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OLG Koblenz, Beschluss vom 08.05.2023 – 15 U 1954/22 – „Anpassung der Miete während der Corona-Pandemie“


Die Gerichte mussten und müssen sich in einer Vielzahl von Fällen mit der Frage befassen, ob eine Anpassung des in einem Gewerberaummietvertrag vereinbarten Mietzinses infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erfolgen muss. Über eine interessante Sachverhaltsvariante hatte das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 08.05.2023 – 15 U 1954/22 – zu entscheiden.

Die Mietvertragsparteien schlossen am 15.09.2020 einen Mietvertrag über Gewerberäume. Die Parteien streiten um die Frage, ob die Verweigerung der Mietzinszahlung durch eine Schließung des Mietobjekts aufgrund staatlicher Maßnahmen infolge der Corona-Pandemie gerechtfertigt ist. Der Mietvertrag war zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als die Corona-Pandemie bereits begonnen hatte und es bereits hoheitliche Maßnahmen gab, die zu Beschränkungen der Geschäftstätigkeit führten.

Das Oberlandesgericht Koblenz entscheidet, dass eine Anpassung der Miete gemäß § 313 Abs. 1 BGB wegen einer Änderung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt. Der Mietvertrag vom 15.09.2020 wurde zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, als das Risiko von Betriebsschließungen infolge der Pandemie bereits allgemeinkundig war. Deshalb kann dahinstehen, ob – dogmatisch betrachtet – keine schwerwiegende Umstandsänderung eingetreten oder eine bewusste Risikoübernahme durch den Mieter anzunehmen ist, weil es im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft. In solchen Fällen ist jedenfalls regelmäßig davon auszugehen, dass der Mietvertrag in Kenntnis einer möglicherweise bevorstehenden tiefgreifenden Veränderung des Wirtschaftslebens geschlossen wurde. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses war nicht nur die Pandemie als solche bekannt, sondern auch die potentielle Folge von in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifenden staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen. Schon vor Abschluss des Mietvertrages war es zu erheblichen Einschränkungen des Wirtschaftslebens und zu umfangreichen Betriebsschließungen unter anderem im Einzelhandel infolge der Pandemie gekommen. Wie lange die Pandemie noch andauern und wie sie sich entwickeln würde, war zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses der Parteien offen. Während Vertragsparteien eines vor der Pandemie geschlossenen Mietvertrags nicht mit diesem Ereignis und seinen Folgen rechnen konnten und daher das Risiko für staatliche Maßnahmen in solchen Fällen beide Vertragsparteien gleichermaßen trifft, liegt der Fall hier anders. Der Mieter als Gewerbetreibender musste bei Vertragsschluss damit rechnen, dass er erneute pandemiebedingte Einschränkungen durch staatliche Maßnahmen, die auch seinen Gewerbebetrieb betreffen, künftig wird hinnehmen müssen. Nicht entscheidend ist für die vertragliche Risikoverteilung, dass den Parteien nicht bekannt gewesen sein mag, ob, wann und in welchem Ausmaß sich das Risiko tatsächlich verwirklichen würde.

Somit wurde der Mieter trotz hoheitlich verfügter Betriebsschließungen auch für diese Zeiten zur Zahlung der Miete in voller Höhe verurteilt.