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BGH, Urteil vom 01.10.2021 – V ZR 48/21 – “Wohnungseigentümer kann manchmal selbst klagen“


Das neue Wohnungseigentumsgesetz ist nunmehr ein Jahr alt, nachdem es am 01.12.2020 in Kraft getreten ist. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gemäß § 1004 BGB bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums können nach der Novelle nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.

Im konkreten Fall stand der Klägerin ein Sondernutzungsrecht an zwei Stellplätzen zu. Im Sommer 2018 errichtete der beklagte Eigentümer ohne Zustimmung der Klägerin auf einer im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücksfläche eine Betonmauer, brachte darauf einen Holzzaun an und baute ein Tor ein. Die Klägerin verlangt Beseitigung dieser Anlage. Der Bundesgerichtshof hat bereits am 11.06.2021 (V ZR 41/19) entschieden, dass die auf Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums bestehenden Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche weiterhin vom Eigentümer selbst geltend gemacht werden können, selbst wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. Das gilt entsprechend bei Abwehr einer Störung eines dinglich wirkenden Sondernutzungsrechtes. Denn in diesem Fall handelt es sich nicht um Rechte, die allein aus dem gemeinschaftlichen Eigentum folgen.

Die Voraussetzungen einer Störung nach § 1004 BGB lagen aber vorliegend nicht vor, da durch die Errichtung der Mauer- und Toranlage lediglich das Rangieren mit Fahrzeugen auf dem Stellplatz, nicht aber der Zugang zum Stellplatz selbst erschwert wird. Demnach war das Sondernutzungsrecht selbst nicht beeinträchtigt.

Der Bundesgerichtshof hatte demnach noch die Frage zu klären, ob die Klägerin trotzdem bezüglich der Beseitigungsansprüche aus dem gemeinschaftlichen Eigentum prozessführungsbefugt gewesen ist, nachdem wie dargelegt diese Rechte ab dem 01.12.2020 nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden können. Da die Klägerin die Klage vor dem 01.12.2020 erhoben hat, bleibt deren Prozessführungsbefugnis bestehen und zwar bis beim Gericht eine schriftliche Äußerung eines vertretungsberechtigten Organs der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeht, in welcher ein entgegenstehender Wille der Gemeinschaft zur Kenntnis gebracht wird. Da es eine solche Äußerung nicht gegeben hat, war die Klägerin prozessführungsbefugt und konnte die Ansprüche weiterverfolgen, obwohl sie nur die Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend machte.

Demnach ist für den Erfolg einer Unterlassungs- und Beseitigungsklage stets zu prüfen, ob das Sondereigentum/Sondernutzungsrecht betroffen ist oder nur das Gemeinschaftseigentum. Im letzteren Fall ist nur die Wohnungseigentümergemeinschaft Anspruchsinhaber. Nur in Übergangsfällen, bei welchen die Klagen vor dem 01.12.2020 erhoben worden sind, kann unter Umständen der Wohnungseigentümer die Ansprüche weiter durchsetzen. Die zuletzt genannten Fallkonstellationen werden sich aber alsbald durch Zeitablauf erledigen.