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OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.02.2015 – 2 U 174/14 -; nicht rechtskräftig (Nichtzulassungsbeschwerde anhängig beim BGH unter XII ZR 19/15) – “Beeinträchtigungen durch eine Großbaustelle in der Nachbarschaft der Mietsache können einen Mangel darstellen”
Mit Urteil vom 11.02.2015 – 2 U 174/14 -, das wegen Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde (Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs: XII ZR 19/15) noch nicht rechtskräftig ist, befasste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit der Frage, ob Beeinträchtigungen durch eine Großbaustelle in der Nachbarschaft einer Mietsache einen zur Minderung berechtigenden Mangel darstellen können.
Zwischen den Mietvertragsparteien besteht ein Mietvertrag über ein Reisebüro, das in einer Nebenstraße einer Großstadt gelegen ist. Vereinbart war eine Vertragsdauer vom 01.03.2013 bis zum 28.02.2018. Im Juni 2013 wurde in der Nähe der Mietsache eine Baustelle eingerichtet. In dem Straßenbereich vor dem Ladengeschäft der Beklagten wurden Container für die Bauunternehmen sowie Beton- und Stahlkonstruktionen zur Stromversorgung eingerichtet. Bedingt durch die Baustelle wurde dieser Bereich durch die beteiligten Baufahrzeuge und Lkw angefahren. Die Beklagte macht ferner geltend, in einer schräg gegenüber dem gemieteten Ladengeschäft gelegenen Straße seien durch die Baustelle Parkplätze weggefallen, die zwar nicht Gegenstand des Mietvertrags gewesen, aber von ihren Kunden genutzt worden seien. Die Beklagte mindert die Miete vom 20.06.2013 an um monatlich 30 %. Mit Schreiben vom 21.02.2014 kündigt die Vermieterin fristlos wegen eines Mietrückstandes von mehr als zwei Monatsmieten. Seit Juli 2014 leistete die Beklagte keine Zahlung mehr. Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 21.10.2014 die fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges.
Das Oberlandesgericht Frankfurt gibt ebenso wie das Landgericht der Räumungsklage statt. Zwar war die Miete aufgrund der durch die Baucontainer und den Baustellenbetrieb vor dem Mietobjekt verursachten Beeinträchtigungen gemindert (§ 536 BGB). Diese Minderung trat aber nur in Höhe von 15 % des Mietzinses ein. Folglich war die Beklagte bei Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 21.10.2014 mit weit mehr als zwei Monatsmieten in Verzug, so dass die fristlose Kündigung begründet war und die Beklagte zur Räumung verpflichtet ist.
Von Interesse sind die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Frage der Mietminderung durch von einer Großbaustelle in der Nachbarschaft des Mietobjekts verursachten Beeinträchtigungen. Das Oberlandesgericht entscheidet, dass im konkreten Fall ein Mangel der Mietsache vorliegt, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch einschränkte. Ob nachteilige Umstände im Umfeld des Mietobjekts einen Mangel der Mietsache begründen können richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den vertraglichen Vereinbarungen, den Kenntnissen der Vertragsparteien, der Art und Intensität der Beeinträchtigungen sowie deren Üblichkeit im Hinblick auf die Lage des Mietobjekts. Dabei ist eine Risikoverteilung zwischen dem vom Mieter selbst zu tragenden allgemeinen Lebensrisiko und dem speziellen Risiko des Einstehenmüssens für Umweltmängel, soweit es den Vermieter trifft, vorzunehmen. Damit bei Beeinträchtigungen durch äußere Umstände und Einflüsse auf das Mietobjekt, die durch Dritte verursacht sind, eine Ausuferung des Mangelbegriffs vermieden wird, ist Voraussetzung für die Annahme eines Mangels des Mietobjekts eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (vgl. BGH NJW 2000, 1714 f.). Dabei ist stets zu beachten, dass das Verwendungs- und Ertragsrisiko des Geschäftsbetriebs grundsätzlich in den Risikobereich des Mieters fällt (Horst MDR 2011, 1022 ff. und Fritz NZM 2008, 825 ff.). Die Klägerin hatte der Beklagten die Räume zum Betrieb eines Reisebüros vermietet. Ein solcher Betrieb erfordert das Bedienen von Kunden im Rahmen von Kundengesprächen sowie das Vorführen und gegebenenfalls Erläutern von Bildern. Solche Gespräche setzen grundsätzlich eine Atmosphäre voraus, die nicht durch erhebliche Lärm- oder sonstige Einwirkungen gestört ist. Ferner kommen als Kunden eines solchen Geschäfts insbesondere auch Passanten und Laufkundschaft in Betracht. Für einen solchen Geschäftsbetrieb ist es förderlich, dass das Ladengeschäft auch von einer gewissen Entfernung an den an ihm angebrachten Werbeschildern zu erkennen ist. Durch das Aufstellen zahlreicher Baucontainer und weiterer Baustelleneinrichtungen wurde die Sicht auf das Ladenlokal deutlich beeinträchtigt. Ferner wurde die Attraktivität des Bereichs um die Mietsache herum durch die Baumaßnahmen erheblich herabgesetzt, so dass weniger Passanten diesen Weg wählten und stattdessen eine andere der umliegenden Straßen nutzten. Diese Situation wurde verstärkt durch das Anfahren von Lkw und Baufahrzeugen auf der Straße, in der die Mietsache liegt. Schutzmaßnahmen gegenüber diesen Beeinträchtigungen waren der Vermieterin nicht möglich. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist allein, dass durch den „Umwelt- und Umfeldmangel“ der Gebrauch der Mietsache wesentlich beeinträchtigt wurde.
Allerdings begründet allein der Wegfall von Parkplätzen in einer schräg gegenüber dem Ladengeschäft gelegenen Straße keinen Mangel der Mietsache. Das Vorhandensein von Parkplätzen ist zwar regelmäßig für die Attraktivität eines Geschäfts von erheblicher Bedeutung. Es war aber bereits zweifelhaft, ob die durch die Baumaßnahme weggefallenen Parkplätze überhaupt in nennenswertem Umfang für Kunden der Mieterin nutzbar waren, da diese Parkplätze zu den üblichen Geschäftszeiten ohnehin regelmäßig belegt sein dürften. Das Fehlen dieser Parkplätze begründet aber schon deshalb keinen Mangel der Mietsache, weil ihr Wegfall nicht zu einer unmittelbaren Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache führt (vgl. BGH NJW 2000, 1714 ff.). Die Parkplätze sind nicht Bestandteil des Mietobjekts, und sie sind auch nicht im Mietvertrag erwähnt. Die Beklagte konnte nach den Gesamtumständen nicht davon ausgehen, die Klägerin als Vermieterin wolle für das Vorhandensein dieser Parkplätze und für ihre Nutzbarkeit für sie eintreten.
Grundsätzlich muss jeder Anlieger einer Straße insbesondere im Innenstadtbereich mit gewissen Beeinträchtigungen aufgrund üblicher Bautätigkeiten oder des Vorhandenseins einer Baustelle einschließlich ihrer Einrichtung rechnen und diese hinnehmen, wenn diese sich innerhalb der in Innenstadtlagen üblichen Grenzen halten (vgl. BGH MDR 2013, 262 f.). Auch war aufgrund der Entfernung der Baustelle selbst von dem Geschäftslokal der Beklagten dort noch wahrnehmbarer Baulärm als nicht so erheblich einzuschätzen, als er das übliche und zumutbare Maß überschreiten könnte. Die großflächige Platzierung der umfangreichen Baustelleneinrichtung auf dem Bereich der vormaligen Parkplätze mit den hieran geknüpften Folgen der Nutzung dieser zahlreichen Container durch die Bauarbeiter über lange Zeit hin und vielfach während des gesamten Tages einschließlich der ganz erheblichen optischen Behinderung für das Ladengeschäft der Beklagten stellt aber für den Bereich dieser verhältnismäßig kleinen Nebenstraße jedenfalls für ein auf Laufkundschaft angewiesenes Geschäft eine Beeinträchtigung dar, die über das entschädigungslos hinnehmbare Maß hinausgeht (vgl. auch OLG Düsseldorf MDR 2012, 637). Unter Abwägung sämtlicher Umstände, insbesondere auch der Innenstadtlage des Objekts und der nur mittelbar wirkenden Beeinträchtigungen erschien dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine Minderung des Mietzinses um 15 % als angemessen, erforderlich, aber auch ausreichend, um die Beeinträchtigungen auszugleichen. Dabei können und müssen nicht alle etwaigen Umsatzeinbußen der Beklagten ausgeglichen werden, da die Minderung des Mietwerts, für die die Vermieterin verantwortlich ist, nicht mit dem Wert eines Umsatzrückgangs gleichzusetzen ist. Denn das Verwendungs- und Ertragsrisiko des Geschäftsbetriebs fällt grundsätzlich in den Risikobereich des Mieters, der nicht in vollem Umfang auf den Vermieter abzuwälzen ist.
Die Beklagte hatte also übertrieben, als sie die Mietzinszahlungen wegen des Mangels vollständig einstellte. Da der Mietzinsrückstand unter Berücksichtigung einer Minderung des Mietzinses um 15 % weit höher als zwei Monatsmieten war, wurde das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung der Vermieterin wirksam beendet.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie die Mieterin hätte vorgehen müssen. In welcher Höhe eine Minderung berechtigt ist, unterliegt der richterlichen Wertung und damit einer Schätzung. Insoweit sind Prognosen außerordentlich schwierig. Ich hätte der Mieterin deshalb empfohlen, die Miete unter Vorbehalt der Rückforderung in voller Höhe zu zahlen und dann Klage auf Rückzahlung in Höhe der als berechtigt angesehenen Minderung zu erheben. Dann hätte das Risiko einer fristlosen Kündigung nicht bestanden.