluss vereinbarten die Mietvertragsparteien mündlich, dass die monatliche Miete ab 01.01.2006 um EUR 20 auf EUR 1.370 erhöht werde und vermerkten dies auf dem Mietvertragsexemplar der Mieter. Mit Schreiben vom 26.10.2013 kündigten die Mieter das Mietverhältnis zum 31.07.2014 aus wichtigem Grund, weil die Räume nicht mehr den gestiegenen Anforderungen an den Platzbedarf der Praxis und an die Einhaltung von Hygienevorgaben entsprächen. Mit der am 20.02.2014 eingereichten Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses erklärten die Kläger die ordentliche Kündigung zum 31.07.2014.

Sowohl das Oberlandesgericht Stuttgart als auch der Bundesgerichtshof verneinen das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 543 BGB. Das Verwendungsrisiko für die Mieträume liegt bei den Mietern (BGH NJW 2011, 3153 Rn. 9 und BGH NZM 2010, 364 Rn. 17). Dass sich im Laufe der Jahre ein erhöhter Platzbedarf für die Praxis ergeben hat, kann ebenso wenig eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen wie der von den Mietern angeführte Umstand, infolge neuer Hygienerichtlinien sei die Auflage zu erwarten, dass das Labor geschlossen werden müsste. Unabhängig davon, dass ein entsprechendes behördliches Eingreifen bislang nicht erfolgt ist und ein Mangel der Mietsache damit nicht vorliegt (BGH NZM 2014, 165 Rn. 20) war auch nur ein Teilbereich der Labortätigkeit betroffen.

Falsch hat das Oberlandesgericht Stuttgart gemeint, die mündliche Vereinbarung der Erhöhung der Miete um EUR 20 pro Monat verletze nicht die gesetzliche Schriftform. Das Oberlandesgericht hatte ausgeführt, der Erhöhungsbetrag von EUR 20 sei unwesentlich und für einen potenziellen Erwerber nicht nachteilig. Dem tritt der Bundesgerichtshof jedoch nicht bei. Die Frage, ob eine nachträgliche dauerhafte Änderung der Miete stets und unabhängig von ihrer Höhe wesentlich ist oder ob es der Überschreitung einer Erheblichkeitsgrenze bedarf, ist umstritten und war bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nahm an, dass nur unerhebliche Mieterhöhungen nicht dem Formzwang des § 550 BGB unterfallen, wobei die Grenze der Erheblichkeit nicht einheitlich festgelegt wird (etwa OLG Jena NZM 2008, 572, 575 f.; Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 61). Demgegenüber wird auch vertreten, eine dauerhafte Änderung der Miethöhe sei immer vertragswesentlich und daher stets nach § 550 BGB schriftlich zu vereinbaren (etwa Münchner Kommentar BGB, 6. Aufl., § 550 Rn. 7 und Schmidt-Futterer-Blank, Miete, 12. Aufl., § 550 BGB Rn. 41 f.). Der Bundesgerichtshof schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an und entscheidet, dass die Änderung der Miethöhe stets eine wesentliche und – jedenfalls soweit sie für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann (hierzu BGH NJW 2005, 1861 f.) – eine dem Formzwang des § 550 S. 1 BGB unterfallende Vertragsänderung darstellt. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass es sich bei der Miete per se um einen vertragswesentlichen Punkt handelt, der für den von § 550 BGB geschützten potentiellen Grundstückserwerber von besonderem Interesse ist. Dies gilt umso mehr, als sich Änderungen unmittelbar auf die Möglichkeit des Vermieters zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs auswirken. So kann sich etwa die Nichtzahlung selbst eines vergleichsweise geringfügigen Erhöhungsbetrags bei einem langfristigen Mietvertrag nicht nur aufsummieren und gegebenenfalls zu einem für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 b BGB ausreichenden Rückstand führen. Vielmehr kann der Verzug mit auch nur einem solchen Erhöhungsbetrag im Zusammenspiel mit anderweitigen Zahlungsrückständen des Mieters dazu führen, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu bejahen ist. Mithin kann jede Mietänderung unabhängig von ihrer relativen oder absoluten Höhe „das Fass zum Überlaufen bringen“ und auch sonst kündigungsrelevant sein. Außerdem ist es angesichts der Vielgestaltigkeit von Mietverhältnissen nicht möglich, eine feste Prozentgrenze (und noch viel weniger eine bestimmte Änderungssumme) festzulegen, bis zu der eine Mietänderung nicht wesentlich ist. Daher spricht auch das Gebot der Rechtssicherheit gegen die Annahme einer solchen Erheblichkeitsgrenze. Letztlich haben es die Parteien langfristiger Mietverträge ohne weiteres in der Hand, bei der Vereinbarung von Mietänderungen jedweder Höhe der Formvorschrift des § 550 BGB zu genügen. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart ist es für die Formbedürftigkeit nach § 550 S. 1 BGB ohne Bedeutung, ob die Mietänderung zu einer dem Vermieter und damit auch dem potentiellen Grundstückserwerber günstigen Erhöhung oder aber zu einer Ermäßigung geführt hat. Dies folgt schon daraus, dass die Schriftform nicht nur den Grundstückserwerber, sondern auch die Vertragsparteien schützen soll (BGH NJW 2014, 1087 Rn. 26 und BGH NJW 2008, 2178 Rn. 16 f.). Der Formzwang des § 550 S. 1 BGB greift auch dann ein, wenn eine Vereinbarung keine Verpflichtung für einen potenziellen Erwerber, sondern ausschließlich Verpflichtungen des Mieters zum Inhalt hat (BGH NJW 2009, 2195 Rn. 30). Im Übrigen nützt dem Erwerber eine ihm grundsätzlich günstige Vertragsänderung nichts, wenn er von ihr mangels Beurkundung keine Kenntnis erlangen kann.

Das Landgericht Hechingen hatte zur Änderungsvereinbarung festgestellt, die Miete sei zum 01.01.2006 erhöht worden. Einer der beiden Mieter habe auf seinem Mietvertragsformular die ursprüngliche Miete durchgestrichen und handschriftlich „EUR 1.370 ab 01.01.2006“ darüber geschrieben, was im Einvernehmen mit dem Vermieter erfolgt sei. Die Mieter haben geltend gemacht, die Vereinbarung sei telefonisch erfolgt und den Vermerk habe einer der beiden Mieter nur zu Erinnerungszwecken aufgebracht. Da das Berufungsgericht dazu, wie es zu der Änderungsvereinbarung und dem Vermerk auf dem Vertragsexemplar gekommen ist, keine Feststellungen getroffen hat, wurde die Sache zur Sachverhaltsaufklärung an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof weist jedoch darauf hin, dass nach dem Vortrag der Mieter die Vertragsänderung nicht der von § 550 S. 1 BGB geforderten Schriftform der §§ 126, 126 a BGB genügt. Für die Einhaltung der Schriftform einer Urkunde ist zwar ohne Belang, ob die Unterzeichnung der Niederschrift des Urkundentextes zeitlich nachfolgt oder vorangeht. Es bedarf deshalb für die Rechtsgültigkeit einer Änderung des Vertragstextes keiner erneuten Unterschrift, wenn die Vertragsparteien sich über die Änderung einig sind und es ihrem Willen entspricht, dass die Unterschriften für den veränderten Vertragsinhalt Gültigkeit behalten sollen (BGH NJW 2009, 2195 Rn. 32). An einem solchen übereinstimmenden Willen fehlt es aber, wenn lediglich eine Partei ohne Wissen der anderen auf einem Vertragsexemplar eine Änderung etwa nur zur Gedächtnisstütze vornimmt. Das Oberlandesgericht Stuttgart muss nunmehr also gegebenenfalls durch Beweisaufnahme klären, wie es zur Änderungsvereinbarung und dem Vermerk auf dem Vertragsexemplar kam. Wenn sich die Dinge so wie von den Mietern behauptet ereigneten, liegt ein Mangel der Schriftform mit der Folge der ordentlichen Kündbarkeit vor.

Der Bundesgerichtshof entscheidet ferner, dass die Mieter auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert sind, sich auf den Schriftformmangel zu berufen. Der Einwand, die Kündigung eines langfristigen Mietvertrages wegen fehlender Schriftform sei treuwidrig, wird immer wieder vorgebracht. Er ist aber fast stets erfolglos, denn die ordentliche Kündigung eines nicht die Schriftform wahrenden langfristigen Mietverhältnisses kann nur in extremen Ausnahmefällen treuwidrig sein. Ein derartiger Ausnahmefall lag aber auch in der entschiedenen Sache nicht vor. Grundsätzlich darf sich nämlich jede Vertragspartei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn die vorzeitige Beendigung des Vertrags zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Partei sich darauf beruft, der Mietvertrag sei mangels Wahrung der Schriftform ordentlich kündbar. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formnichtigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (BGH NJW 2014, 2102 Rn. 27). Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Eine Treuwidrigkeit lag auch entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht deshalb vor, weil die vereinbarte Vertragslaufzeit noch sechs Jahre beträgt, weil es gerade die langfristige Bindung ist, die von der Einhaltung der Schriftform abhängt (BGH NJW 1987, 948, 949). Das gleiche gilt mit Blick darauf, dass die Parteien ihren Pflichten aus dem Mietvertrag über einen längeren Zeitraum bis zur Kündigung durch die Mieter nachgekommen sind. Daraus lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist (BGH NJW 2013, 1083 Rn. 26 und BGH NJW 2008, 2181 Rn. 28). Es liegt auch keine einseitig die Mieter begünstigende Änderung vor, bei der es gegen § 242 BGB verstoßen kann, wenn die Mieter aus ihr den weiteren Vorteil ziehen wollen, sich nunmehr ganz von dem ihnen lästig gewordenen Mietvertrag zu lösen (BGHZ 65, 49). Schließlich kann für sich genommen nicht die Annahme eines Rechtsmissbrauchs rechtfertigen, dass der Änderungsbetrag vergleichsweise gering ist. Denn die Änderung der Miethöhe ist unabhängig von ihrem Umfang vertragswesentlich, unterfällt daher § 550 BGB und führt dann, wenn sie nicht der Schriftform genügt, kraft gesetzlicher Anordnung zu einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverhältnis und damit zur Kündbarkeit.

Falsch hat das Oberlandesgericht Stuttgart auch angenommen, eine über den Vertragstext hinausgehende Vereinbarung zu den von den Mietern vorgenommenen und vom Vermieter gestatteten Umbauarbeiten unterfalle nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen auch Nebenabreden der Schriftform, wenn sie den Inhalt des Mietverhältnisses gestalten und nach dem Willen der Vertragsparteien wesentliche Bedeutung haben (BGH NJW 2000, 1105, 1106). Treffen die Mietvertragsparteien Vereinbarungen zu am Mietobjekt vorzunehmenden Um- und Ausbauarbeiten und dazu, wer diese vorzunehmen und dafür die Kosten zu tragen hat, so liegt die Annahme nicht fern, dass diesen Abreden vertragswesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Ghassemi-Tabar, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 43 und Lindner-Figura, Geschäftsraummiete, Kap. 6 Rn. 31 f.). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als Grund des Vertragsabschlusses die Vergrößerung der Praxis gewesen ist. Einer Formbedürftigkeit der Abreden zu den Umbaumaßnahmen stand auch nicht entgegen, dass die Maßnahmen gegebenenfalls im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss durchgeführt werden sollten. Auch dann stünde nicht ohne weiteres fest, dass diese Abreden einen potentiellen Grundstückserwerber keinesfalls beträfen oder jedenfalls keine längere Gültigkeitsdauer als ein Jahr hätten (BGH NJW 2005, 1861, 1862). Da das Oberlandesgericht den Sachverhalt auch hinsichtlich der Vereinbarungen betreffend die Umbaumaßnahmen nicht hinreichend aufgeklärt hatte, konnte der Bundesgerichtshof nicht abschließend entscheiden und verwies die Sache zurück.

Die Mieter hatten allerdings das Kunststück fertig gebracht, mit Schreiben vom 26.10.2013 zum 31.07.2014 zu kündigen. Dies kann aber nur zu einer Beendigung des Mietverhältnisses mit Ablauf des 30.09.2014 führen. Die Kündigungsfrist bestimmt sich nach § 580 a Abs. 2 BGB. Sofern die außerordentliche Kündigung vom 26.10.2013, die sich ausschließlich mit der Nichterfüllung der gestiegenen Anforderungen befasste, in eine ordentliche Kündigung umzudeuten ist (hierzu BGH NJW 2013, 3361 Rn. 17 f.), wäre die ordentliche Kündigung mithin spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres und daher frühestens zum Ablauf des 30.06.2014 zulässig gewesen. Die Mieter haben aber nicht zu diesem Termin, sondern zum 31.07.2014, also einem weder gesetzlich noch vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt, gekündigt, so dass ihre Kündigung erst mit dem nächstfolgenden Ende eines Kalendervierteljahres, dem 30.09.2014, Wirksamkeit entfalten konnte (BGH NJW-RR 1996, 144).