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BGH, Urteil vom 19.12.2018 – XII ZR 5/18 – “Verjährung des Unterlassungsanspruchs wegen vertragswidriger Nutzung von Gewerberäumen


Mit Urteil vom 19.12.2018 – XII ZR 5/18 – befasste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, welche Verjährungsfrist für den mietrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen vertragswidriger Nutzung von Gewerberäumen gilt. Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass der aus § 541 BGB folgende Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Unterlassung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache während des laufenden Mietverhältnisses nicht verjährt, solange die zweckwidrige Nutzung andauert.

Mit Mietvertrag vom 28.05.2010 mietete der Mieter vom Vermieter Räume zum Betrieb eines Rechtsanwaltsbüros. Der Mieter nutzt seit Bezug der Immobilie einen Teil der Mietsache – nämlich ein Stockwerk – zu Wohnzwecken. Erst sechs Jahre später erhebt der Vermieter Klage gegen den Mieter auf Unterlassung der Nutzung eines Teils der Immobilie zu Wohnzwecken. Der Mieter wendet hiergegen vergeblich ein, der Unterlassungsanspruch sei verjährt, weil die dreijährige Regelverjährungsfrist nach § 195 BGB einschlägig sei. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass ein Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB besteht, weil der Mieter trotz Abmahnung den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortsetzte. Die Mietvertragsparteien hatten ausschließlich eine gewerbliche Nutzung der Mieträume vereinbart, nämlich zum Betrieb eines Rechtsanwaltsbüros. Eine andere Nutzung war dem Mieter daher nicht gestattet. Die Nutzung eines Teils der angemieteten Räume zu Wohnzwecken hielt sich nicht innerhalb des vereinbarten Nutzungszwecks. Nachdem auch eine Abmahnung ausgesprochen war, war der Mieter antragsgemäß zu verurteilen. Der Anspruch des Vermieters war auch nicht verjährt, obgleich die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB mit einer Frist von drei Jahren einschlägig ist. Für den Beginn der Verjährung kommt es nämlich nach § 199 Abs. 5 BGB auf den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung an. Rechtsprechung und Literatur nahmen teilweise an, dass der Anspruch auf Beseitigung bzw. Unterlassung der vertragswidrigen Handlung mit Beginn der Beeinträchtigung entstehe. Der Bundesgerichtshof entscheidet hingegen, dass bei einem andauernden vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache – wie der unerlaubten Nutzung von Gewerberäumen zu Wohnzwecken – der Anspruch des Vermieters aus § 541 BGB auf Unterlassung des vertragswidrigen Gebrauchs während des bestehenden Mietverhältnisses nicht verjähren kann. Dieser Anspruch verjährt nicht, solange die zweckwidrige Nutzung andauert. Nutzt ein Mieter die von ihm zu gewerblichen Zwecken angemieteten Räumlichkeiten als Wohnung, liegt der Schwerpunkt seines vertragswidrigen Verhaltens nicht in der Aufnahme, sondern in der dauerhaften Aufrechterhaltung der unerlaubten Nutzung der Mietsache. Dadurch verletzt der Mieter fortwährend die ihm während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses obliegende mietvertragliche Verpflichtung, die Mietsache nur im Rahmen des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks zu nutzen. Diese Dauerverpflichtung des Mieters entspricht der aus § 535 Abs. 1 BGB folgende Verpflichtung des Vermieters, die Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Zu dieser hat der Bundesgerichtshof ebenfalls bereits entschieden, dass sie eine vertragliche Dauerverpflichtung darstellt, die während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren kann, weil sie während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu entsteht (BGH NJW 2010, 1292 Rn. 17). Für eine davon abweichende verjährungsrechtliche Behandlung der Verpflichtung des Mieters, die Mietsache während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses nur zu dem vertraglich vereinbarten Zweck zu nutzen, besteht kein Grund. In beiden Fällen handelt es sich jeweils um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung. Für solche Dauerverpflichtungen hat der Bundesgerichtshof indes auch in anderem rechtlichen Zusammenhang mehrfach entschieden, dass die Verjährung nicht beginnen kann, solange der Eingriff noch andauert (BGH NZG 2018, 1301 Rn. 18).

Der Bundesgerichtshof führt weiter aus, dass der Anspruch des Vermieters auf Unterlassen der vertragswidrigen Nutzung der Mieträume zu Wohnzwecken auch nicht verwirkt ist. Zwar kann auch der Unterlassungsanspruch nach § 541 BGB grundsätzlich verwirkt werden. Eine Verwirkung kommt jedoch nach allgemeinen Grundsätzen nur in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen zum reinen Zeitablauf also besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH NJW-RR 2014, 195 Rn. 11 m.w.N.). Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des Schuldners auslösen, da der Vertrauenstatbestand nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden kann (BGH NJW-RR 2014, 195 Rn. 11). Somit fehlt jedenfalls die Verwirklichung des sogenannten Umstandsmoments als Voraussetzung einer Verwirkung.

Auch die Behauptung des Mieters, er habe hohe Investitionen getätigt, rechtfertigt nicht die Annahme einer Verwirkung. Vielmehr wäre ein Verhalten des Vermieters erforderlich gewesen, aus dem der Mieter redlicherweise den Schluss hätte ziehen können, der Vermieter sei dauerhaft mit der vertragswidrigen Nutzung der Mieträume einverstanden.