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BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 167/14 – “Was darf der Erwerber?”
Besonderheiten gelten, wenn eine Wohnanlage neu erstellt wird und Ansprüche aus den Erwerbsverträgen gegen den Bauträger geltend gemacht werden. Einige Ansprüche, insbesondere auf Minderung und so genannten kleinen Schadensersatz können von vornherein nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft verfolgt werden (so genannte geborene Ausübungsbefugnis; unter anderem BGH NJW 2006, 2254). Allein diese entscheidet über deren Geltendmachung. Der Bundesgerichtshof hatte über die Frage zu entscheiden, ob dies auch bei einem Erwerb einer gebrauchten Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel gilt. Am 10.10.2010 kauften der Kläger und seine Ehefrau eine Eigentumswohnung von der Beklagten zum Preis von EUR 150.000,00, wobei die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen worden ist.
Die Kläger verlangen von der Beklagten Zahlung von EUR 45.000,00 und behaupten eine Verkehrswertminderung in dieser Höhe. Sie begründen dies damit, dass sie von der Beklagten bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden seien, nachdem eine unzureichende Sanierung des Gebäudes und die darauf beruhende mangelnde Standfestigkeit des Hauses sowie die Durchfeuchtungen im Kellergeschoss verschwiegen worden sind. In den beiden ersten Instanzen war die Klage erfolglos. Der Bundesgerichtshof hebt den Beschluss des Berufungsgerichtes auf und verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei den Rechten auf Minderung und so genannten kleinen Schadensersatz um gemeinschaftsbezogene Rechte nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG handle, weshalb diese ein eigenständiges Vorgehen eines einzelnen Wohnungseigentümers nicht zuließen.
Der Bundesgerichtshof ist anderer Ansicht und entscheidet dahingehend, dass mangels Gemeinschaftsbezogenheit die Anspruchsdurchsetzung bei dem Erwerber verbleibt. Denn gemeinschaftsbezogen sind nur Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer und aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Dabei ist bei der Annahme der Erforderlichkeit eine Zurückhaltung geboten, nachdem der Entzug der materiellen Ausübungsbefugnis einen gravierenden Eingriff in die Privatautonomie darstellt. Daher kann eine Gemeinschaftsbezogenheit nur bejaht werden, wenn schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, die Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben, deutlich überwiegen. Beim Kauf gebrauchter Eigentumswohnungen, die unter Freizeichnung der Haftung für Sachmängel verkauft werden rechtfertigen typischerweise keine Interessen der Wohnungseigentümer einen Eingriff in die Privatautonomie des Käufers. Denn anders als bei einem Erwerb vom Bauträger existieren in aller Regel schon keine gleich gerichteten Ansprüche mehrerer Erwerber gegen einen einzigen Veräußerer. Kaufverträge über gebrauchte Eigentumswohnungen werden typischerweise individuell und mit unterschiedlichen Verkäufern abgeschlossen und sie stehen regelmäßig in keinem zeitlichen Zusammenhang zueinander. Demnach ist eine gleichgerichtete Interessenlage der Wohnungseigentümer nicht gegeben. Auch ist eine einheitliche Rechtsverfolgung nicht aus Gründen des Schuldnerschutzes geboten. Es besteht keine Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Veräußerers, da im Gegensatz zu den Fällen des Erwerbs vom Bauträger die Verträge typischerweise mit verschiedenen Verkäufern geschlossen werden. Wenn dies ausnahmsweise anders sein sollte, so sind jedenfalls keine Belange des Schuldners ersichtlich, die das Interesse des Käufers, seine Rechte selbst durchzusetzen, deutlich überwiegen würden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der werkvertragliche Schadensersatzanspruch (aus einem Bauträgervertrag) sich vom kaufrechtlichen Anspruch maßgeblich dadurch unterscheidet, dass er von der werkvertraglichen Erfolgshaftung des Auftragnehmers geprägt ist. Im Kaufrecht steht aber der individualisierte Marktwert der erworbenen Einheit im Vordergrund.
Nachdem somit die Ansprüche von den Käufern nicht mit dem Argument verwehrt werden konnten, dass diese nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft durchgesetzt hätten werden dürfen, wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, nachdem noch weitere Feststellungen zu den geltend gemachten Mängeln und derem arglistigen Verschweigen getroffen werden mussten.
Demnach hat der Bundesgerichtshof weiter Klarheit geschaffen und zu Gunsten der Privatautonomie entschieden. Es bleibt aber dabei, dass Wohnungseigentümer grundsätzlich im Einzelnen überprüfen müssen, ob die von ihnen geltend gemachten Rechte und Ansprüche gegen den Veräußerer tatsächlich ihnen zustehen oder von der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden müssen, damit ihre Klage nicht wegen Unzulässigkeit aufgrund Bejahung der Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft abgewiesen wird.