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BGH, Urteil vom 17.06.2015 – VIII ZR 19/14 – “Verzug endet nicht mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ”
In letzter Zeit ist vermehrt festzustellen, dass Insolvenzverwalter geltend machen, Verzugszinsen auf Masseansprüche seien ab Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht geschuldet.
Mietrückstände aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung kann der Mieter nach § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Für die Erfüllung der nach Verfahrenseröffnung anfallenden vertraglichen Pflichten haftet die Masse nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Diese Regelung gewährleistet, dass der Vermieter, der seine Leistung (die Überlassung der Mietsache) zur Masse erbringt, von ihr die vollwertige Gegenleistung zu beanspruchen hat.
Nun machen Insolvenzverwalter seit einiger Zeit vermehrt geltend, ab Anzeige der Masseunzulänglichkeit würden keine Verzugszinsen auf als Masseverbindlichkeiten zu qualifizierende Mietrückstände geschuldet. Dies hat nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung, insbesondere dann, wenn nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erst nach Jahren die vollständige oder teilweise Zahlung erfolgt. Die Insolvenzverwalter berufen sich zur Stützung ihrer Auffassung auf neueres Schrifttum und argumentieren, der Verzug ende mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit, weil schuldlos keine Zahlung geleistet werden könne.
Die Rechtsauffassung der Insolvenzverwalter ist falsch. Nach einem alten Rechtsgrundsatz werden auch dann Verzugszinsen geschuldet, wenn ein Schuldner salopp formuliert „pleite“ ist, denn „Geld hat man zu haben“. Auch der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.06.2015 – VIII ZR 19/14 – entschieden, dass entgegen einer vereinzelt im Schrifttum anzutreffenden Meinung (Jaeger/Jacobi, InsO, 2014, § 109 Rn. 65 und § 112 Rn. 58), die sich etliche Insolvenzverwalter zu eigen machen, der Verzug nicht etwa mit der Insolvenzeröffnung endet. Der Schuldnerverzug endet für die Zukunft grundsätzlich nur dann, wenn eine seiner Voraussetzungen entfällt, die zu seinem Eintritt geführt haben oder wenn gegen die Forderung eine materiell-rechtliche Einrede besteht bzw. geltend gemacht wird, die der Forderung die Durchsetzbarkeit nimmt, wie etwa die Einrede der Verjährung oder ein Zurückbehaltungsrecht oder eine Stundungsabrede. Die Insolvenzeröffnung ändert an einem zuvor eingetretenen Verzug indessen nichts, sondern lässt diesen fortbestehen (Henckel/Jaeger, InsO, 2004, § 39 Rn. 12; Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 39 Rn. 26 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Vallender, Insolvenzrecht, § 39 Rn. 16; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB, Neubearbeitung 2014, § 286 Rn. 132; Münchner Kommentar BGB, 6. Aufl., § 286 Rn. 99; Soergel/Benicke/Nalbantis, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 202). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist vielmehr als ein Leistungshindernis im Sinne des § 287 S. 2 BGB anzusehen, das der Schuldner während des Verzugs zu vertreten hat. Auch die Insolvenzordnung geht ersichtlich von einem Fortbestand eines bei Insolvenzeröffnung bereits eingetretenen Verzugs aus, bestimmt sie doch in § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen der Forderungen der Insolvenzgläubiger nachrangig zu berichtigen sind.
Wenn die Insolvenzeröffnung einen Verzug nicht entfallen lässt, dann steht auch die Anzeige der Masseunzulänglichkeit einem Verzugseintritt und dem Fortbestehen eines bereits eingetretenen Verzugs (die Masseunzulänglichkeit wird in diesen Fällen erst nach Verzugseintritt angezeigt) hinsichtlich der nach Verfahrenseröffnung fällig werdenden Mieten nicht entgegen. Kann ein Schuldner eine Geldschuld wegen finanzieller Leistungsunfähigkeit nicht erfüllen, hat er die Nichterfüllung auch unabhängig von einem Verschulden zu vertreten (BGH NJW 15, 1296). Dies folgt aus dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (Palandt, BGB, § 276 Rn. 28 und BGH NJW 15, 1296).
Fazit: Mieter sollten sich also nicht ins Bockshorn jagen lassen, wenn Insolvenzverwalter meinen, Verzugszinsen auf Masseansprüche nicht zahlen zu müssen.