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OLG Hamburg, Urteil vom 09.06.2015 – 2 U 11/13 – “Wertberechnung bei der Pflichtteilsergänzung


Nach § 2325 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte Ergänzung seines Pflichtteils verlangen, wenn der Erblasser durch eine Schenkung zu Lebzeiten den Nachlass geschmälert hat. Mit Urteil vom 09.06.2015 (2 U 11/13) hat sich das Oberlandesgericht Hamburg mit der Frage befasst, welcher Wert dabei bei einem durch ein Nießbrauch belastetes Grundstück zugrunde zu legen ist. Grundsätzlich gilt dabei das sogenannte Niederstwertprinzip, wobei der Wert der Sache bei Schenkungsvollzug (inflationsbereinigt) mit demjenigen zum Zeitpunkt des Erbfalls zu vergleichen ist. Der geringere Wert ist dann für die Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs maßgeblich. Bei einer in der Praxis häufig vorkommenden Schenkung zu Lebzeiten unter Nießbrauchsvorbehalt besteht dabei die Besonderheit, dass bei der Ermittlung des Wertes zum Zeitpunkt der Schenkung der Nutzungsvorbehalt abzuziehen ist, nicht aber bei der Bewertung zum Zeitung des Erbfalls, da das Nutzungsrecht mit dem Tod des Erblassers erlischt und deshalb keinen Wert mehr hat. Maßgeblich für die Bewertung des Nießbrauchs zum Zeitpunkt der Schenkung ist dabei die statistische Lebenserwartung. Im Streitfall hatte sich der klagende Pflichtteilsberechtigte darauf berufen, dass sich die erkrankungsbedingte geringere Lebenserwartung des Erblassers (seines Vaters) insoweit auswirken müsse, als sich dadurch der Wert des Nießbrauchs verringere und sich damit der Schenkungswert und folglich auch die Höhe des Ergänzungsanspruchs erhöht.

Dem ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg aber nicht zu folgen. Maßgeblich sei insoweit eine ex ante Betrachtung. Eine tatsächliche erkrankungsbedingte geringere Lebenserwartung sei daher nur maßgeblich, wenn die Erkrankung im Zeitpunkt der Schenkung bereits bekannt war und damit auch im Fall einer Veräußerung des Grundstücks zu diesem Zeitpunkt auch in den Verhandlungen mit potenziellen Erwerbern preiserhöhend Berücksichtigung gefunden hätte. Da im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Erkrankung des Erblassers bereits im Zeitpunkt der Schenkung bekannt war, ist diese aus Sicht des Oberlandesgerichts Hamburg damit nicht zu berücksichtigen und der Nießbrauchswert auf Basis der statistischen Lebenserwartung (ohne die erkrankungsbedingte geringere Lebenserwartung) zu ermitteln.