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BGH, Urteil vom 2.12.2011 – V ZR 113/11 – „Veräußerer haftet nicht für die Abrechnungsspitze”


Wird Wohnungseigentum veräußert, entsteht in der Wohnungseigentümergemeinschaft oft Streit darüber, wer für den Abrechnungssaldo aus der Jahresabrechnung haftet. Der Erwerber verweist oft auf den Alteigentümer, da die Kosten häufig aus der Zeit vor der Eigentümerstellung des Erwerbers stammen. In den Kaufverträgen ist zudem vereinbart, dass der sogenannte Nutzen- und Lastenübergang mit der Übergabe der Kaufsache vollzogen wird (wirtschaftlicher Übergang). Dieser Zeitpunkt stimmt mit dem Zeitpunkt der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch nie überein und liegt oft Monate vor der Eintragung.

Der Bundesgerichtshof hatte über eine Konstellation zu entscheiden, in welcher die Wohnungseigentümer zwei Abrechnungen beschlossen haben und zwar eine, die bis zum Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs reichte und eine, die ab diesem Zeitpunkt erstellt wurde. Diese beiden Jahresabrechnungen wurden beschlossen, als der Erwerber bereits im Grundbuch eingetragen war. Die Abrechnung bis zum wirtschaftlichen Übergang war an die Voreigentümerin adressiert. Der Bundesgerichthof entscheidet, dass auch die Abrechnung, die die Kosten bis zum wirtschaftlichen Übergang umfasste und an die Voreigentümerin gerichtet war, Zahlungsansprüche gegen den Erwerber begründet. Denn die Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer zur Zahlung der Kosten entsteht durch den Beschluss der Wohnungseigentümer. Daraus folgt zugleich, dass ein Beschluss Verbindlichkeiten nur für und gegen die bei der Beschlussfassung im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer begründen kann. Rechtsvorgänger können nicht belastet werden, da sonst ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten Dritter gegeben wäre. Auch die Adressierung der Jahresabrechnungen an die Voreigentümerin ändert hieran nichts. Denn in einem solchen Fall liegt das Verständnis nahe, dem Erwerber den internen Forderungsausgleich gegenüber dem Voreigentümer zu erleichtern. Er muss demnach gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft in Vorleistung treten und kann sodann die bis zum wirtschaftlichen Eigentumsübergang abgerechneten Kosten vom Veräußerer fordern, da im Kaufvertrag die Kostentragung des Erwerbers erst ab dem wirtschaftlichen Eigentumsübergang vereinbart war. Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass die Eigentümer einen Beschluss zu Lasten der Voreigentümerin treffen wollten, da dieser als Gesamtakt zu Lasten eines Dritten nichtig wäre. Eine derartige Auslegung wäre wenig lebensnah, so der Bundesgerichtshof.
Verwalter werden bei entsprechenden Beschlussfassungen zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten klarzustellen haben, dass etwaige Beschlüsse, die bis zum wirtschaftlichen Übergang getroffen werden, nicht gegen die Voreigentümer gelten, sondern gegen den Erwerber, um keine Nichtigkeit eines derartigen Beschlusses zu riskieren. Die Erwerber sollten sich klar sein, dass sie für sämtliche im Zeitpunkt ihrer Eigentümerstellung beschlossenen Jahresabrechnungen haften und gegebenenfalls Rückgriff beim Verkäufer nehmen müssen. Denn die Vereinbarungen zum wirtschaftlichen Übergang zwischen Veräußerer und Erwerber binden die übrigen Wohnungseigentümer nicht.