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Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 07.11.2019 – 13 U 215/19 – “Wirksame Vereinbarung eines Vormietrechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen“


Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich mit Urteil vom 17.11.2019 – 13 U 215/19 – mit der Frage beschäftigt, ob ein in einem Formularmietvertrag vereinbartes Vormietrecht auf unbegrenzte Zeit wirksam ist und dies bejaht. Es ging um einen Mietvertrag über als „Supermarkt“ genutzte Flächen vom 15./29.11.2000. Das Mietverhältnis endete aufgrund einer Kündigung mit Schreiben vom 23.06.2018. Nachdem der Vermieter einen Anschlussmietvertrag geschlossen hatte, übte der Mieter mit Schreiben vom 19.09.2018 sein Vormietrecht aus, das in einem vom Mieter gestellten Formularvertrag enthalten war. Der vom Mieter gestellte Formularvertrag enthielt in § 21 folgende Regelung:

§ 21 Vormietrecht

Der Vermieter räumt dem Mieter für den ersten Vermietungsfall nach Vertragsablauf in sinngemäßer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht ein Vormietrecht ein.

Der Vermieter klagt auf Räumung und Herausgabe der Mietsache. Die Klage wird mit der Begründung in II. Instanz abgewiesen, dass kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe bestehe, weil durch Ausübung des Vormietrechts zwischen den Parteien ein neuer Mietvertrag zustande kam. Die Regelung des Vormietrechts in § 21 des Mietvertrags sei wirksam. Zunächst verwirft das Oberlandesgericht Stuttgart die Argumentation des Vermieters, bei der Allgemeinen Geschäftsbedingung zum Vormietrecht handele es sich um eine überraschende Klausel, die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Die Vereinbarung eines Vormietrechts sei nicht unüblich, sondern komme bei der Anmietung von Supermarktflächen nicht selten zur Anwendung. Etwas ungewöhnlich erscheine zwar, dass die Klausel sich am Ende des Mietvertrags und nicht bei den Regelungen zu Laufzeit, Optionsrecht und Vertragsverlängerungen in § 2 des Mietvertrags finde. Es handelt sich aber gleichwohl nicht um eine überraschende Klausel, weil das Vormietrecht in einem eigenen Paragrafen geregelt ist. Das Oberlandesgericht folgt auch nicht der Auffassung des Vermieters, dass die Formularklausel wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam sei. Zwar kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Jedoch sei im konkreten Fall § 21 des Mietvertrags nicht intransparent. Der Begriff des Vormietrechts sei ausreichend verständlich. Dem Gebot zur Klarheit und Bestimmtheit entsprechend sei der Wortlaut der Vormietklausel in jeder Hinsicht eindeutig. Er lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass jeder erste Vermietungsfall nach Vertragsablauf das Vormietrecht begründet. Die Regelung lässt nicht fraglich erscheinen, ob nur der sich direkt an den Vertragsablauf anschließende erste Vermietungsfall gemeint ist oder auch die erste Vermietung nach einem Leerstand oder einer Eigennutzung. Ebenso wenig fraglich ist, ob ein Vertragsablauf im Sinne der Regelung bei jeder ordentlichen Beendigung des Mietverhältnisses vorliegt oder nur bei Vertragsbeendigung nach Ausschöpfung aller Optionsmöglichkeiten. Gemeint ist aus der Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners jeder erste Vermietungsfall nach jedem ordentlichen Vertragsablauf. Ein durchschnittlicher Vertragspartner bedurfte auch keines Hinweises darauf, dass das Vormietrecht zeitlich unbefristet gilt.

Nach zutreffender Meinung des Oberlandesgerichts Stuttgart ist das Vormietrecht auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Vermieters als nach § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam anzusehen. Eine Bindung der Vermieterseite durch das Vormietrecht quasi auf unbegrenzte Zeit durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht unangemessen benachteiligend. Wie sich aus § 544 BGB ergibt, ist auch ein Mietvertrag über mehr als 30 Jahre zulässig. Hinzu kommt, dass das Vormietrecht nicht dazu führt, dass der Vermieter mit jedem Dritten kontrahieren muss, sondern nur (ein weiteres Mal) mit seinem vormals von ihm selbst ausgewählten früheren Vertragspartner, und das nur zu den vom Vermieter neu ausgehandelten Bedingungen. Auch in der Literatur finden sich keine Bedenken gegen eine langfristige Bindung durch ein einmaliges formularvertragliches Vormietrecht. Soweit Bedenken gegen eine langfristige Bindung geäußert wurden, geschah das nicht in Bezug auf ein einmaliges Vormietrecht, sondern immer nur bezogen auf ein Vormietrecht für jeden Fall der Neuvermietung.