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Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2023 – VIII ZR 147/22 – „Behauptung bewusst unwahrer Tatsachen kann zur Kündigung des Mietverhältnisses führen“


Behauptet der Mieter bewusst unwahre Tatsachen, kann dieser Umstand eine Pflichtverletzung des Mietvertrages und damit gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB einen Kündigungsgrund darstellen, wie der Bundesgerichtshof am 25.10.2023 entschieden hat. Im vom Bundesgerichtshof beurteilten Fall hat die klagende Vermieterin die Kündigung des Mietverhältnisses mit Schreiben vom 24.06.2019 mit der Begründung erklärt, es läge eine vertragswidrige Hundehaltung vor. In der mündlichen Verhandlung im Räumungsrechtsstreit erklärte einer der beklagten Mieter zu Protokoll, dass dieser das Gefühl habe, herausgemobbt zu werden und vom Hausverwalter beleidigt würde. Darüber hinaus hat der beklagte Mieter zu Protokoll gegeben, ein Gespräch der Eigentümerin zufällig mitbekommen zu haben, aus welchem sich ergibt, dass das Haus verkauft werden soll und der Käufer gesagt habe, dass ein Kauf des Hauses nur in Betracht kommt, wenn alle Mieter ausgezogen sind.

Gestützt auf diese, ihrer Meinung nach unwahren und ehrverletzenden Äußerungen hat die Vermieterin eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen. Das Amtsgericht war der Ansicht, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliegt, das Landgericht war gegenteiliger Meinung und hat der Räumungsklage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hebt dieses Urteil auf und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Der BGH entscheidet, dass die Parteien in einem Gerichtsverfahren regelmäßig alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, selbst wenn hierdurch die Ehre des Prozessgegners berührt wird, ohne straf- oder zivilrechtliche Nachteile befürchten müssen. Daher ist bei der Beurteilung, ob ehrenrührige oder gar beleidigende Äußerungen die zur Rechtsverteidigung in einem Mietrechtsstreit geltend gemacht werden zu einer Kündigung des Mietverhältnisses führen können, in den Blick zu nehmen, ob diese Äußerungen zur Rechtswahrung geeignet und unter Berücksichtigung der Bedeutung des Mietverhältnisses angemessen sind. Missbräuchliche Äußerungen, die in keinem inneren Zusammenhang mit den berechtigten Anliegen stehen oder wissentlich unwahre wie leichtfertig unhaltbare Behauptungen sind dagegen nicht geschützt.

Zwar hat der beklagte Mieter vorsätzlich falsche Angaben in Hinblick auf die angeblichen Angaben des Käufers gemacht, dies reicht jedoch nicht ohne Weiteres aus, um eine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung zu begründen, so der BGH. Vielmehr erfordert die Beurteilung in einem solchen Fall die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wozu auch die Schwere des Pflichtverstoßes des Mieters gehört sowie gegebenenfalls vorangegangenes pflichtwidrige Verhalten des Vermieters. Der Bundesgerichtshof rügt bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung durch das Landgericht, dass wesentlicher Prozessstoff nicht berücksichtigt worden ist und das Gericht nicht das unter Beweis gestellte Vorbringen der Beklagten gewürdigt hat, die Beklagten seien von dem Hausverwalter der Klägerin schwer beleidigt worden. In diesem Fall würde die Behauptung des „Herausmobbens“ in einem milderen Licht erscheinen lassen. Denn bei diesem behaupteten Verhalten des Hausverwalters der Klägerin würde es sich um eine schwer kränkende und diskriminierende Straftat handeln, die sich die vermietende Klägerin nach § 278 BGB zurechnen lassen müsste. Zudem meint der BGH, dass das Fehlverhalten des beklagten Mieters ein geringeres Gewicht haben würde, wenn es der Abwehr einer unberechtigten Kündigung der Klägerin gedient haben sollte, weil es dann nur Folge einer ihrerseits begangenen Vertragsverletzung wäre. Der Bundesgerichtshof hat somit das Urteil des Landgerichts aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen, damit das Landgericht entsprechende Feststellungen treffen und alle Umstände des Einzelfalls bei der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung berücksichtigen kann.

Bewusst unwahre oder leichtfertig unhaltbare Äußerungen sind nicht privilegiert und können unter Abwägung aller Einzelumstände zu einem berechtigten Interesse des Vermieters führen, das Mietverhältnis durch Kündigung zu beenden. Dem Kündigungsrisiko entgeht der Mieter, wenn er solche nicht privilegierten Äußerungen unterlässt.