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BGH, Urteil vom 08.04.2016 – V ZR 104/15 – “Wann ist ein Beschluss konkret genug sowie klar und verständlich?


Mitglieder von Wohnungseigentümergemeinschaften streiten immer wieder darüber, ob ein gefasster Beschluss konkret genug ist, um der ordnungsgemäßen Verwaltung zu genügen. Denn ein Beschluss muss inhaltlich klar und bestimmt sein. Der Rechtsverkehr hat ein Interesse daran, die durch die Beschlussfassung eingetretenen Rechtswirkungen der Beschlussformulierung entnehmen zu können. Immer wieder stellt sich dabei die Frage, ob auf außerhalb des Protokolls befindliche Dokumente Bezug genommen werden kann. Im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatten die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2008 beschlossen, „die für die einzelnen Kostenpositionen in der Abrechnung 2007 verwandten Verteilungsschlüssel auch für künftige Abrechnungen zu verwenden“. In einer späteren Eigentümerversammlung im Jahr 2013 beschlossen sie eine Hausgeldabrechnung des Jahres 2012, wobei sie den in der Abrechnung 2007 verwendeten Verteilungsschlüssel zugrunde legten. Der Beschluss wurde vom Amtsgericht für unwirksam erklärt. Anders sah dies das Berufungsgericht und der Bundesgerichtshof. Der Beschluss ist nämlich nicht zu beanstanden.

Denn der 2008 gefasste Beschluss über die Veränderung des Verteilungsschlüssels ist wirksam und zurecht der Abrechnung 2012 zugrundegelegt worden. Gemäß § 16 Abs. 3 WEG können die Wohnungseigentümer hinsichtlich der in der Vorschrift bezeichneten Betriebs-und Verwaltungskosten den bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss ändern, wenn dies ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dabei wird die Wirksamkeit dieses Beschlusses über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht deshalb infrage gestellt, weil der künftige Maßstab nicht in dem Beschlusstext selbst wiedergegeben ist, sondern insoweit auf die Jahresabrechnung 2007 und den dort verwendeten Verteilungsschlüssel Bezug nimmt. Dies ist zulässig. Zwar sind Eigentümerbeschlüsse „aus sich heraus“ auszulegen und Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses nur heranzuziehen, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Dies bedeutet aber nicht, dass zur Konkretisierung der getroffenen Regelung nicht auf Dokumente außerhalb des Protokolls Bezug genommen werden darf. Denn es ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des Beschlusses zur näheren Erläuterung inhaltlich Bezug auf Urkunden oder Schriftstücke Bezug nehmen darf. Dies gilt insbesondere bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan oder die Jahresabrechnung und häufig auch für Sanierungsbeschlüsse nach Kostenvoranschlag oder auf Grundlage eines Gutachtens. Insbesondere verbietet es der Bestimmtheitsgrundsatz nicht, dass ein Beschluss nur durch ein Dokument, auf das er Bezug nimmt, gedeutet werden kann. Das gilt auch für Beschlüsse über die Änderung des Verteilungsschlüssels, wie vorliegend. Nimmt aber ein Beschluss der Wohnungseigentümer auf ein Dokument Bezug, das weder Teil des Beschlusstextes noch des Protokolls ist, erfordert das Gebot der inhaltlichen Klarheit und Bestimmtheit, dass das in Bezug genommene Dokument zweifelsfrei bestimmt ist. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter, insbesondere ein Rechtsnachfolger den Inhalt entnehmen kann.

Im vorliegenden Fall wurde rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine zweifelsfreie Bestimmtheit der in Bezug genommenen „Abrechnung 2007″ vorliegt. Denn bereits aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 13.03.2008 ergibt sich, dass die Wohnungseigentümer unter TOP3 diese Abrechnung beschlossen haben und den in der Abrechnung verwendeten Verteilerschlüssel auch den künftigen Abrechnungen zu Grunde legen (TOP4). Hieraus ist unschwer zu erkennen, dass die Beschlussfassung unter TOP4 sich auf den unter TOP3 beschlossene Jahresabrechnung bezieht. Nachdem in der Jahresabrechnung 2007 der in Bezug genommene Verteilungsschlüssel in verständlicher Weise erläutert worden ist, ist das in Bezug genommene Dokument verständlich und klar.