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OLG München, Urteil vom 11.03.2014 – 9 U 1477/13– “Absprache auf der Baustelle oder vereinbartes Schriftformerfordernis – was geht vor?


Das Oberlandesgericht München hat am 11.03.2014 folgenden Fall entschieden:

Im Rahmen eines Großbauvorhabens hat der Unternehmer nach Vertragsschluss aber vor Ausführungsbeginn Lücken in der Leistungsbeschreibung erkannt. In einer Baubesprechung wurde mündlich vereinbart, dass die nicht ausgeschriebenen Pumpleistungen 24 Stunden am Tag zu vergüten seien. Im Vertrag war für Vertragsänderungen ein Schriftformerfordernis vorgesehen. Der Unternehmer hat auf der Basis der Abstimmung auf der Baustelle neun Abschlagsrechnungen für Pumpmaßnahmen gestellt und bezahlt bekommen. Insgesamt hat er EUR 347.000,00 abgerechnet, bei Prüfung und Bezahlung der Schlussrechnung entsteht Streit über die Wirksamkeit der Absprache für die Pumpmaßnahmen.

Das Oberlandesgericht München gibt dem Unternehmer Recht, mit der Begründung, in der Baubesprechung hätten die Parteien konkludent, also durch ihr dort gezeigtes Verhalten, vom Schriftformerfordernis Abstand genommen und eine wirksame Vergütungsregelung getroffen, die an dieser Stelle die schriftliche Vertragsgrundlage ersetzt hat. Aus der Zahlung der Abschlagsrechnungen sei die Bestätigung des konkludenten Verzichts auf das Schriftformerfordernis zu entnehmen, jedenfalls sei es treuwidrig, sich auf die Verletzung des Schriftformerfordernisses im Nachhinein zu berufen.

Das Oberlandesgericht München bricht mit seiner Begründung zumindest teilweise mit der bisherigen Rechtsprechung, die – mit gutem Grund – in der Zahlung von Abschlagsrechnungen keinen anerkenntnisgleichen Erklärungsgehalt sieht. Im vorliegenden Einzelfall, in dem durch die Zahlung von neun Abschlagsrechnungen der Unternehmer auch davon abgehalten wurde, auf einer schriftlichen Fixierung der Absprache zu bestehen, mag das Ergebnis trotzdem richtig und gerecht gewesen sein. Allen Baubeteiligten ist aber dringend anzuraten, Ergebnisse von Besprechungen auf der Baustelle in Protokollen oder Bestätigungsmails festzuhalten und zu dokumentieren und auch ihrem Vertragspartner damit Gelegenheit zu geben, das eigene Verständnis der Besprechung zu überprüfen.