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BGH, Urteil vom 24.07.2015 – V ZR 275/14 – “Haftung des werdenden Wohnungseigentümers”
Der Bundesgerichtshof hatte am 24.07.2015 über eine weitere Facette der so genannten werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft zu entscheiden. Die Tochter der Beklagten kaufte mit notariellem Vertrag vom 14.07.2004 von einer Bauträgerin eine Eigentumswohnung sowie zwei Tiefgaragenstellplätze. Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung erfolgte am 19.07.2004. Am 22.09.2004 wurde erstmals ein weiterer Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Spätestens im Jahr 2006 hat die Tochter der Beklagten den Besitz an der Wohnung erlangt. Mit Vertrag vom 02.10.2012 veräußerte die Tochter der Beklagten die Wohnung nebst Stellplätzen an die Beklagte unter Abtretung der Auflassungsvormerkung bzw. des zugrunde liegenden Anspruches auf Übertragung des Eigentums. Schließlich wurden am 23.10.2013 die Einheiten in der Zwangsversteigerung einem Dritten zugeschlagen. Die Tochter der Beklagten und die Beklagte waren demnach zu keinem Zeitpunkt als Eigentümerin der Wohnung eingetragen gewesen.
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abrechnungsspitzen aus der Jahresabrechnung für das Jahr 2012 sowie rückständiges Hausgeld für den Zeitraum Januar bis einschließlich Oktober 2013. Die Parteien stritten demnach um die Frage, ob die Beklagte Mitglied der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft geworden ist. Denn nur dann würde eine Haftung für die Hausgeldbeiträge vorliegen. Nachdem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, wurde die Klage auf Berufung der Beklagten abgewiesen. Auch die Revision der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft hatte keinen Erfolg.
Die Beklagte ist nämlich keine Wohnungseigentümerin im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG. Sie ist auch nicht als werdende Wohnungseigentümerin anzusehen. Diese Rechtsstellung der werdenden Wohnungseigentümerin hat nur die Tochter der Beklagten im Jahr 2006 erlangt, als sie zu diesem Zeitpunkt einen Erwerbsvertrag abgeschlossen hatte, eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde und sie Besitzerin geworden ist. An dieser Rechtsstellung hat sich durch die im Jahr 2012 vorgenommene Veräußerung nichts geändert. Die Tochter der Beklagten blieb vielmehr werdende Wohnungseigentümerin. Denn die besseren Gründe sprechen dafür, dass der Ersterwerber auch nach Abtretung des vorgemerkten Übereignungsanspruches werdender Eigentümer bleibt. Denn in dieser Situation können der Zedent (hier: die Tochter der Beklagten) und der Zessionar (die Beklagte) vertraglich im Innenverhältnis regeln, wie das Stimmrecht ausgeübt wird und wer die Kosten und Lasten zu tragen hat. Schon dies spricht dafür, die Veräußerung wie einen Zweiterwerb zu behandeln. Denn auch bei einem Erwerb von einem bereits im Grundbuch eingetragenen Eigentümer (Zweiterwerb) haftet der Erwerber erst ab seiner Eintragung der Eigentümerstellung im Grundbuch. Zudem würde ein Übergang der Mitgliedschaft gravierende praktische Folgeprobleme mit sich bringen. Insbesondere ist eine Veräußerung durch den werdenden Wohnungseigentümer für die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mit der erforderlichen Gewissheit ersichtlich. Der Übergang der Auflassungsvormerkung vollzieht sich außerhalb des Grundbuches. Die Berichtigung des Grundbuches ist nur deklaratorisch. Daher bleibt bis zur Eintragung des Folgeerwerbers als Eigentümer im Grundbuch der werdende Eigentümer Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten.
Will ein werdender Eigentümer demnach seine Rechtsstellung vor Eigentumserwerb veräußern, wird im Erwerbsvertrag ausdrücklich zu regeln sein, wie sich die Rechte und Pflichten im Innenverhältnis ausgestalten. Gegebenenfalls können auch Sicherheiten für den Veräußerer vereinbart werden, nachdem bis zur Eintragung des Erwerbers als Eigentümer auch Jahre vergehen können, insbesondere wenn Streitigkeiten mit dem Bauträger auszufechten sind. In dieser Zeit bleibt der Erwerber Mitglied der Gemeinschaft und damit Haftungsschuldner für Forderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft.