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BGH, Urteil vom 13.04.2016 – XII ZR 146/14 – “Werbegemeinschaft


Mit Urteil vom 13.04.2016 – XII ZR 146/14 – hat der Bundesgerichtshof für die Praxis wichtige Grundsätze zur Beurteilung der Frage aufgestellt, wann die formularmäßige Verpflichtung eines Mieters zum Beitritt zu einer Werbegemeinschaft wirksam ist. In Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2006 – XII ZR 39/04 – dürfte es jetzt in den meisten Fällen möglich sein, rechtssicher zu beurteilen, ob eine Klausel, die den Mieter zum Beitritt zu einer Werbegemeinschaft verpflichtet, wirksam ist. In diesem Zusammenhang darf dann aber nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.04.2016 – XII ZR 147/14 – übersehen werden, mit der der Bundesgerichtshof entschied, dass ein fehlerhaft vollzogener Beitritt zu einer Werbegemeinschaft aufgrund einer unwirksamen mietvertraglichen Regelung nicht von Anfang an unwirksam ist, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft durch eine von dem Gesellschafter/Mieter erklärte Kündigung geltend gemacht werden kann. Bis zum Zugang der Kündigungserklärung ist der vollzogene Beitritt grundsätzlich voll wirksam mit der Folge, dass der Gesellschafter/Mieter bis zur wirksamen Kündigung auch zur Leistung der von ihm nach dem Gesellschaftsvertrag zu erbringenden Beiträge verpflichtet ist.

In dem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.04.2016 – XII ZR 146/14 – entschiedenen Fall trat der Mieter aufgrund einer formularmäßigen Verpflichtung einer bestehenden Werbegemeinschaft in Form eines eingetragenen Vereins bei. Der Mieter hatte in einem Einkaufszentrum in Dresden seit März 2003 eine Ladenfläche zum Betrieb einer Apotheke gemietet. § 20 Nr. 2 des Formularmietvertrags lautet:

„Die Mieterin verpflichtet sich, der vorgenannten Werbegemeinschaft beizutreten und die Mitgliedschaft während des Bestandes des Mietverhältnisses ununterbrochen beizubehalten (Anlage 2). Die Mieterin erkennt die Satzung der Werbegemeinschaft als Bestandteil des vorliegenden Mietvertrages an. Beschlüsse des Werbevorstandes und der Vollversammlung der Werbegemeinschaft sind für alle Mieter verbindlich.“

Dem Mietvertrag ist als Anlage 1 die Satzung des Werbegemeinschaftsvereins beigefügt. § 6.1 der Satzung sieht einen nach Größe der Mietfläche gestaffelten Mitgliedsbeitrag vor. In § 5.4 S. 1 der Satzung ist bestimmt, dass ein Mieter mit der Beendigung seines Mietvertrags aus dem Verein ausscheidet. Nach § 5.4 S. 2 der Satzung kann ein Mitglied mit Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Jahren aus dem Verein ausscheiden. Als Anlage 2 ist dem Mietvertrag die Beitrittserklärung des Mieters beigefügt, die dieser zeitgleich mit dem Mietvertrag unterzeichnete. In der Mitgliederversammlung vom 29.04.2009 beschloss der Werbegemeinschaftsverein bei Anwesenheit aller Mitglieder einstimmig, die Mitgliedsbeiträge zu erhöhen. Der Mieter zahlte den Mitgliedsbeitrag bis Juni 2012. Mit Schreiben vom 28.03.2013 kündigte er seine Mitgliedschaft zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit der Klage macht der Werbegemeinschaftsverein die Mitgliedsbeiträge für Juli 2012 und Oktober 2012 bis August 2013 geltend. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Verein gegen den Mieter einen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Mitgliedsbeiträge hat. Der Mieter ist durch die Unterzeichnung der Beitrittserklärung dem Verein wirksam beigetreten. Die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung der Mitgliedsbeiträge wäre nur dann entfallen, wenn dessen Beitritt zum Verein als Umgehungsgeschäft gemäß § 306 a BGB unwirksam wäre oder der Mieter seine Mitgliedschaft vor dem streitgegenständlichen Zeitraum wirksam gekündigt hätte. Beides ist nicht der Fall.

Die Beitrittserklärung des Mieters ist nicht als Umgehungsgeschäft nach § 306 a BGB unwirksam. Ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 306 a BGB liegt vor, wenn eine als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die nur den Sinn haben kann, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen (BGH NJW 2005, 1645 und BGH NJW 2009, 1337 Rn. 20). Dies kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Verwender missbräuchlich eine Rechtsbeziehung in der Form des Gesellschafts- oder Vereinsrecht gestaltet, um durch die in § 310 Abs. 4 BGB geregelten Bereichsausnahmen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle zu entgehen. Liegt ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB vor, eröffnet die Vorschrift die Anwendbarkeit der für die Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblichen Vorschriften (BGH NJW 2005, 1645, 1647 und BGH NJW 2009, 1199 Rn. 20). Führt die dann vorzunehmende Inhaltskontrolle der außerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffenen Regelung allerdings zu dem Ergebnis, dass diese den Geschäftspartner des Verwenders nicht gemäß § 307 BGB unangemessen benachteiligen, liegt auch kein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vor, der zur Unwirksamkeit der Regelung führt. Nach diesen Grundsätzen stellt die Beitrittserklärung des Mieters kein Umgehungsgeschäft dar. Denn die Regelung in § 20 Nr. 2 des Mietvertrags hält der AGB-rechtlichen Kontrolle statt. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass es sich bei der formularvertraglichen Verpflichtung eines Mieters in einem Einkaufszentrum, einer Werbegemeinschaft beizutreten, die von allen Mietern und vom Betreiber des Einkaufszentrums gebildet wird, nicht um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB handelt (BGH NJW 2006, 3057 Rn. 10). Durch die formularvertraglich begründete Pflicht, dem Werbegemeinschaftsverein als einer in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierten Werbegemeinschaft beizutreten, wird der Mieter auch nicht im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine Klausel ist unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2015, 928 Rn. 12). Die vertragliche Verpflichtung des Mieters, einer Werbegemeinschaft beizutreten, dient zwar auch dem Interesse des Vermieters, durch gemeinsame Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen aller Mieter die Attraktivität des Einkaufszentrums zu erhöhen. Dieses Interesse könnte der Vermieter aber auch auf andere Weise realisieren, etwa indem er selbst die gemeinsame Werbung für das Einkaufszentrum übernimmt und die hierfür erforderlichen Kosten auf der Grundlage einer entsprechenden vertraglichen Regelung als Betriebskosten auf die einzelnen Mieter umgelegt (OLG Hamburg ZMR 2004, 509, 510). An den Kosten für Werbemaßnahmen wäre der Mieter auch bei dieser Gestaltungsform beteiligt. Durch die Pflichtmitgliedschaft in der Werbegemeinschaft erhält er hingegen zusätzlich Mitwirkungs- und Kontrollrechte, die ihn bei einem reinen Umlageverfahren nicht zustünden. Außerdem genießen die jeweils getroffenen Werbemaßnahmen, wenn sie von der aus allen Mietern bestehenden Gemeinschaft getragen werden, eine höhere Akzeptanz bei den Mietern, als wenn sie der Vermieter allein träfe. Dies wiederum kann zu einem besseren Einvernehmen zwischen den Mietern des Einkaufszentrums und damit zu dessen Erfolg beitragen (BGH NJW 2006, 3057).

Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 12.07.2006 (XII ZR 39/04 – NJW 2006, 3057, 3058) eine unangemessene Benachteiligung des Mieters in einer Vertragsklausel gesehen hat, nach der eine Werbegemeinschaft für ein Einkaufszentrum auch in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet werden konnte, liegen die Dinge im vorliegenden Fall anders. Ist die Werbegemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert, wäre der Mieter als Gesellschafter weitgehenden Haftungsrisiken ausgesetzt, insbesondere würde er auch persönlich für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft haften (BGH NJW 2006, 3057, 3058). Im vorliegenden Fall ist die Werbegemeinschaft jedoch als eingetragener Verein organisiert, bei dem die Vereinsmitglieder für Verbindlichkeiten des Vereins grundsätzlich nicht persönlich haften. Eine Durchgriffshaftung einzelner Mitglieder besteht selbst dann nicht, wenn ein eingetragener Idealverein sich wirtschaftlich betätigt und dabei das Nebenzweckprivileg überschreitet (BGH NZG 2008, 670 Rn. 14 und BGH NJW 1979, 2304, 2306). Ein unkalkulierbares wirtschaftliches Risiko für den Mieter, welches zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB führt, besteht bei einer in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins gebildeten Werbegemeinschaft folglich nicht.

Die in § 20 Nr. 2 des Mietvertrags enthaltene Verpflichtung, der Werbegemeinschaft beizutreten, verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Zwar hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12.07.2006 (NJW 2006, 3057) entschieden, dass in einem Formularmietvertrag die Höhe der Beiträge, die der Mieter in einem Einkaufszentrum an eine Werbegemeinschaft zu leisten hat, wegen der nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlichen Transparenz bestimmbar sein muss, z.B. durch die Angabe eines bestimmten Prozentsatzes der Miete oder durch eine festgesetzte Höchstgrenze, damit der Mieter die auf ihn zukommenden Kosten kalkulieren kann. Dieser Entscheidung lag jedoch eine mietvertragliche Bestimmung zu Grunde, die den Mieter verpflichtet, auf Verlangen des Vermieters einer Werbegemeinschaft beizutreten, und zur Kostenbeteiligung des Mieters an der Werbegemeinschaft nur die Regelung enthielt, dass die Kosten gemäß den Mietflächen abgerechnet werden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags war weder die Werbegemeinschaft gegründet noch bestanden sonstige Regelungen zur konkreten Höhe der Kostenbeteiligung an der Werbegemeinschaft. Für den Mieter bestanden daher bei Abschluss des Mietvertrags keinerlei Anhaltspunkte, um die wirtschaftliche Belastung, die für ihn durch den Beitritt zu der noch zu gründenden Werbegemeinschaft entstehen wird, wenigstens grob einschätzen zu können. Dies war der entscheidende Gesichtspunkt, weshalb der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung die Klausel für intransparent und daher insgesamt für unwirksam erachtet hat. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge auch insoweit anders. Zwar enthält § 20 Nr. 2 des Mietvertrags keine Regelung zur Höhe der an die Werbegemeinschaft zu leistenden Beiträge. Jedoch sind in § 6.1 der Satzung des Vereins die monatlichen Beiträge, nach der Größe der Mietfläche gestaffelt, genau beziffert. Die Satzung des Vereins wurde von den Vertragsparteien zum Bestandteil des Mietvertrags gemacht und als Anlage 1 dem Vertrag beigefügt. Der Mieter konnte sich daher vor Abschluss des Mietvertrags ein genaues Bild über die wirtschaftliche Belastung durch die Mitgliedschaft in der Werbegemeinschaft machen. Im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB bedurfte es daher weder im Mietvertrag noch in der Satzung des Vereins einer weiteren Festsetzung einer Höchstgrenze der Beiträge. Der Mieter konnte bei Abschluss des Mietvertrags zwar nicht unmittelbar aus dem Mietvertrag und der Satzung erkennen, ob und in welcher Höhe zukünftige Beitragsänderungen zu erwarten sind. Dies allein führt jedoch nicht zur Intransparenz der mietvertraglichen Klausel. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt nicht, dass die auf den Mieter umgelegten Kosten schon bei Abschluss des Mietvertrags für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses unabänderlich aus der Klausel erkennbar sein müssen. Eine Vereinbarung, mit der weitere Kosten neben der Miete auf den Mieter übertragen werden sollen, genügt schon dann dem Transparenzgebot, wenn sich der Mieter bei Vertragsschluss zumindest ein grobes Bild davon machen kann, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen (BGH NJW-RR 2006, 84, 85). Dem wird die Regelung in § 20 Nr. 2 des Mietvertrags i.V.m. § 6.1 der Satzung des Vereins gerecht. Im Übrigen sieht die Satzung vor, dass eine Erhöhung der Beiträge zur Werbegemeinschaft von der Mitgliederversammlung beschlossen wird, die sich aus allen Mitgliedern des Einkaufszentrums zusammensetzt. Der Mieter ist Teil der Mitgliederversammlung und kann daher durch sein Stimmrecht auf die Beitragsgestaltung Einfluss nehmen.

Die Verpflichtung des Mieters, die Mitgliedsbeiträge für den mit der Klage geltend gemachten Zeitraum zu entrichten, ist auch nicht durch die von ihm am 28.03.2013 erklärte Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitraum“ entfallen. Nach § 5.4 der Satzung des Vereins beträgt die ordentliche Frist für die Kündigung der Mitgliedschaft zwei Jahre. Gegen die Dauer dieser Frist bestehen keine rechtlichen Bedenken, weil nach § 39 Abs. 2 BGB in einer Vereinssatzung eine Kündigungsfrist von bis zu zwei Jahren bestimmt werden kann. Daher wurde durch die Kündigung des Mieters seine Mitgliedschaft beim Verein jedenfalls nicht während des hier streitgegenständlichen Zeitraums bis August 2013 beendet.