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BGH, Urteil vom 06.04.2016 – XII ZR 29/15 – “Formularmäßige Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit


Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.04.2016 – XII ZR 29/15 – zeigt, dass ein Vermieter bei der Formulierung einer Klausel, mit der die Aufrechnungsmöglichkeit des Mieters eingeschränkt werden soll, sorgfältig arbeiten muss, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.

Der streitgegenständliche Mietvertrag enthielt folgende Klausel zur Einschränkung der Minderungsbefugnis des Mieters:

Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.

Das Berufungsgericht sah die Regelung als wirksam an. Der Bundesgerichtshof folgt dieser Auffassung jedoch nicht und entscheidet, dass die mietvertragliche Bestimmung einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht standhält. Der Inhaltskontrolle vorgeschaltet ist die gegebenenfalls durch Auslegung vorzunehmende Ermittlung des objektiven Inhalts der Klausel. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (BGH NJW 2008, 2497 Rn. 10 f.). Nach dem Wortlaut der streitigen Klausel ist eine Minderung der Miete ebenso wie die Aufrechnung und die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Miete ausgeschlossen. Ausgenommen hiervon sind Forderungen des Mieters auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Ferner sind ausgenommen andere Forderungen des Mieters aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind. Die Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen beschränkt sich sonach ausdrücklich auf Forderungen „aus dem Mietverhältnis“. In Bezug auf nicht aus dem Mietverhältnis stammende Forderungen bleibt es der Klausel gemäß bei dem uneingeschränkten Aufrechnungsverbot. Danach erlaubt die Klausel keine Aufrechnung gegen die Miete mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aus einem außerhalb des Mietvertrags stehenden Rechtsverhältnis. Mit diesem Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 BGB nicht stand. Nach § 309 Nr. 3 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Diese Bestimmung ist zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil die Mieterin die Räume als Unternehmerin gemietet hat (§ 310 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 BGB). Sie stellt aber eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots des § 307 BGB dar, da es sich bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handelt, die auch im Geschäftsverkehr nicht hingenommen werden kann (BGH NJW 2007, 3421 Rn. 20). Der danach inhaltlich an § 309 Nr. 3 BGB auszurichtenden Inhaltskontrolle hält das im Mietvertrag geregelte Aufrechnungsverbot nicht stand, indem es die Zulässigkeit der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen auf solche aus dem Mietverhältnis beschränkt. Eine derartige Verkürzung der Gegenrechte des Mieters benachteiligt diesen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Ein Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht (BGH NJW 2007, 3421 Rn. 21). Zwar ist, wenn sich eine Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt, die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils rechtlich unbedenklich (BGH NJW 2015, 928 Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen ist inhaltlich derart eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft, dass diese bei einem Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde. Gleiches gilt für die mit gleicher Zielrichtung in einem einheitlichen Satz vereinbarten grundsätzlichen Verbote der Aufrechnung, der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts und der Berufung auf eine Minderung der Miete.